Meschede. Die Vier-Tage-Woche wird aktuell in Unternehmen im HSK diskutiert. Wo und wie ist sie umsetzbar? Zum Teil kommt sehr deutliche Kritik.

Es gibt Unternehmen, die machen es schon: Vier Tage arbeiten - drei Tage frei. Und das zum Teil bei vollem Lohnausgleich. Studien versprechen zufriedenere Arbeitnehmer, die produktiver sind und weniger krank. Wir haben mit Vertretern von Handwerk, Industrie, Gewerkschaft und Mescheder Wirtschaft gesprochen, ob und wie die Vier-Tage-Woche in der Region umsetzbar wäre.

Jochem Hunecke, Geschäftsführer der Kreishandwerkschaft.
Jochem Hunecke, Geschäftsführer der Kreishandwerkschaft. © WP | Archiv

Die Handwerker

„Das geht nur, wenn dann die Arbeit auch an diesen vier Tagen komplett erledigt wird“, sagt Jochem Hunecke, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft. Und setzt gleich ein großes Fragezeichen: „Wie soll ein Bäcker oder Fleischer an vier Tagen das produzieren, was Kunden an sechs Tagen kaufen wollen, wie eine Friseurin das erwirtschaften, wofür sie sonst fünf Tage braucht?“ Er glaubt nicht, dass Kunden mit vier Tagen zufrieden wären. Statt Produktivitätszuwächsen sieht er daher Verluste auf allen Seiten.

Und, so argumentiert er: „Im Handwerk wird körperlich gearbeitet, soll der Dachdecker im Sommer noch länger arbeiten? Dann wird es gefährlich.“ Die Ausweitung der Arbeitszeit sei auch daher endlich. Und von allen gewollt: in einem großen Unternehmen der Technischen Gebäudereinigung mit mehr als 100 Leuten hätten sich die Mitarbeiter dagegen ausgesprochen, dass die Arbeit auf vier Tage verdichtet wird.

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Trotzdem, so berichtet Hunecke, werde die Vier-Tage Woche im Handwerk intensiv diskutiert. „Das Handwerk leidet besonders unter dem Fachkräftemangel. Mit einer Vier-Tage-Woche kann es sich als attraktiven Arbeitgeber präsentieren. Stichwort Work-Life-Balance.“ Er kenne zwar keinen, „aber es mag Betriebe geben, in denen die Vier-Tage-Woche funktioniert, ob mit oder ohne Lohnausgleich.“ Für Hunecke bleibt aber die Kernfrage: „Woher kommen die Leute, die die zusätzliche Arbeit machen?“

Interessengemeinschaft Mescheder Wirtschaft (IMW)

Dirk Lahrmann ist Chef des gleichnamigen Bauunternehmens und stellvertretender Vorsitzender der IMW, der Interessengemeinschaft Mescheder Wirtschaft. „Es gibt sicherlich auch in Meschede Betriebe, in denen sich die Vier-Tage Woche umsetzen lässt“, sagt er. Das sei dann möglich, wenn die Stundenzahl verringert und das Gehalt entsprechend angepasst werde, um zum Beispiel den Freitag freimachen zu können.

In seinem Unternehmen sei das aber nur bedingt möglich. „Stellen Sie sich vor, wir haben eine Baustelle mitten in der Stadt und dann verabschieden sich meine Mitarbeiter Donnerstagnachmittag ins lange Wochenende. Dann wären die betroffenen Anlieger sauer.“ Hierzu bräuchte es ein gesellschaftliches Umdenken, das die Akzeptanz sowohl der positiven als auch der negativen Folgen einer Vier-Tage-Woche schaffe. „Aktuell sind wir eher in der Situation, dass Auftraggeber fordern, auch am Samstag zu arbeiten, um eine Baustelle möglichst schnell abzuschießen.“

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„Sicher möchte jeder Chef zufriedene Mitarbeiter haben und dafür ist es wichtig, auch flexibel auf die Teilzeit-Wünsche zu reagieren, aber es muss für beide Seiten funktionieren.“ Und das hänge eben im Einzelfall von den Anforderungen des Betriebes ab.

