Meschede. Hohe Kosten für die Heimunterbringung belasten die Senioren. Der Mescheder Seniorenbeirat fordert Reformen und bietet Einblick in die Zahlen.

„Bloß nicht ins Heim!“ Viele ältere Menschen scheuen den Umzug vor allem wegen der Kosten. Und wenn man sich die Aufstellung des Mescheder Seniorenbeirats betrachtet, kann man das gut verstehen.

Ein Drittel der Mescheder ist 60 Jahre und älter

Vorstandsmitglied Horst Radtke hat einen örtlichen Pflegeheimvergleich zusammengestellt. Angst machen wolle er nicht, sagt er auf Nachfrage, aber das Thema Pflege und Armut im Alter beschäftige die Menschen. Rund ein Drittel der Mescheder seien mittlerweile 60 Jahre und älter. Da werde eigene Pflege oder die der Eltern immer wichtiger.

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Komplizierte Berechnung

Doch die Berechnung der Kosten ist kompliziert, auch das merkt Radtke. „Pflegesachleistung, einrichtungseigener Eigenanteil, Unterkunft und Verpflegung, Investitionskostenzuschuss - die wenigsten verstehen, wie sie sich diese Zahlen zusammensetzen.“ Was man aber leicht versteht, sind die absoluten Zahlen, die der Seniorenbeirat in einer Grafik gegenübergestellt hat. Die Gesamtkosten muss jeder Bewohner, der Vermögen hat, selbst aufbringen: Und die liegen in Meschede zwischen rund 2564 im Haus Velay und 3960 Euro im St.-Elisabeth-Haus der Caritas - im Monat. Mit einer normalen Rente ist das nicht mehr zu stemmen.

Ein schwacher Trost

Die Folge: Vermögen wird nach und nach abgeschmolzen, bis man im Pflegewohngeld und letztlich in der Sozialhilfe landet und nur noch 152 Euro monatliches Taschengeld erhält. Auch wenn jemand kein Geld (mehr) hat, wird er also weiter genauso gepflegt, wie ein Selbstzahler. Kinder werden erst ab einem Einkommen von 100.000 Euro brutto zur Kasse gebeten. Ein schwacher Trost für die meisten Menschen, weiß Radtke. „Niemand will in der Sozialhilfe landen.“ Viele empfänden es auch als ungerecht, dass derjenige, der in Saus und Braus gelebt habe und sein Geld verprasst habe, genauso dastehe, wie jemand, der Geld fürs Alter zurückgelegt habe.

Horst Radtke (rechts) vom Seniorenbeirat.

„Lohnsteigerungen, Energiekosten und Investitionen schlagen sich da vor allem nieder. Da macht sich niemand die Taschen voll!“

Horst Radtke
Vorstand Seniorenbeirat Meschede

Kostensteigerung um bis zu 70 Prozent

Hinzu kommt, dass seit der letzten Erhebung des Seniorenbeirats 2022 die Kosten noch einmal exorbitant gestiegen sind. Da reicht die Spannweite vom Seniorenzentrum Blickpunkt mit einer Steigerung von rund 20 Prozent bis zum DRK-Seniorenzentrum von rund 70 Prozent. Radtke weiß auch, woher diese Kostensteigerungen kommt. Lohnsteigerungen, Energiekosten und Investitionen schlügen sich da vor allem nieder. Er betont: „Da macht sich niemand die Taschen voll!“

Pflegeversicherung beteiligt sich kaum

Der Seniorenbeirat benennt das Problem: „An den gesamten Pflegeheimkosten beteiligt sich die Pflegeversicherung nur noch mit etwa 36 Prozent. Den Hauptteil trägt mit ca. 64 Prozent der Pflegebedürftige.“ Das sei bei der Einführung 1995 anders geplant gewesen und müsse sich dringend ändern. „Die ursprüngliche Absicht, dass die Pflegeversicherung die Pflegekosten, die Heimbewohner Unterkunft und Verpflegung und das Land die Investitionskosten zahlt, läuft mittlerweile häufig ins Leere.“ Zwar werden seit Januar 2022 von der Pflegeversicherung Leistungszuschläge gezahlt, je länger man im Heim lebt. Das sind nach 36 Monaten 75 Prozent des pflegebedingten Eigenanteils (eeE), jedoch deckten diese Zusatzleistungen gerade bei niedrigen Renten die Kosten nicht.

Krankenpflegerin umarmt Seniorin in Hospiz zum Trösten
Eine Pflegerin umarmt eine Heimbewohnerin. Die Qualität der Mescheder Heime ist laut Qualitätsbericht sehr gut. © picture alliance / Zoonar | Robert Kneschke

Gute Qualitätsberichte

Im Gespräch betont Radtke, dass die Qualitätsberichte der Mescheder Pflegeheimen bis auf wenige Ausnahmen „weit über dem Durchschnitt“ lägen. Meist jedoch stellt sich gar nicht die Frage nach der besten oder preisgünstigsten Heimunterbringung. Sondern es muss schnell gehen, weil ein alter Mensch beispielsweise gestürzt ist und aus dem Krankenhaus entlassen wird. „Aktuell“, so berichtet der Seniorenbeirat, sei nach der Auswertung der App Heimfinder NRW alle verfügbaren Pflegeheimplätze in Meschede belegt.

Grundlage für Diskussionen

Der Seniorenbeirat weiß, dass das Thema vielen Menschen auf den Nägeln brennt. Mit Blick auf Bundestagswahl will er mit seinen Zahlen, eine Grundlage für mögliche Diskussionen liefern. „Ich würde mir einen gedeckelten Eigenanteil wünschen und das Land sollte die Investitionskosten übernehmen“, sagt Radtke. Die Kosten für Unterkunft und Verpflegung müsse man dann wohl akzeptieren. Zusätzlich regt er an, für Arbeitnehmer Möglichkeiten zu schaffen, die Kosten einer privaten Pflegeversicherung steuerlich abzusetzen. Denn private Absicherung sei offenbar dringend notwendig.

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Weitere Informationen im Internet auf der Website des Seniorenbeirats Meschede unter www.seniorenbeirat-meschede.de oder bei den vierteljährlichen Sprechstunden des Seniorenbeirats im Rathaus Meschede.

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