Wilnsdorf. Wilnsdorf hat Probleme mit Falschparkern, Elterntaxis, zu schnellen Fahrern. Die Gemeinde hat den Verkehr genau untersucht: Nun gibt‘s Maßnahmen.
Zu schnelles Fahren, rücksichtsloses Parken, Gefahren wegen Elterntaxis: Die Gemeinde Wilnsdorf hat für ihre „Verkehrsbetrachtung“ die Lage in allen elf Ortsteilen untersucht und dabei wiederkehrende Probleme ebenso wie standortsspezifische Schwierigkeiten ermittelt. Der Bericht, mit dem sich am Mittwoch, 28. August, der Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr befasst, soll die Grundlage für künftige Planungen sein. Wobei die Gemeinde auch anmerkt: Vielerorts hat sie nur bedingt Karten im Spiel, weil die Zuständigkeiten bei Bund, Land oder Kreis liegen.
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„Insgesamt geht es bei dieser Thematik darum, durch gezielte Maßnahmen die Verkehrssituation und damit die Lebensqualität der Bevölkerung zu verbessern“, wird der Zweck der Betrachtung in der Vorlage erklärt. „Es gibt immer wieder Anträge aus den Fraktionen zum Thema, aber die sind jeweils auf Einzelfälle bezogen und kommen eher auf Zuruf aus der Bevölkerung“, erklärt Bürgermeister Hannes Gieseler beim Pressegespräch. Ausgehend von einem SPD-Antrag aus dem Mai 2021 und untermauert von einem CDU-Antrag aus dem August 2022 liege nun ein Gesamtkonzept vor.
„Wir erleben, dass der Individualverkehr nicht abnimmt – im Gegenteil.“
Siegen und Umland: In Wilnsdorf fahren zu viele Autofahrer zu schnell
„Erster und wichtigster Punkt: Wir müssen auf alle Verkehrsnetze eingehen“, schickt der Bürgermeister voraus. Die meisten Menschen würden bei einem solchen Projekt erst einmal ans Auto denken, aber die Gemeinde beziehe ausdrücklich ÖPNV, Radverkehr, Bürgerbus und alle übrigen Alternativen ein. Es sei unerlässlich, diese Bereiche auszubauen und zu stärken. „Die effektivste Mobilitätswende ist die, wo die Menschen von sich aus eine andere Möglichkeit als das Auto wählen wollen, weil das attraktiver ist“, betont Hannes Gieseler. In der Praxis stelle sich die Sache derzeit allerdings anders dar, wie Beigeordneter Johannes Schneider anmerkt: „Wir erleben, dass der Individualverkehr nicht abnimmt – im Gegenteil.“ Zwar würde der Berufsverkehr geringer ausfallen, weil mehr Leute das Homeoffice nutzen würden, „aber wir sehen deutlich, dass der Verkehr im Freizeitbereich wieder zunimmt“.
Zuständigkeiten
Die „Verkehrsbetrachtung“ soll auch Verständnis dafür schaffen, wann und in welchen Fällen die Gemeinde Wilnsdorf überhaupt für Straßen- und Verkehrsprojekte zuständig ist.
Sie könne „in den wenigsten Fragen ... selbständig und autonom tätig werden“, heißt es in den Ausführungen. Straßenbaulastträger ist sie nämlich lediglich bei Gemeindestraßen. Bei der Bundesautobahn ist es die Autobahn GmbH, bei Bundes- und Landesstraßen der Landesbetrieb Straßen NRW. Letzterer kümmert sich – im Auftrag des Kreises – auch um die Kreisstraßen.
Über einige konkrete Vorhaben in den Ortsteilen hinaus gibt zur Eindämmung der Hauptprobleme auf übergeordneteter Ebene eine „Dreiteilung von Maßnahmen“, wie Hannes Gieseler sagt:
Überhöhte Geschwindigkeit. Die meisten Autofahrerinnen und Autofahrer halten nach Einschätzung der Verwaltung Tempolimits ein, doch ein immer noch zu hoher Anteil tue dies nicht. „Effektivstes Mittel dagegen ist das Knöllchen“, macht der Bürgermeister deutlich. „Wer an einer bestimmten Stelle eins bekommen hat, wird dort nicht mehr zu schnell fahren.“ Bisher ist Wilnsdorf dabei aber auf die Kreispolizeibehörde angewiesen, weil es aufgrund seiner Größe selbst nicht blitzen darf. Das soll sich ändern: Eine neue Regelung des Landes Nordrhein-Westfalen gestattet es nun auch kleinen und mittleren Kommunen, in die Geschwindigkeitsüberwachung einzusteigen, wenn sich mehrere Gemeinden mit insgesamt mehr als 50.000 Einwohnerinnen und Einwohnern dafür zusammenschließen. „Wir wollen das tun, das ist aber noch ganz am Anfang“, sagt Hannes Gieseler. Zu diesem Zweck liefen Gespräche mit Netphen, Burbach und Neunkirchen. „Es wird an der Frage von Kosten und Personal hängen“, so der Verwaltungschef. Es handele sich um eine zusätzliche Aufgabe, die sich nicht einfach auf bestehende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verteilen lasse.
