Siegen. Garagen voll, Autos an Straße, Bürgersteige blockiert: Rollator oder Kinderwagen kommen in Siegener Wohngebieten kaum durch. Dabei ist das eigentlich verboten.

In Siegener Wohngebieten regiert das Auto. Ob in Bürbach, Weidenau, Geisweid oder der Innenstadt: Viele Anwohnerstraßen sind dicht gesäumt von geparkten Fahrzeugen. Und die sind oft ohnehin schon so eng, dass dadurch der Begegnungsverkehr auf der Fahrbahn nur eingeschränkt möglich ist, während gleichzeitig auch Bürgersteige in einer Weise blockiert werden, dass zumindest mit Rollstuhl, Rollator oder Kinderwagen kein Durchkommen mehr auf dem Gehweg ist. Eine Folge von zu wenig Stellplätzen: Für jedes Wohngebäude ist eine bestimmte Anzahl Parkmöglichkeiten vorzuhalten - aber oft gibt es pro Haushalt mehrere Autos.

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Für Aufsehen sorgte in diesem Zusammenhang ein Vorstoß der SPD-Fraktion: Im Wohngebiet Bürbacher Giersberg häuften sich demnach die Parkverstöße im öffentlichen Straßenraum - so würden Wendehämmer, Grundstückseinfahrten und Kreuzungen zugeparkt, eine Vielzahl von Wohnmobilen blockiere öffentliche Stellplätze. Es komme immer wieder zu gefährlichen Situationen. Auf die Berichterstattung dieser Zeitung hin bestätigten Ortskundige die Situation. Eine Busfahrerin: „Es ist stellenweise eine einzige Katastrophe, sich da durch zu zingeln.“ Ein Anwohner wählt im Gespräch die gleichen Worte: „Katastrophe. Es muss unbedingt etwas passieren. So geht das nicht mehr.“

Geparkte Autos in Siegens Wohngebieten: Menschen und Fahrzeuge kommen kaum durch

Manche Wohnmobile stünden seit Wochen im Quartier, hat der Mann beobachtet, die Fahrzeuge nehmen mehrere Stellplätue weg. Zwischen all den geparkten Autos werde es immer unübersichtlicher, den Verkehr zu beobachten, zumal viele Autos mit hohem Tempo an den Spielstraßen-Einmündungen vorbeipreschen würden. „In der Nachbarschaft regt sich jeder darüber auf.“ Die Bewohner eines Mehrfamilienhauses brächten es zusammen auf 13 Autos. Viele Garagen seien zudem vollgestellt, so dass dort kein Auto mehr geparkt werden könne. „Ein Nachbar schimpft selber, hat aber zwei Autos an der Straße stehen.“

Wohngebiet Bürbacher Giersberg
Parksituation im Siegener Wohngebiet Bürbacher Giersberg: Sehr viele Nebenstraßen sind Spielstraßen. Vielfach stehen Fahrzeuge deutlich näher an der Kreuzung als die vorgeschriebenen fünf Meter. © WP | Hendrik Schulz

Das wird auch aus anderen Siegener Wohngebieten bestätigt: „Am besten sind auch noch diejenigen, die ihre Garage zugemüllt haben und ihren ganzen Fuhrpark auf der Straße stehen haben“, so ein Siegener auf die Berichterstattung hin. Ein anderer: „Sie parken trotz absoluten Halteverbots direkt vorm Eingang und zwingen einen, durchs Grünzeug zur Tür zu gelangen.“ Beschwerden würden vielfach ins Leere laufen.

„Es ist stellenweise eine einzige Katastrophe, sich da durch zu zingeln.“

Busfahrerin
über die Parksituation am Bürbacher Giersberg

Am Giersberg beispielsweise tritt eine alte Dame mit ihrem Rollator vor die Haustür, quetscht sich zwischen zwei Autos durch, überquert die Straße, quetscht sich wieder durch Autos - und kommt nicht weiter. Zu nah steht das Fahrzeug an der Hecke, sie muss über die Fahrbahn weitergehen. Eine Joggerin hält an - nicht mal sie kommt auf dem Gehweg weiter. Tagsüber gehe es halbwegs, erzählen die meisten Passanten, aber morgens und nachmittags sei es schwierig, über den Gehweg zu gehen. Auch das Garagen-Phänomen wird vielfach bestätigt: Darin sei oft gar kein Platz mehr für Autos. Eine Ursache ist auch die Lage vieler Wohngebiete auf Bergen und am Hang: Die Straßen sind oft recht schmal, die Grundstücke steil - da ist einfach nicht viel Platz für Stellflächen.

