Siegen. Geflüchtete sollen schneller und mit weniger Sprachanforderungen eingestellt werden. In Siegen-Wittgenstein hat der „Jobturbo“ noch nicht gezündet.
Geflüchtete sollen schneller und mit weniger Sprachanforderungen in den Arbeitsmarkt integriert werden. Dazu hat Arbeitsminister Hubertus Heil den Jobturbo für Geflüchtete Ende Oktober letzten Jahres gestartet. .
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Gut sechs Monate nach Beginn des gestarteten Programms zur schnelleren Arbeitsmarktintegration ziehen jetzt Christoph Sczudlik, Geschäftsführer des Jobcenters Siegen-Wittgenstein, und Stephanie Krömer, Leiterin der Agentur für Arbeit Siegen, eine erste Bilanz für die Region.
Jobturbo in Siegen: Menschen aus der Ukraine seien besser qualifiziert
Der Job-Turbo wirkt in drei Phasen: Orientierung und Spracherwerb, Arbeiten und Qualifizierung in Beschäftigung sowie Stabilisierung und Ausbau der Beschäftigung. „Wir sind in Phase zwei. Ein Großteil der bei uns angekommenen Geflüchteten aus der Ukraine hat den grundständigen Spracherwerb beendet und nimmt jetzt Kurs auf den Arbeitsmarkt“, sagt Stephanie Krömer.
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Die Menschen aus der Ukraine sind besser qualifiziert als Geflüchtete aus den acht wichtigsten Asylherkunftsländern, teilt Stephanie Krömer mit. „Durch die Flüchtlingswelle aus der Ukraine hat sich einiges geändert.“ Ukrainische Geflüchtete haben auf Grundlage europäischer Beschlüsse sofortigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Das war 2015 noch anders, als viele Geflüchtete aus Syrien, dem Irak oder Iran nach Deutschland kamen.
Mit dem Zugang zu Sozialleistungen nach dem SGB II und nicht mehr nach dem Asylbewerberleistungsgesetz profitieren Geflüchtete aus der Ukraine durch die Unterstützung des Jobcenters. „Zum 1. Juni 2022 fand ein Zuständigkeitswechsel in der Betreuung der geflüchteten Menschen aus der Ukraine statt. Anstelle von Asylbewerberleistungen beziehen erwerbsfähige Geflüchtete seitdem Bürgergeld beim Jobcenter. Mit der Beantragung der Leistungen besteht Kontakt zu den Menschen und Vermittlungsgespräche finden zeitnah statt“, sagt Sczudlik.
Siegen: Auch mit fehlenden Sprachkenntnissen in den Job
Mit dem Start des Jobturbos soll vor allem das Integrationskurssystem verbessert werden. Geflüchtete sollen nicht erst Integrations- und Sprachkurse besuchen müssen, um dann arbeiten zu können – sondern mit berufsbegleitenden Sprachkursen beides gleichzeitig machen. „Es ist mittlerweile so, dass die Kolleginnen und Kollegen die Geflüchteten schon mit Blick auf das nahende Ende des Integrationskurses an Firmen vermitteln. Im IT-Bereich sind oftmals keine umfangreichen Deutschkenntnisse notwendig. Die Mitarbeiter sprechen hauptsächlich Englisch. Das Ziel ist, die Geflüchteten schneller in die Firmen zu bringen, denn besonders dort können sie ihre Deutschkenntnisse weiter verbessern, indem sie mit den Mitarbeitenden sprechen“, sagt Krömer. „Alle Beteiligten, die Ausländerbehörden, die Anbieter von Sprachkursen und die Kolleginnen und Kollegen der Agentur für Arbeit sowie des Jobcenters arbeiten Hand in Hand, damit eine möglichst zügige Aufnahme in einen Integrationskurs möglich ist.“
Es sollen mehr Geflüchtete rasch an Arbeit kommen. Firmen seien mittlerweile früher bereit Geflüchtete aufzunehmen. „Die Unternehmen lernen die Geflüchteten meist über ein Praktikum erstmal kennen. Das kann nur zwei Tage oder auch mehrere Monate lang gehen.“ Die Unternehmen haben mittlerweile mehr Erfahrungen mit Geflüchteten und ihre innerbetrieblichen Prozesse teilweise umgestellt, sagt Krömer. „So werden die Sicherheitsunterweisungen, beispielsweise in der Logistik, in mehreren Sprachen und per Video angeboten.“
Jobturbo Siegen: Wirtschaftliche Lage bremst Neueinstellungen aus
Auf die Frage, ob denn viele Menschen seit Start des Jobturbo-Programmes an Arbeit kamen, antworteten die beiden Geschäftsführer zögerlich. „Aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Lage wurden Neueinstellungen erschwert. Bis März dieses Jahres war die Zurückhaltung bei den Firmen zu spüren. Langsam setzt eine Frühjahrsbelebung ein und die Einstellungsbereitschaft erhöht sich wieder“, sagt Sczudlik. „Der Beschäftigungsstand ging im letzten Jahr zurück. Mitarbeitende in Helferpositionen wurden entlassen, während Fachkräfte im Unternehmen gehalten wurden.“
Das sind die aktuellsten Zahlen: Im September 2023 waren 2055 Geflüchtete in Arbeit, davon 408 aus der Ukraine und 1647 aus den Top 8 Herkunftsländern. 1860 Geflüchtete befanden sich im September 2022 in Arbeit, davon 268 aus der Ukraine und 1.592 aus den acht wichtigsten Asylherkunftsländern. Zum Vergleich: 1860 Geflüchtete befanden sich im September 2022 in Arbeit, davon 268 aus der Ukraine und 1.592 aus den acht wichtigsten Asylherkunftsländern.
