Siegen. Die nächste Umweltspur-Debatte im Siegener Rat: Die große Mehrheit lehnt den Antrag der FDP ab, die Fahrspur dem Autoverkehr zurückzugeben.
Umweltspur, nächster Anlauf. Mit großer Mehrheit hat der Rat einen Antrag der FDP-Fraktion abgelehnt, die Umweltspur zwischen Siegen und Geisweid „mit sofortiger Wirkung zurückzubauen, alle Markierungen zu entfernen, den Ursprungszustand und damit die Zweispurigkeit je Fahrtrichtung wieder herzustellen.“ Dem Antrag der FDP schlossen sich nur AfD und Benjamin Grimm (UWG) an, drei Stimmenthaltungen gab es aus den Reihen von LKB und UWG.
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Die Umweltspur
Die Umweltspur sein „kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt“, begründet Torsten Schoew (FDP) den Antrag, und ein „fataler Fehler“. Es komme zu „erheblichen Verkehrsbehinderungen“, die Fahrt von Siegen nach Geisweid verlängere sich um bis zu 20 Minuten. Es werde „rote Farbe auf Schlaglöcher“ aufgetragen, neue Gefahrenstellen vor allem für Radfahrer seien entstanden. Durch die Staus entstünden mehr Abgase, schon der Begriff „Umweltspur“ sei daher eine Täuschung. Schoew fordert, „diesen Schnellschuss rückgängig zu machen“.
„Ich bin mal gespannt, wie die Autofahrer mit dem zweispurigen Schleifmühlchen-Kreisel zurechtkommen.“
„Das zeigt, dass der Antragsteller keine Ahnung hat. Das stimmt alles nicht.“ Martin Heilmann (Grüne) holt aus. Dass die FDP ihren Antrag schon vier Wochen vor Fertigstellung der Umweltspur gestellt habe und den Bericht, den die Verwaltung in der vorigen Woche dem Verkehrsausschuss vorgelegt hat, nicht zur Kenntnis genommen habe, sei wohl der Grund dafür: Kein Bus werde von Radfahrern aufgehalten („Der ist langsamer als ich“), kein Rettungswagen bleibe stecken. Dass Rechtsabbieger nun aufpassen müssen, sei wohl für die Siegener eine Umstellung: „In Köln müssen Sie auch die Straßenbahn durchlassen. Ich bin mal gespannt, wie die Autofahrer mit dem zweispurigen Schleifmühlchen-Kreisel zurechtkommen.“
Gefahren für Radfahrer, so Heilmann weiter, bestünden auf den anderen Schlaglochpisten: Da werde schon das einhändige Fahren zum Unfallrisiko, wenn mit dem anderen Arm die Fahrtrichtung angezeigt werden muss. Niemand fordere, die Stufenanlage an der Sieg zu entfernen, nachdem dort eine Radfahrerin gestürzt sei. Die beklagten Staus vor der Birlenbacher Straße und an Kochs Ecke hätten mit der Umweltspur nichts zu tun, dort gebe es nämlich keine. „Sie sich ja mal morgens um 8 in die Giersbergstraße stellen“, endet Heilmann und bekommt nicht nur von der eigenen Fraktion Beifall.
„Da kann man fahren, wie einem das Auto gewachsen ist.“
Silke Schneider (Linke) macht mit Vorwürfen an die „Autofahrerpartei“ FDP weiter. Sie übersehe, dass die Umweltspur Busse wieder pünktlicher mache und Radfahren sicherer geworden sei. „Man kann jetzt nach Siegen fahren, ohne sein Leben in Gefahr zu sehen.“ Die Staus für Autofahrer hätten sich nicht verlängert, auf zwei Spuren stauten sich genauso viel Fahrzeuge wie vorher auf vier. Zudem stehe als schnelle Umfahrung die HTS zur Verfügung: „Da kann man fahren, wie einem das Auto gewachsen ist.“
AfD: Bürger „stinksauer“ – GfS glaubt das nicht
Bürgermeister Steffen Mues berichtet über Reaktionen nach dem Unfall, der am Mittwoch zu einer Vollsperrung der HTS zwischen Buschhütten und Geisweid geführt hat. Die Staus auf der Geisweider Straße hätten sich vor der HTS-Auffahrt Geisweid in Richtung Siegen gebildet, wo der umgeleitete Verkehr wieder auf die Stadtautobahn auffahren konnte. „Da ist keine Umweltspur.“ Dennoch sei die Umweltspur als Grund für den Stau angeführt worden, „da kommt so was gelegen.“ Die Mails, die ihn erreicht hätten, seien „wieder sehr bedrohlich“ gewesen, stellt der Bürgermeister fest.
„ Es sollte nicht unser Anspruch sein, Ärger zu befeuern und opportunistisch auszuschlachten.“
Christian Sondermann (GfS) glaubt nicht, dass die Stimmung in der Bevölkerung mehrheitlich gegen die Umweltspur ist. Die Online-Petition habe keine Folgen, ein Bürgerbegehren sei nicht in Sicht. Sondermann spielt auf den Bürgerentscheid zum Erhalt der Haupt- und Realschulen an: „Wir haben ja gesehen, wie einfach Bürger eine Entscheidung einkassieren können.“ Das zeichne sich bei der Umweltspur nicht ab.
