Siegen. Weniger Bewerbungen, zu wenig Fachkräfte: Stellen zu besetzen wird für die Stadt Siegen immer schwieriger. Dabei kann sie mit Benefits punkten.
In zehn Jahren könnte es soweit sein, schätzt Personalchef Dirk Helmes. Dann müsste die Stadt Siegen freiwillige Leistungen einstellen. Der Punkt ist: Nicht etwa, weil das Geld nicht mehr da ist – sondern weil es an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fehlt, um die Aufgaben zu erbringen. Die Verwaltung intensiviert deshalb bereits ihre Bemühungen, um auch auf lange Sicht Bewerberinnen und Bewerber zu erreichen. „Wir finden Leute“, sagt der Leiter der Abteilung Personal, Organisation und IT. „Aber wir müssen viel mehr dafür tun als früher.“
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Mehr als ein Dutzend freie Stellen hatte die Stadt zuletzt zeitweise auf ihrer Homepage ausgeschrieben, aktuell sind es etwa zehn. „Das Problem ist strukturell“, erläutert Dirk Helmes. Der oft zitierte Fachkräftemangel schlägt längst durch, qualifiziertes Personal ist schwer zu bekommen. Es gebe zwar immer noch Bereiche, in denen es anders laufe; als 2021 Stellen im Bürgerbüro zu besetzen waren, seien knapp 300 Bewerbungen eingegangen, „was zeigt, dass unser Image gar nicht schlecht ist“. Doch da waren auch Quereinsteigerinnen und -einsteiger zugelassen, weil „nicht so ein tiefes Rechtswissen wie an anderen Stellen in der Verwaltung“ erforderlich sei, sagt der Personalchef. Mit Weiterbildungen ließe sich in manchen Aufgabenfeldern die erforderliche Qualifikation auch so erreichen. Doch je spezifischer die Stellenprofile werden, umso kleiner ist per se der Pool von potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten. Die Leitung der Grünflächenabteilung sei ein Beispiel dafür, berichtet Dirk Helmes. Um diesen Job zu übernehmen, müssen Anwärterinnen und Anwärter recht passgenau ausgebildet sein. Je weniger der Arbeitsmarkt aber demografisch bedingt in solchen Segmenten hergibt, desto länger bleiben Stellen vakant.
Siegen: Jobs bei der Stadt – noch findet die Verwaltung genügend Auszubildende
Eine weitere Schwierigkeit kann das Geld sein. „Es gibt Bereiche, wo wir wissen: Wir sind nicht konkurrenzfähig“, räumt Dirk Helmes ein – bezieht dies allerdings ausdrücklich auf den Aspekt der Bezahlung: „Wir sind an den Tarifvertrag gebunden.“ Das gelte etwa, wenn Ingenieurinnen und Ingenieure gebraucht werden. Es benötige mitunter mehrere Anläufe, um jemanden zu finden, „da muss man mehr Ressourcen reinstecken“. Oft seien es dann Leute, die gerade mit dem Studium fertig seien. „Die bekommen bei uns viel Praxis“, betont Dirk Helmes. Außerdem könne die Stadt auf diesem Gebiet damit aufwarten, dass sie immer wieder reizvolle Projekte am Start hat. In den vergangenen Jahren zählten dazu unter anderem die Neuen Ufer, die Schlossparkerweiterung, aktuell läuft der Endspurt für den „Bürgerpark Herrengarten“. Von der inhaltlichen Attraktivität solcher Maßnahmen einmal abgesehen, hätten diese auch sicht- und spürbare Wirkung und Strahlkraft – die Ergebnisse illustrieren, „dass es sinnvoll ist, für die Verwaltung zu arbeiten: Denn man tut etwas für seine Stadt“.
„Man geht nachhause und weiß: Ich habe etwas für die Gemeinschaft getan.“
Mehr Aufgaben
Die Stadt Siegen sucht nicht nur vermehrt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, weil die geburtenstarken Jahrgänge – die „Boomer“ – das Ruhestandsalter erreichen, sondern auch, weil Bund und Land immer mehr Aufgaben an die Kommunen übertragen. „Da brauchen wir neue Leute“, sagt Michaela Welticke, Leiterin der Arbeitsgruppe Personal.
