Hilchenbach. Die „Vahee GmbH“ fertigt in Hilchenbach „Tiny Houses“, nennt sie aber lieber Microhäuser. Auch in Hilchenbach werden bald sechs davon errichtet.

Die Preise für Immobilien in Deutschland steigen seit Jahren, immer mehr Menschen wollen zudem in ihren eigenen vier Wänden leben. Und auch die Wohnfläche pro Kopf in Deutschland nimmt zu – 2020 betrug sie im Durchschnitt rund 47 Quadratmeter, 1991 waren es noch rund 35. Es müssen neue Wohnmodelle her. Die „Vahee GmbH“ aus Hilchenbach hat sich des Themas angenommen: Sie stellen „Tiny Houses“ („winzige Häuser“) in der ehemaligen Werkshalle der Firma Loos her. Die Gesellschafter Carsten Irle, Dirk Willers, Thorsten Wagener und Claus Bernshausen nennen sie allerdings lieber „Microhäuser“. Sechs davon sollen auch bald in Hilchenbach an der Wilhelmsburg/Herrenwiese stehen (siehe Zweittext).

„Tiny Houses“ aus Hilchenbach: Darum spricht „Vahee“ lieber von Microhäusern

„Bei Tiny Houses denkt man an einen amerikanischen Trailerpark oder eine Hippie-Kommune“, sagt Carsten Irle. Der Begriff sei zwar der bessere Suchbegriff bei Google, so Architekt Thorsten Wagener. Aber er spiegle nicht wieder, „was wir tun wollen“.

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Die "Vahee GmbH" produziert in Hilchenbach Microhäuser. Ein Microhaus von innen: Links geht es die Treppe hinauf zum Schlafbereich, rechts steht die Küche. Hinter der Tür verbirgt sich das Bad. © WP | Ina Carolin Lisiewicz

Für viele sind die „Tiny Houses“ gedanklich mit einem fahrbaren Untersatz verbunden, à la „Ich ziehe es an den Waldrand und lebe dann da“, wie Carsten Irle, Leiter der Produktion und Schreinermeister, das Prinzip etwas überspitzt beschreibt. „Vahee“ stellt zwar auch Microhäuser mit Fahrwerk her, aber den Fokus setzt die Gesellschaft auf die stationäre Variante ohne Räder.

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Mitte 20 bis knapp 100 Quadratmeter kann ein solches kleines Haus groß werden. In der Regel weisen Tiny Häuser eine Wohnfläche zwischen 15 und 50 Quadratmeter auf. Die von „Vahee“ produzierten Microhäuser seien die „ersten Tiny Houses aus dem Siegerland“, titelt die Gesellschaft auf ihrer Homepage. Ob es tatsächlich die ersten sind, ist immer schwer nachzuvollziehen. „Aber wir sind zumindest die ersten, die es in Serie versuchen, mit einer größeren Auflage“, erläutert Thorsten Wagener.

Hilchenbach: Wer ein „Tiny House“ haben möchte, braucht einen „Wunschzettel“

Viele der Kunden von „Vahee“ haben ein mittleres Alter. Sie leben in einem eigenen Haus, die Kinder sind ausgezogen. Oft gibt es viel zu viel Platz für eine oder zwei Personen. Das eigene Haus ist zu groß geworden für die eigenen Bedürfnisse „Ganz viele Ressourcen stehen ungenutzt rum“, fasst Thorsten Wagener die Lage vieler Singles, Verwitweten und Paare zusammen.

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Wenn diese Menschen oder andere Interessierte dann „Vahee“ aufsuchen, kommen erst einmal ihre Wünsche „auf den Tisch“. Ein bisschen wie „ein Wunschzettel zu Weihnachten“, erklärt Dirk Willers. Viele Menschen würden zum Beispiel denken, dass sie unbedingt einen fahrbaren Untersatz bei ihrem Microhaus bräuchten – oft sei dem am Ende gar nicht so. „Bei der Hausentwicklung sind die sozialen Skills extrem wichtig“, sagt Dirk Willers, zuständig für die kaufmännische Leitung, Marketing und Vertrieb.

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Die Gesellschafter müssen auch die Feinheiten bei den Wünschen heraushören, zwischen faktischem und emotionalen Bedarf unterscheiden. Auch das Wohnen an sich lernen die Kunden noch einmal zu überdenken. „Die eigene Lebensqualität hängt nicht mit der Größe des Wohnraums zusammen“, sagt Willers. Zusammen mit den Interessierten entwickeln die Gesellschafter ein Wohn- und Lebenskonzept. „Ein Microhaus ist eine ganz persönliche Sache. Da steckt viel Herzblut drin. Den größten gemeinsamen Nenner setzen wir dann auf das Fundament“, so Willers.

