Meschede. Patricia und Francesca Rasoloarilanto stammen aus Madagaskar. Sie arbeiten im Sauerland in der Altenpflege - ihre Träume und Ziele.
Die „kleine Schwester“ ging voran: Patricia Rasoloarilanto sah für sich keine Perspektive in Madagaskar. „Unser Land gehört zu den ärmsten der Welt. Man findet keinen Job und kann deshalb nicht ausziehen und ein eigenes Leben führen.“ Nach dem Abitur und einem Jahr Studium wagte die heute 26-Jährige deshalb den Sprung nach Deutschland.
Als Au-Pair nach Hameln
Sie kam als Au-pair nach Hameln, um die Sprache zu lernen. „Ein Jahr habe ich da auf die Kinder eine Familie aufgepasst und dann noch ein FSJ in einer Rehaklinik gemacht.“ In Bremen absolvierte sie die Ausbildung zur Altenpflegerin, bevor sie nach Meschede wechselte, „weil Francesca mittlerweile hier war.“

Deutsch schon im Studium
Die hatte während ihres Masterstudiums „Finanzen und Buchhaltung“ in der madagassischen Hauptstadt Antananarivo schon begonnen, Deutsch zu lernen. „Es war sehr frustrierend“, sagt die heute 28-Jährige. „Bei uns hätte ich, obwohl ich schon im Masterstudium war, nicht mal eine Chance auf ein Praktikum gehabt.“

Auch sie kam als Au-pair. „Meine Kölner Gastfamilie hat mich dann bei der Suche nach einer Ausbildung sehr unterstützt. Sie ist bis heute meine zweite Familie.“ Gern wäre die junge Frau auch Erzieherin geworden, „aber da hätte ich während der Ausbildung zu wenig Geld bekommen, um mich selbst zu versorgen.“
„Die Ausbildung war schon hart. Meine Mitschüler mussten manches nur hören. Ich musste mich zu Hause noch mal hinsetzen, um alles langsam zu lesen und zu verstehen. “
DRK-Pflegefachschule
Auch Francesca Rasoloarilanto machte erst noch ein FSJ, um sicherer in der deutschen Sprache zu werden und um zu sehen, ob Pflege für sie das Richtige ist. Sie arbeitete im Blickpunkt und schloss die Ausbildung zur Pflegekraft an der DRK-Pflegeschule an. „Das war schon hart“, berichtet sie. „Meine Mitschüler mussten manches nur hören. Ich musste mich zu Hause noch mal hinsetzen, um alles langsam zu lesen und zu verstehen.“
Dritte Schwester in Essen
Trotzdem, so sagt sie: „Es ist perfekt.“ Viele ihrer FSJ-Kollegen fänden Meschede zu ruhig. „Für mich ist es gerade richtig. Ich liebe es, wenn ich morgens früh zum Dienst fahre und nur die Vögel zwitschern höre. Antananarivo ist laut und schmutzig und für Frauen nach Einbruch der Dunkelheit auch ziemlich gefährlich.“ Hier hätten sie sich noch nie unsicher gefühlt, betonen beide Schwestern. Mittlerweile ist auch die dritte und letzte Schwester in Deutschland. „Fi“ - Fitiavana ist 24, lebt in Essen und macht dort ihre Pflegeausbildung.
Rassismus in Frankreich
Warum gingen die Schwestern überhaupt nach Deutschland, wo doch alle drei perfekt Französisch sprechen. „Frankreich wäre für uns keine Option gewesen“, erklären sie mit Nachdruck. „Was man hört, ist dort der Rassismus viel ausgeprägte als hier“, sagt Patricia. Freunde, die sie hier aus Frankreich besuchten, sei auch aufgefallen, wie freundlich die Menschen in der Kleinstadt seien.
„Ich gehe eines Tages zurück. Es kann ja nicht sein, dass wir uns hier um die Eltern anderer kümmern und unsere Eltern in Madagaskar allein alt werden und sterben.“
Freundlichkeit tut „einfach gut“
Und man bekomme hier viel zurück in der Pflege, betonen die beiden Schwestern, oft reiche schon ein Lächeln. „Viele Senioren sind sehr dankbar, und wir versuchen uns immer die Zeit für ein kurzes Gespräch zu nehmen.“ Die jungen Frauen sind freundlich und offen - auch das schätzen die Bewohner. Sie hörten schon, dass ihr freundliches Gesicht „einfach gut“ tue. In ihrer Freizeit gehen die Schwestern ins Fitness-Studio, und Francesca singt in der neuen Musikschule Musa-Sauerland.
Eltern bleiben allein zurück
„Für unsere Eltern ist das natürlich traurig, dass wir alle drei so weit weg sind“, berichtet Francesca. „Aber sie sind auch sehr stolz darauf, dass ihre Kinder im Ausland ihren Weg machen, Arbeit haben und gut verdienen.“ Die Eltern haben in der Hauptstadt einen Imbiss. „Wir unterstützen sie finanziell“, sagt Patricia, „auch das ist ein gutes Gefühl.“
Während die Jüngere in Madagaskar für sich keine Zukunft sieht, hier bleiben und eine Familie gründen will, ist für die Ältere klar, dass sie - „vielleicht in 20 oder 30 Jahren“ - zurückgehen wird. „Eine von uns muss es machen“, sagt sie. Auch sie wünscht sich hier eine eigene Familie, „aber es kann ja nicht sein, dass wir uns hier um die Eltern anderer Menschen kümmern und unsere Eltern in Madagaskar allein alt werden und sterben.“ Und auch wenn Madagaskar viele Probleme habe, so gebe es doch viel Positives: Die Vegetation sei sehr vielseitig, es gebe tolle Strände. „Und die Menschen sind trotz allem sehr offen, gastfreundlich und lebensfroh.“
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Hintergrund
Madagaskar gehört zu den ärmsten Ländern der Erde. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf lag 2023 bei 529,56 Dollar, es war somit das viertärmste Land der Welt. Der tropische Inselstaat umfasst eine Fläche, die annähernd so groß ist wie Deutschland und Polen zusammen.
Rund 30,3 Millionen Einwohner wohnen dort, die Mehrheit leidet unter Armut und Hunger. Das Land hat mit einem WHI-Wert von 41,0 den zweithöchsten Wert im Welthunger-Index 2023. Madagaskars Wirtschaft, die nach einer politischen Krise stark geschrumpft ist, beruht primär auf Landwirtschaft (Export von Vanille) und in geringerem Maße auf Tourismus.
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