Siegen: Ordnungsamt kann kaum kontrollieren, welches Auto in welche Garage gehört

In Deutschland gibt es natürlich auch dafür eine Regelung: Die Garagenverordnung. Auch die in NRW, die manchen als strengste dieser Vorschriften in Deutschland gilt, schreibt vor: In Garagen muss geparkt werden. Neben Fahrzeugen darf dort Zubehör gelagert werden - Kindersitze, Reifen, Werkzeug, solche Sachen. Andere Nutzungen sind nicht erlaubt, weder aks Werkstatt, Partykeller, Hobby-, Lager- oder Abstellraum. Bis zu 500 Euro kann das Bußgeld bei Verstößen betragen. Kann. Denn im Alltag ist das schier unmöglich zu kontrollieren. „Wenn jemand sein Auto nicht in die Garage fährt, kann die Ordnungsbehörde nichts machen“, teilt die städtische Arbeitsgruppe Verkehrsüberwachung auf Anfrage mit. Sofern die Garage unzulässig „umgenutzt“ wurde, müsste im Zweifel die Bauaufsicht kontrollieren und das unterbinden. Praktisch müsste das Ordnungsamt bei jedem der vielen in Siegener Wohngebieten an der Straße stehenden Fahrzeuge prüfen, wem es gehört, wo die Person wohnt, ob es eine Garage im Gebäude gibt und was darin ist - unmöglich.

Wohngebiet Bürbacher Giersberg
Auch dieses Wohnmobil steht schon länger auf dem Supermarkt-Parkplatz am Bürbacher Giersberg. Es nimmt zwar keine Stellplätze an der Straße weg, aber drei Stellflächen sind trotzdem blockiert. © WP | Hendrik Schulz

Was die Wohnmobile angeht, kontrolliere das Ordnungsamt „regelmäßig in allen Stadtteilen auch das Abstellen von Anhängern und Wohnmobilen“. Wohnmobile würden dabei aber grundsätzlich wie Autos behandelt - außer sie sind aufgrund des Gewichts als Lkw zugelassen. Bei normalen Wohnmobilen gebe es daher meist keine Einschränkung hinsichtlich der Abstelldauer. Wohnwagen, die wie Anhänger gewertet werden, dürfen in Wohngebieten bis zu zwei Wochen ohne Bewegung abgestellt werden. „Wir kontrollieren in diesen Fällen regelmäßig.“

Siegen: Gehwegparken eigentlich grundsätzlich verboten - aber kaum anders möglich?

Im Sommer hatte ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts in Leipzig für Aufsehen gesorgt: Bremer Bürger hatten geklagt, weil die Ordnungsbehörde nicht gegen rechtswidrig geparkte Fahrzeuge auf den Gehwegen vor ihren Häusern vorgegangen war. Wird der Bürgersteig erheblich eingeschränkt, müssen die Behörden dagegen vorgehen, so das Gericht. Erstaunlich daran ist, dass dieses „Gehwegparken“ also grundsätzlich verboten ist - es aber in erheblichem Maße toleriert wird. Denn gerade viele Innenstädte seien so stark belastet, dass es angesichts knapper Stellplätze kaum eine andere Möglichkeit gebe.

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Das Siegener Ordnungsamt teilte dazu mit, dass keine Abweichung von der bisherigen „Lesart“ erkennbar sei: Gehwegparken ist grundsätzlich untersagt, „im Einzelfall“ werde es aber zugunsten des Verkehrsflusses geduldet - wenn dadurch keine Gefahr bestehe. In der Praxis führe man an neuralgischen Stellen Überprüfungen durch geschultes Außendienstpersonal durch: „Das Gericht hält an, den konkreten Einzelfall zu prüfen. Das wird in der Stadt Siegen so gehandhabt.“