Dieser Nutzen für die Gesellschaft ist auch ein Argument, das die Stadt bei ihren Bemühungen um Bewerberinnen und Bewerber in den Vordergrund rückt. „Du tust etwas, was sofort Einfluss hat auf die Region, die Leute, Deine Stadt“, formuliert Dirk Helmes die Botschaft. Er nennt die Ausstellung von Reisepässen, die Leuten den Urlaub ermöglichen, als Beispiel, aber auch Leistungen im Sozialbereich, die unmittelbar Verbesserungen für Menschen bedeuten. „Man geht nachhause und weiß: Ich habe etwas für die Gemeinschaft getan.“ Unter anderem darum gelinge es auch immer noch, junge Leute zu rekrutieren. „Bei denen sind wir als Verwaltung im Fokus, weil viele in dieser Altersgruppe eine Tätigkeit mit Sinn suchen.“ Doch auch da werde angesichts der demografischen Entwicklung die Auswahl zunehmend kleiner. Außerdem, auch das merkt Dirk Helmes an, „bringen viele junge Leute heute anderes Wissen mit als früher“ und ergänzt, was auch seitens der Wirtschaft inzwischen immer wieder angemerkt wird: „Manche sind nicht ausbildungsreif.“ Noch kriege die Stadt genügend Azubis, und „diejenigen, die wir haben, sind wirklich gut“, unterstreicht Michaela Welticke, Leiterin der Arbeitsgruppe Personal. Aber, das hebt Dirk Helmes hervor: Die Betonung liegt auf „noch“.
Stadt Siegen betreibt Marketing für die Verwaltung als Arbeitgeber
Damit es so bleibt – und das nicht nur bei den Azubis, sondern auf allen Ebenen, betreibt die Stadt sogenanntes Arbeitgebermarketing. Dieses Phänomen ist, zumindest auf breiter Basis, relativ neu. Zwar gab es auch in der Vergangenheit immer schon Branchen und Bereiche, in denen Arbeitgeber sich aktiv darum bemühten, bestimmte Bewerberinnen und Bewerber in ihre Belegschaft zu holen. Dabei ging es aber in der Regel um spezifisch höchstgradig qualifizierte Expertinnen und Experten, die aufgrund ihrer außergewöhnlichen Profile überdurchschnittlich wählerisch sein konnten, wo sie hingehen möchten. Mittlerweile haben sich die Regeln aber in vielen Bereichen des Arbeitsmarktes verändert. Früher mussten häufig selbst gute und sehr gute Bewerberinnen und Bewerber den Arbeitgeber von sich überzeugen und eine Vielzahl an Bedingungen akzeptieren, weil die Personalabteilungen genügend andere Kandidatinnen und Kandidaten vor der Tür stehen hatten. Heute läuft es mitunter umgekehrt: Die Arbeitgeber müssen sich so darstellen, dass die Bewerber zu ihnen kommen möchten, anstatt sich für alternative Angebote zu entscheiden. Vor der Tür steht nämlich allzu oft niemand mehr.
„In der Privatwirtschaft ist sowas vielleicht nicht immer möglich.“
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Die Stadt Siegen ist in diesen Marketingprozess eingestiegen und möchte ihre Stärken als Arbeitgeber ins Schaufenster stellen. Welche das aus Sicht der Belegschaft sind, habe eine Befragung ergeben, berichtet Dirk Helmes. In allen Abteilungen seien die Leute um ihre Meinung gebeten worden, und als Kern dessen, was sie an der Arbeit in der Verwaltung schätzen, hätten sich die Begriffe „Kompetenz“, „Miteinander“ und „nah dran“ als zentrale Schlagworte herauskristallisiert: kompetente Arbeit, ermöglicht durch Förderung und Weiterbildung, ein gutes Miteinander im Haus und Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern, wie Dirk Helmes präzisiert. „Außerdem können wir mit Work-Life-Balance punkten“, erläutert Michaela Welticke. Es gebe Gleitzeitkonten, die Möglichkeit zum Abfeiern von Überstunden und eine Planbarkeit von Arbeitszeiten. „In der Privatwirtschaft ist sowas vielleicht nicht immer möglich.“ Ausdrücklich, das hebt sie hervor, bedeute das „aber keine Langeweile“. Irgendwelche veralteten Klischees von „Hängematte und Kaffee trinken“, wie sie in manchen Köpfen beim Gedanken an den Arbeitsalltag in Verwaltungen noch stecken mögen, träfen definitiv nicht zu – die Aufgaben seien reiz- und anspruchsvoll.
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Das Arbeitgebermarketing befinde sich „im Ausbau“, sagt Michaela Welticke. Vieles habe sich bereits getan. Stellenanzeigen würden beispielsweise anders gestaltet, der Podcast „Flurfunk“ gibt Bürgerinnen und Bürger (und damit auch potenzielle Bewerberinnen und Bewerber) Einblicke in die Verwaltungsarbeit. Dieser Marketing-Prozess wird weitergehen. Denn die Suche nach Fachkräften wird in Zukunft nicht leichter.
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