Breitenbach. Reiterhof, Landwirtschaft, eine Orgelbauwerkstatt - und eine Kulturscheune, für die die Gäste von überallher in Scharen anreisen: Breitenbach hat Charme
Schon die Anfahrt ist ein Erlebnis: In großen Bögen, durch Wiesen und teilweise gesäumt von Birken und anderen Laubbäumen, zieht sich die frisch geteerte Straße sanft bergauf. Die 100 Meter Höhenunterschied zwischen dem Nachbarort Kaan-Marienborn bis zur Ortsgrenze Breitenbach erstrecken sich auf drei Kilometer. Links im Wiesengrund schlängelt sich der Breitenbach, der dem Ort den Namen gibt. Doch die pure Idylle des Tales erlebt man eher zu Fuß, zumal der Wanderer dabei all die Farben der Waldblumen genießen kann, die leuchten, wo vor einigen Jahren einmal dunkle Fichten standen. Dem Borkenkäfer sei Dank.
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Wenn sich der Besucher vom Ortseingang links hält, kommt er an einer ehemaligen Kapellenschule vorbei, 1770 gebaut und doppelt genutzt: als Schule und für Gottesdienste. Inzwischen ist sie aber leerstehend und fast zugewachsen. Niemand scheint sie mehr zu brauchen. Das war früher einmal anders: Es gab für Breitenbach und Volnsberg nur einen Lehrer, der die Kinder beider Dörfer gemeinsam, aber abwechselnd in diesen zwei Orten unterrichtete. Mal mussten die Volnsberger Kinder nach Breitenbach laufen, in der nächsten Woche die Breitenbacher Schüler nach Volnsberg. Das änderte sich, als irgendwann nach dem 2. Weltkrieg die beiden kleinen Dörfer am Fuße der Straße nach Volnsberg eine Schule für die Kinder beider Orte bauten, die inzwischen als Kindergarten genutzt wird.
Kulturscheune Sonnenhof
Wer glaubt schon, dass Musikveteranen von Ton Steine Scherben („Keine Macht für Niemand“) schon in Breitenbach aufgetreten sind, und das gleich zweimal, und dort die unsterblichen Lieder von Rio Reiser, dem „König von Deutschland“, präsentierten? Zu verdanken ist das dem Ehepaar Büdenbender, das 2003 ein im Januar 1757 eingeweihtes Bauernhaus in Breitenbach erstand, es renovierte, ohne den Fachwerk-Charme zu verändern, aber bunte Farben der Gegenwart hinzufügte. In der ehemaligen Scheune ihres Sonnenhofes haben die Eheleute eine Bühne installiert. Erst kürzlich trat dort Rainer von Vielen mit seiner Band und ihrem „Bastard-Pop“ auf, sorgten dabei für Breitenbach-Euphorie. Und am nächsten Tag gab es „Kunst gegen Bares“, das beliebte Format für alle, die sich mit Kabarett, Comedy, Poetry oder als Singer-Songwriter auf die Bühne trauen. Künstler und Gäste kamen teilweise von weit her, das Dörfchen war zugeparkt.
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Faszination des Orgelbaus
Knapp 300 Orgelbau-Werkstätten gibt es in Deutschland. Eine davon steht in Breitenbach, nur wenige Meter oberhalb des Sonnenhofes. Peter Mebold hatte den Betrieb 1976 in Marburg gegründet und einige Jahre später nach Breitenbach verlegt. Sein Sohn Mathias Mebold wusste schon sehr früh, dass auch er einmal Orgeln bauen würde. Nach seiner Lehre im Schwarzwald, seiner Gesellenzeit in Mittelschweden und weiteren Stationen im Elsass und ostfriesischen Leer kam er 2007 in den elterlichen Betrieb zurück. Nach seiner Meisterprüfung 2010 wurde er, nachdem sein Vater zuvor verstorben war, 2018 Inhaber der Firma.