Ein weiteres Instrument gegen Tempo-Verstöße seien bauliche Anlagen wie Fahrbahnverschwenkungen, „Berliner Kissen“ (große Bodenschwellen) oder massivere Pflanzkübel. Solche Wünsche seien im Falle von Baumaßmaßnahmen mit dem jeweils zuständigen Baulastträger abzuklären.
„Wir müssen dafür sensibilisieren, dass der Gehweg für Fußgänger da ist und nicht für Autos.“
Wilnsdorf: Elterntaxis und zugeparkte Gehwege beeinträchtigen die Sicherheit
Elterntaxis und Parkchaos. Ein wesentliches Ziel sei die Verbesserung der Verkehrssicherheit vor allem für Kinder und andere vulnerable Gruppen, also etwa ältere Menschen oder Menschen mit Rollatoren. Hier sieht die Gemeinde vor allem zwei Ansätze. Zunächst einmal sei insbesondere in Ortsteilen mit Einzelhandel zu beobachten, dass zu viele Leute Gehwege zuparkten. Das ist nicht nur für Fußgängerinnen und Fußgänger ungünstig, es kann auch für den Verkehr auf der Straße Risiken schaffen. Zuletzt seien noch Flyer an den Autos hinterlassen worden, um auf den Verstoß hinzuweisen, doch „jetzt gibt es Knöllchen“, stellt der Bürgermeister klar. Das Hauptargument, dass Bürgerinnen und Bürger für solche Parksünden liefern würden, sei „Ich will doch nur mal eben....“ Aber: „Wir müssen dafür sensibilisieren, dass der Gehweg für Fußgänger da ist und nicht für Autos.“
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Ein anderes großes Problem seien Elterntaxis. Einige Kinder kämen nicht mehr zu Fuß oder mit dem Bus zur Schule, sondern würden mit dem Auto gebracht, „aus meiner Sicht aus falsch verstandener Fürsorgepflicht“, wie Hannes Gieseler sagt. Paradoxerweise führe das mancherorts regelmäßig zu Verkehrsverhältnissen, „wo die Eltern selbst die größte Gefahr für die Kinder sind“. Mit Halteverbotszonen können Bereiche um Schulen und Kitas unattraktiv gemacht werden, aber dann seien Hol- und Bringzonen einzurichten: „Verjagen bringt nichts, wir müssen ein Alternativangebot schaffen.“ Appelle an die Familien, den Kindern den Weg zur Schule auch in Eigenregie zuzutrauen, hält der Bürgermeister für nur wenig aussichtsreich. „Wir bekommen die Eltern nicht animiert, ihr Verhalten zu ändern. Wir als Gemeinde müssen uns den Realitäten stellen – und das Einzige, was wir wirklich tun können, ist, Verkehrsströme zu lenken.“
Wilnsdorf strebt ein tragfähiges Radwegenetz schaffen – damit der Umstieg reizvoll wird
Umdenken fördern. „Wir müssen Menschen bewegen, auf alternative Angebote umzusteigen“, hebt Hannes Gieseler hervor. ÖPNV sei dabei ein Faktor, aber vor allem „müssen wir brauchbare Radwege schaffen“. Sei das Fahrrad früher oft primär ein Sportgerät gewesen, sei es mittlerweile – gerade mit Verbreitung der E-Bikes – ein wichtiges Verkehrsmittel. Damit es als solches auch genutzt werde, bedürfe es einer entsprechenden Infrastruktur. Der Bürgermeister bringt ein konkretes Beispiel: Wenn er nach einer verregneten Nacht mit dem Fahrrad ins Büro fahre, sich dort aber aufgrund nasser und schlammiger Radwege erst einmal umziehen müsse, sei das zweifellos keine reizvolle Option. Das Radwegenetz müsse so gute Routen bieten, „dass sie auch tatsächlich von den Menschen genutzt werden“.
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Über die allgemeinen Maßnahmen hinaus enthält die Verkehrsbetrachtung auch Vorschläge für alle Ortsteile, wenn auch „nicht zu jeder einzelnen Straße – das hätte den Rahmen gesprengt“, wie Hannes Gieseler erläutert. Augenmerk wurde dabei auf „die sehr ungleiche Verteilung der Verkehrslasten“ gelegt, wie Beigeordneter Johannes Schneider erklärt. Besonders betroffen seien Wilnsdorf, Wilden, Niederdielfen und teils Rudersdorf. Da die Ortsdurchfahrten allerdings keine Gemeindestraßen sind, müssen für Ausbau inklusive geschwindigkeitsreduzierender Elemente Partner wie der Landesbetrieb Straßen NRW hinzugezogen werden. Besondere Priorität habe dabei die Ortsdurchfahrt Wilden. „Wir forcieren das“, sagt Johannes Schneider über die Strecke, die auch sehr stark von Lastwagen befahren wird. Das Projekt sei „durch die umfassende Vorarbeit der Verwaltung ... im Ausbauprogramm von Landstraßen der Bezirksregierung Arnsberg von Platz 30 auf Platz 10 vorgerückt“, heißt es dazu im Wilnsdorfer Bericht.
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