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Felix Hof (SPD) stellt klar, dass die Umweltspur „kein Schnellschuss“ sei, sondern „sehr gründlich vorbereitet“ worden sei., „Trauen Sie den Leuten mal zu, irgendwas anders zu machen als in den letzten 50 Jahren. Es sollte nicht unser Anspruch sein, Ärger zu befeuern und opportunistisch auszuschlachten.“ Achim Bell (UWG) bezeichnet den FDP-Antrag als „deutlich verfrüht“. „Wir geben dem Projekt eine Chance“, sagt Marc Klein (CDU), „das Ganze ruckelt sich nach und nach ein.“
Roland Steffe (AfD) sieht das anders: „Ich habe mit Bürgern gesprochen, die stinksauer sind.“ Den pro Tag gezählten 300 Radfahrern auf der Umweltspur stünden 1400 gegenüber, die den Fuß- und Radweg unter der HTS nutzten. Der sei „wesentlich schöner und angenehmer zu fahren“. Markus Nüchtern (FDP) berichtet über „permanente Sicherheitsrisiken für Radfahrer“, auf der Hagener Straße hätten sich die „Probleme verdreifacht“.
Busverkehr profitiert von Umweltspur: Pünktlicher
Stadtbaurat Henrik Schumann kündigt an, dass weitere Veränderungen an den Ampelschaltungen vorgenommen werden, sobald der Verkehrsfluss sich stabilisiert habe. „Wir haben noch eine dynamische Lage.“ Bisher entwickele sich der Verkehr so, wie es die Verwaltung im Modell simuliert habe. Das werde sich auf das Unfallgeschehen auswirken: „Ich bin sicher, wir werden bessere Zahlen als vorher haben.“ Profitieren werde auf jeden Fall der pünktlichere öffentliche Nahverkehr: „Keiner redet über die Busse.“
„Die Ampeln kommen einem so häufig vor, weil man so schnell da ist.“
Michael Schwarzer (LKB) wirft der Verwaltung vor, im Verkehrsausschuss nicht alle erhobenen Daten offengelegt und nicht objektiv berichtet zu haben: „Das beleidigt meine Intelligenz.“ Samuel Wittenburg (Volt) nennt den Antrag der FDP „populistisch“: Die Argumentation sei „anekdotischer Natur“, „ich bewundere Ihren Mut, so einen Antrag zu stellen“. Die aus den Reihen vom FDP und AfD geäußerten Sorgen um Radfahrer seien unglaubwürdig und „ekelhaft“. Auch Wittenburg hat eine Erklärung für lästige Ampelstopps auf der Umweltspur: „Die kommen einem so häufig vor, weil man so schnell da ist.“ Das letzte Wort bekommt Torsten Schoew (FDP): „Man kann umsteigen aufs Fahrrad. Man kann es aber auch lassen.“
Der Fuß-Radweg unter der HTS
In einem zweiten Antrag fordert die FDP, den Fuß- und Radweg unter der HTS auszubauen, Rad- und Gehwegspuren zu trennen, Beleuchtung zu installieren und Kreuzungen zu entfernen. Den Vorwurf, damit nur den Antrag gegen die Umweltspur untermauern zu wollen, weist FDP-Fraktionschef Markus Nüchtern zurück: „Wir werden bewusst nicht richtig verstanden.“
„Die FDP ist auf dem strammen Weg zur Volkspartei.“
Stadtbaurat Henrik Schumann verweist auf Planungen für einen Radschnellweg Kreuztal-Eiserfeld, der dieselbe Trasse in Anspruch nehmen könnte. „Die Umsetzung ist in weiter Ferne, das wird noch viele Jahre dauern.“ Die Gesamtkosten werden auf 50 Millionen Euro geschätzt, das wären 3,3 Millionen Euro pro Kilometer, rechnet Schumann vor. Die Umweltspur sei mit 55.000 Euro je Kilometer deutlich billiger. „Man denkt nicht an Frauen“, wirft Silke Schneider (Linke) der FDP vor, der HTS-Radweg führe durch „dunkle Ecken“. Joachim Boller (Grüne) fordert von der FDP konkrete Vorschläge. Ein kreuzungsfreier Ausbau „kann schnell in die Millionen gehen“. Markus Nüchtern (FDP) widerspricht: Viele Maßnahmen seien „relativ leicht und kostengünstig umzusetzen“. Für sein Bekenntnis „Wir sind auch eine Radfahrerpartei“ handelt er sich den Spott der CDU ein: „Die FDP ist auf dem strammen Weg zur Volkspartei“, sagt deren Fraktionschef Marc Klein.
Michael Schwarzer (LKB) nennt die Argumente gegen den HTS-Radweg „hanebüchen“ und sieht die „Diskussion an allen Realitäten vorbei“: „Ich habe noch nie einen Konflikt mit Fußgängern gehabt und auch keine Angst im Dunkeln. Ich habe ein Fahrrad mit Licht.“ Torsten Schoew (FDP) zieht den Antrag seiner Fraktion zurück.
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