Breitenbach in Kurzform
Breitenbach hat knapp über 300 Einwohner, liegt 360 Meter hoch und gehört seit 1966 zu Siegen. Zu Fuß am schönsten zu erreichen durch den Wiesenweg, der hinter dem Käner Sportplatz beginnt und mitten in Breitenbach endet. Auch empfehlenswert: Ein Spaziergang auf der anderen Talseite ab dem Reiterhof Daub über die „Sieben Felsen“ nach Kaan-Marienborn oder der Weg über den Rabenhain nach Weidenau mit herrlicher Fernsicht. Vorbildlich die Busverbindung vom frühen Morgen bis zum späten Abend.
Neubauten von Orgeln sind selten geworden. So erhalten Mathias Mebold und seine beiden Mitarbeiter vorwiegend Aufträge, diese Königinnen der Instrumente, die auch schon einmal ein Alter von 300 Jahren erreichen können, zu restaurieren. So hat die Firma Mebold auch die Orgel der Siegener Martinikirche Schritt für Schritt restauriert und klanglich der Gegenwart angepasst. Manchmal wird ein Instrument aber auch demontiert und in die Werkstatt nach Breitenbach gebracht. Dort steht zurzeit auch Mathias Mebolds Meisterstück: eine Orgel, die mit wenigen Handgriffen in zwei Teile zerlegt werden kann, damit leicht transportabel ist und an Kirchengemeinden verliehen werden kann. Zuletzt nach Unterreichenbach im hessischen Vogelsberg-Kreis.
Reiterhof Daub
Auf der anderen Seite Breitenbachs in Richtung Feuersbach weitet sich der Blick. Ganz oben, inmitten der großflächigen Wiesen, liegt die Heimat der Familie Daub. Sie wohnen hier, haben hier ein Reitzentrum der besonderen Art entwickelt: Eine Longierhalle, daneben ein 35 mal 60 Meter großer Reitplatz mit Hindernissen und gegenüber eine Reithalle, die nahezu ebenso groß ist. Julia Daub ist gerade dabei, einen Schimmel für eine Trainingsstunde aufzuwärmen. Etwa 60 Pferde sind bei ihnen in Pension, müssen betreut, gefüttert und bewegt werden.
„Man muss Spaß an der Arbeit haben. Dafür lebe ich.“
Indes ist Julias Vater Dietmar Daub dabei, mit seinem modernen Traktor eine Wiese zu mähen. Denn Pferde haben neben ihrem Bewegungsdrang vor allem eins: Hunger. Der gelernte Maler und Lackierer ist glücklich und zufrieden, genießt die klare Luft oberhalb von Breitenbach und die wunderbare Sicht, die bis zum Lahnhof und den Westerwald reicht. Er, dem man seine 66 Lebensjahre nun wirklich nicht ansieht, hat nach wie vor eine 60-Stunden-Woche auf dem Hof, auf den Wiesen und im Wald: „Man muss Spaß an der Arbeit haben. Dafür lebe ich.“ Die beiden Söhne der Daubs wohnen und arbeiten praktisch nebenan: Sie verkaufen Kaminholz und sind Spezialisten für Gala-Bau.
„Hier kann man gut für sich bleiben.“
Was Mathias Mebold und Dietmar Daub beide vermissen, ist mehr Gemeinsamkeit der Breitenbacher. Zwar gibt es einen Schützenverein, das war’s aber auch. Heimatverein, Backes, Dorffest: Fehlanzeige. Die örtliche Wirtschaft mit dem wunderschönen Biergarten hat seit Jahrzehnten geschlossen. „Hier kann man gut für sich bleiben“, sagt Mathias Mebold, wobei die Hoffnung mitschwingt, dass sich das doch mal ändert. So wie beim letzten Event der Kulturscheune Sonnenhof: Da haben viele Breitenbacher geholfen, das Verkehrsaufkommen in den Griff zu kriegen
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