Das IMW-Vorstandsmitglied sieht allerdings auch eine Generation heranwachsen, die oftmals keine 40 Stunden mehr arbeiten will. Dirk Lahrmann: „Das wird den Fachkräftebedarf der Unternehmen in Zukunft noch mal deutlich steigern – und das, obwohl wir diesen heute schon feststellen.“

Dr. Volker Verch, Geschäftsführer des Unternehmensverbandes Westfalen-Mitte.
Dr. Volker Verch, Geschäftsführer des Unternehmensverbandes Westfalen-Mitte. © Unbekannt | Unternehmensverband Westfalen-Mitte

Der Unternehmensverband

„Die Vier-Tage-Woche ist ein Thema, das uns bewegt, seitdem es die Gewerkschaften ins Spiel gebracht haben“, sagt Dr. Volker Verch, Geschäftsführer des Unternehmensverbandes Westfalen-Mitte in Arnsberg und erklärt: „Jedes Unternehmen kann heute schon das bestehende Arbeitsvolumen auf vier Tage verteilen.“ Theoretisch. Praktisch werde das natürlich in verschiedenen Branchen, z.B. Einzelhandel oder in der Pflege, schwierig.

Doch das sei ja nicht das, was im Moment diskutiert werde: „Es geht um eine tariflich festgelegte Vier-Tage-Woche mit reduzierter Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich. Und das halte ich in unserer Produktionsgesellschaft für schlicht nicht umsetzbar.“ Denn: Produktivität gehe verloren, man zahle für Leistungen, die man nicht erhalte. „Und wenn wir Arbeitszeit beim Einzelnen wegstreichen, fehlen uns noch mehr Fachkräfte.“ Verch wird noch deutlicher: „Wer so etwas vorschlägt, weiß nicht um den Bedarf der Mittelständler, er gefährdet die Produktivität am Standort und den Wohlstand aller.“

Neben allen aktuellen Widrigkeiten für Unternehmen - von den Energiekosten über die Bürokratie bis zu den Lohnnebenkosten - werde das zu einer weiteren Tarifflucht führen „und zur Verlagerung von Unternehmen ins Ausland“, sagt er und kritisiert die Studien, die die angeblichen Vorteile der Vier-Tage Woche mit Blick auf Gesundheit, Zufriedenheit und Produktivität der Arbeitnehmer zeigten. „Darunter waren kaum Produktionsbetriebe, die Ergebnisse aber wurden völlig unreflektiert für alle übernommen.“

Die Gewerkschaft

Carmen Schwarz, Erste Bevollmächtigte der IG Metall
Carmen Schwarz, Erste Bevollmächtigte der IG Metall © Unbekannt | Privat

Denkverbote mag Carmen Schwarz nicht. Die Erste Bevollmächtigte der IG-Metall findet es gut, dass nun über die Vier-Tage-Woche diskutiert wird. „Wir sehen die Leistungsverdichtung und merken, dass für die Beschäftigten die Work-Life-Balance immer stärker in den Mittelpunkt rückt.“ Dem müsse man Rechnung tragen und dann gemeinsam gucken, wo das umsetzbar sei - ohne Ideologie und Schwarz-Weiß-Denken. „Ich halte es grundsätzlich für sinnvoll, sich über Gesundheit und Belastung der Arbeitnehmer Gedanken zu machen, zu gucken, ob und wie Arbeit umgeschichtet und wie die Work-Life-Balance verbessert werden kann.“

Und dann müsse man mal genau gucken, ob es wirklich zu wenig Menschen in Deutschland gibt, die die Arbeit verrichten könnten: „Es geht um Qualifizierung eigener Arbeitnehmer und um Qualifizierung von Zugewanderten, ohne das Entgeltgefüge zu zerstören.“ Zudem müsse man die duale Ausbildung gegenüber dem Studium stärken. Das sei auch eine Aufgabe für die Arbeitgeber. „Wir stellen fest, dass einige aktuell sogar statt mehr weniger ausbilden wollen.“ Und manche Diskussion müsse man auch einordnen:; „Ich glaube nicht, dass Betriebe durch unsere Forderungen untergegangen sind, nicht bei der Einführung der Fünf-Tage-Woche in den 60er- und 70e-Jahren und auch nicht bei der Einführung der 35-Stunden-Woche.“

Oliver Schmale,Chef der Agentur für Arbeit Meschede-Soest.
Oliver Schmale,Chef der Agentur für Arbeit Meschede-Soest. © Agentur für Arbeit | Agentur f. Arbeit

Die Arbeitsagentur

Für Kunden und Kundinnen sei die Vier-Tage-Woche bisher kein Thema, sagt Oliver Schmale, Chef der Agentur für Arbeit Meschede-Soest, Doch einige Unternehmen würden in ihren Stellenausschreibungen solche Benefits aktiv bewerben und erwähnen. Er ist überzeugt: Grundsätzlich könnten davon nicht nur Mitarbeitende profitieren, sondern auch die Betriebe. „Ausgeglichene und zufriedene Mitarbeiten bringen mehr Leistung, so heißt es.“ Allerdings müsse die Arbeitszeitverkürzung zu den betrieblichen Gegebenheiten passen und erfordere möglicherweise strukturelle Änderungen.