Jobturbo Siegen: Zusammenarbeit mit Ausländerbehörde läuft besser?
Fraglich ist auch, ob Fachkräfte zu schnell in den Niedriglohnsektor geschoben werden. „Wir versuchen die geflüchteten Menschen entsprechend ihrer beruflichen Qualifikation zu vermitteln“, sagt Christoph Sczudlik. „In unserer Region gibt es wenige Jobs im Niedriglohnsektor. Ein Stundenlohn von durchschnittlich 22 Euro ist durchaus üblich.“ Auf die Frage, ob eine Anerkennung der Zeugnisse von der Ausländerbehörden zu lange dauere, äußerten sich die Geschäftsführer nicht. „Die Unternehmen öffnen sich zunehmend. Sie stellen Menschen mit Fluchthintergrund oft schon ein, bevor die Anerkennung der ausländischen Qualifikationen abgeschlossen ist“, sagt Sczudlik.
„Im Jobcenter hatten wir beispielsweise eine ukrainische Pflegekraft. Sie brachte medizinische Vorkenntnisse und Arbeitserfahrung mit. Durch die unterschiedlichen Ausbildungsinhalte in der Ukraine und Deutschland konnte sie hier nicht als Pflegekraft vermittelt werden“, sagt Sczudlik. „Deshalb hat die Ukrainerin eine Ausbildung als Medizinische Fachangestellte angefangen, um die fehlenden Inhalte nachzuholen. Als Medizinische Fachangestellte kann sie im Gesundheitswesen parallel zum Erwerb berufssprachlicher Deutschkenntnisse das noch fehlende Know-how aufsatteln. So kann im Anschluss für sie eine Integration in den deutschen Arbeitsmarkt adäquat zu ihrer Tätigkeit in der Heimat gelingen“, sagt Krömer.
Jobturbo Siegen: Bald erneutes Speeddating für Unternehmen und Geflüchtete
Vor allem durch das Chancenaufenthaltsgesetz habe sich einiges geändert, sagt Szudlik. Wer zum Stichtag 31. Oktober 2022 fünf Jahre im Land lebt und nicht straffällig geworden ist, soll 18 Monate Zeit bekommen, die Voraussetzungen für einen langfristigen Aufenthalt zu erfüllen. Dazu gehören etwa Deutschkenntnisse und die Sicherung des eigenen Lebensunterhalts. „Nur mit inländischen Beschäftigten können wir unser Wachstum nicht halten. Wir brauchen ausländische Fachkräfte“, sagt Stephanie Krömer. Im Kreis Siegen-Wittgenstein gibt es 8.634 Arbeitslose (Stand April 2024).
Pressesprecherin Nadine El Moussaoui betont, dass die Arbeitsagentur vermehrt auf Geflüchtete zugehe, etwa mit Informationsveranstaltungen oder der zuletzt stattgefundenen Aktionswoche vom 22. bis 26. April. In dieser konnten Geflüchtete in einem Speeddating ihre potenziellen Arbeitgeber kennenlernen, die Betriebe besichtigen oder für das nächste Vorstellungsgespräch üben. Zehn regionale Unternehmen haben sich an der Aktionswoche beteiligt. Mit 400 Unternehmen seien die Agentur für Arbeit und das Jobcenter in Kontakt bezüglich der Aufnahme von Geflüchteten. Insgesamt 60 Prozent der Geflüchteten seien nachhaltig integriert, unabhängig von deren Qualifikation, sagt Krömer. Die nächste Aktionswoche ist vom 27. bis 29. Mai geplant.
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Eine weitere Veränderung in Folge des Jobturbos sei der enge Kontakt mit der Ausländerbehörde, erzählt Krömer. „Durch die Erfahrungen aus vorangegangenen Flüchtlingswellen ist die Zusammenarbeit der zuständigen Stellen besser geworden. Infolge der zentralen Steuerung durch die Bezirksregierung erfahren wir beispielsweise schneller, wie viele Geflüchtete zu uns kommen. Wir nutzen zudem digitale Möglichkeiten bei der Zusammenarbeit mit den zuständigen Ausländerbehörden“, sagt Sczudlik.