„Tiny Houses“ aus Hilchenbach: Die Ausstattung ist frei wählbar

Die Ausstattung ist frei wählbar. „Vahee“ legt dabei zum Beispiel Wert auf nachhaltige Werkstoffe und Materialien, klimafreundliche Energieeffizienz. Ein Grundmodul (3,40 x 7,40 Meter) besteht aus Bad, Küche, Schlaf- und Wohnraum. Beim kleinsten ihrer Häuser könne man 3500 bis 4000 Euro pro Quadratmeter rechnen, so Wagener.

„Vahee“ stehtfür „Von hier“

„Vahee“ wurde im September 2021 gegründet: Carsten Irle und Claus Bernshausen waren bereits ehemalige Kollegen, Thorsten Wagener und Dirk Willers stießen hinzu. Der Name der GmbH steht für „Von hier“. Alle Gesellschafter kommen aus der Region, bis auf Dirk Willers. „Ich bin der Migrant hier“, sagt der Kölner und lacht. Mehr Infos gibt’s im Netz unter www.vahee.de.

Allerdings braucht man im Regelfall nur eine Grundeinheit mit Bad, Küche, Schlaf- und Wohnraum – ist diese teurere Einheit erst einmal geschaffen, ist ein weiteres Modul meist günstiger. Die „Grundausstattung“ gibt es ja dann schon. Das Grundmodul kann beliebig um weitere Module erweitert werden, ob ebenerdig oder als weiteren Stock. Ein Microhaus „ist nicht so teuer wie ein Haus“, betont Wagener.

Tiny Houses in Hilchenbach: „Vahee“ stellt mehrere Microhäuser auf

Das „Vahee“-Projekt an der Wilhelmsburg/Herrenwiese wurde vom Hilchenbacher Verein „Interkulturelle Soziale Arbeit und Forschung“ (ISAF) in Auftrag gegeben. Dieser kümmert sich um Jugendliche und junge Erwachsene, die nicht mehr in ihren Familien bleiben können. Sie wohnen dann in ISAF-Räumen und werden intensiv betreut. Nun sollen sechs fest installierte Microhäuser (Einzelwohnungen) entstehen. Dort können die Bewohnerinnen und Bewohner dann lernen, selbstorganisiert zu leben: Denn sie sind für ihr eigenes kleines Haus innen und außen verantwortlich. Für sie bedeutet das den nächste Schritt ins eigenständige Leben.

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„Die Idee dafür hatte ich schon länger“, sagt Alexander Reichenau von ISAF. In Corona-Zeiten sei er dann mit Carsten Irle von „Vahee“ ins Gespräch gekommen. In einem Haus an der Wilhelmsburg werden die ISAF-Jugendlichen bereits betreut. Für diejenigen, die dem Jugendhilfe-Projekt „entwachsen“, seien die Microhäuser gedacht. „Für sie kann es ein Sprungbrett sein“, so Reichenau. Und Hilfe ist, wenn sie denn nötig ist, in greifbarer Nähe.

Microhäuser in Hilchenbach: Soziales und Nachhaltiges miteinander verbinden

Sieben Stunden in der Woche werden die Microhaus-Bewohner dann betreut werden, so Alexander Reichenau. Er kann sich aber auch vorstellen, dass „völlig neue Klienten“ aus der Jugendhilfe dort ihren eigenen Wohnraum finden. Also solche, die vorher nicht im ISAF-Gebäude an der Wilhelmsburg wohnten.

In der ehemaligen Werkshalle der Firma Loos werden die Tiny Houses bzw. Microhäuser von „Vahee“ in Hilchenbach gebaut. Hier ein Modell mit Rädern.
In der ehemaligen Werkshalle der Firma Loos werden die Tiny Houses bzw. Microhäuser von „Vahee“ in Hilchenbach gebaut. Hier ein Modell mit Rädern. © WP | Ina Carolin Lisiewicz

„Bis Oktober wollen wir die Finanzierung stehen haben. Dann kann es direkt losgehen“, sagt Reichenau. „Vahee“ strebt an, dass die sechs Häuser bis zum Jahresende ausgeliefert sind. Die Gesellschafter freuen sich, dass sie ihr nachhaltiges Wohnkonzept mit einem sozialen Zweck verbinden können. „Das ist doppelt spannend“, so Dirk Willers. Zwei Einheiten der Microhäuser werden aufgrund der Größe des Grundstücks miteinander verbunden sein, vier einzeln dort stehen.

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