Meschede. Der Ukraine-Krieg lässt Lieferketten abbrechen und Energiepreise in die Höhe schnellen. Mescheder Unternehmer suchen nach Lösungen.

Aktuell überschlagen sich die Ereignisse im Ukraine-Krieg. Auch die Mescheder Betriebe merken die Auswirkungen massiv: Staatliche Sanktionen und das Kriegsgeschehen selbst lassen Energie- und Rohstoffpreise steigen und Lieferketten abbrechen. Frank Hohmann und Dirk Lahrmann vom Vorstand der Interessengemeinschaft Mescheder Wirtschaft erläutern die konkreten Folgen für ihre Betriebe (ITH Maschinenbau und Bauunternehmen Lahrmann/Meyer Tochtrop). In einem Info-Termin mit einem Wirtschaftsanwalt will die IMW weitere konkrete Probleme klären.

Frank Hohmann, Inhaber und Geschäftsführer von ITH Meschede und Vorsitzender der IMW.
Frank Hohmann, Inhaber und Geschäftsführer von ITH Meschede und Vorsitzender der IMW. © WP | ITH

Was macht Ihnen aktuell am meisten Sorgen?

Frank Hohmann: Dass Lieferketten nicht mehr aufrechterhalten werden können, weil Termin- und Preisbindungen nicht mehr passen. Materialien für die Produktion sind teilweise gar nicht mehr zu bekommen oder 20 bis 30 Prozent teurer. Bei manchen Komponenten reden wir vom Faktor zwei bis drei. Das ist nicht mehr über das normale unternehmerische Risiko abzudecken.

Dirk Lahrmann: Wenn der Ölpreis steigt, steigt parallel der Preis für Bitumen und damit für Asphalt. Auch da reden wir aktuell über Preissteigerungen von 20 bis 30 Prozent im Vergleich zum Vorkriegs-Niveau. Der Preis für Baustahl ist ebenfalls um 30 Prozent gestiegen ohne Garantie, dass ich das Material überhaupt bekomme, wenn ich es brauche. Der Asphalt-Lieferant behält sich aktuell vor, 48 Stunden vorher den Vertrag zu kündigen, ich bin aber langfristig an meine Auftraggeber gebunden. Trotz stark steigender Tagespreise muss ich Preise für Ausschreibungen mindestens sechs Wochen, teilweise über ein Jahr, garantieren. Es ist fast unmöglich, dass ich mich an Ausschreibungen beteilige, deren Fertigstellung in ein oder zwei Jahren ansteht.

Welche Betriebe sind da besonders betroffen?

Dirk Lahrmann: Zuletzt war ja vor allem die Speditionsbranche mit dem Dieselpreis in der Presse, aber es betrifft fast alle Wirtschaftszweige. Selbst die Pflegebereiche sind von den gestiegenen Kosten betroffen.

Bietet da das Handelsrecht Spielräume?

DIrk Lahrmann. Vorstand IMW und Geschäfstführer Bauunternehmen Larhmann/Meyer Tochtrop
DIrk Lahrmann. Vorstand IMW und Geschäfstführer Bauunternehmen Larhmann/Meyer Tochtrop

Frank Hohmann: Das wollen wir von unserem Referenten am Donnerstag erfahren. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Unternehmen gibt es in der Regel den Passus höhere Gewalt, auch als „Force Majeure“ bezeichnet. Zusätzlich gibt das BGB hier auch Möglichkeiten in Bezug auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage sowie die Unmöglichkeit der Leistungserbringung.

Ohne den Ukraine-Krieg - wie stünde die Mescheder Wirtschaft da?

Frank Hohmann: Viele Mescheder Unternehmen haben nach wie vor eine gute Auftragslage und daher vor allem das Problem, Mitarbeiter zu finden. Im Arbeitsamtsbezirk Meschede liegt die Arbeitslosenquote weiterhin bei 3,3 Prozent. Das ist quasi Vollbeschäftigung.

2016, als zuletzt viele Flüchtlinge kamen, hat sich die IMW auch darum bemüht, geflüchtete Menschen einzustellen. Ist das jetzt auch eine Option?

Dirk Lahrmann: Integration ist wichtig und funktioniert am besten über Arbeit und Ausbildung. Das größte Problem bleibt die Sprachbarriere. Als weiteres Problem sehe ich aktuell die Kinderbetreuung. Da ist es ja jetzt schon schwierig, einen Platz zu bekommen.

Wenn Putin den Gashahn zudreht oder wir spontan auf das russische Gas verzichten, welche Auswirkungen sehen Sie dann?

Frank Hohmann: Unser Wirtschaftsminister hat kürzlich den Drei-Stufen-Notfallplan vorgestellt. Nach einem Drei-Stufen-Plan sollen dann Unternehmen abgeschaltet werden. Man kann nur hoffen, dass der strategisch gut durchdacht ist. Ein Abschalten von Gaslieferungen hätte verheerende Auswirkungen für die Wirtschaft und letztlich für uns alle. Hierdurch würden Lieferketten unterbrochen und einige Unternehmen müssten Kurzarbeit anmelden.

Bauarbeiten von  Meyer-Tochtrop auf der Kaiser-Otto-Platz in Meschede. 
Bauarbeiten von Meyer-Tochtrop auf der Kaiser-Otto-Platz in Meschede.  © Privat | Michael Elbers

Herr Hohmann, Sie haben eine Vertretung in Russland. Was hören Sie von dort?

Frank Hohmann: Das Thema Krieg ist in Russland nicht präsent. Der russische Staatsapparat hat die Medien voll im Griff. Leider spiegelt sich das auch in der Meinungsbildung einiger Russen wider. Zum Glück sind die Mitarbeiter unserer russischen Vertretung weltoffen und informieren sich über andere offene Kanäle.

Was erwarten Sie von der Politik?

Frank Hohmann: Von der Bundespolitik erwarten wir, dass wir weiterhin Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen beziehen können. Die Landesregierung muss dafür sorgen, dass nicht nur die Zentren gefördert werden, sondern dass der ländliche Raum auch eine passende Unterstützung erhält. Die Region Südwestfalen ist die drittstärkste Wirtschaftsregion in Deutschland und sogar die stärkste in NRW. Für unsere Mitglieder ist es wichtig, dass sie die offenen Stellen besetzen können.

Dirk Lahrmann: Nehmen Sie aktuell den Vorstoß, den ÖPNV für 9 Euro im Monat zu nutzen. Eine schöne Idee, aber auf dem Land nicht praktikabel. Doch auch hier muss man Mobilität erhalten.

Ist in Ihren Augen die Globalisierung als Erfolgsmodell gescheitert?

Frank Hohmann: Das würde ich nicht sagen. Deutschland bleibt eine Exportnation. Aber ich sehe schon, dass bestimmte Dinge zurückgeführt werden, dass nicht mehr alles „Just in Time“ geliefert wird und das Lager auf der Straße liegt, sondern am Haus in Lagerkapazitäten und Logistik investiert wird.

Dirk Lahrmann: Für mich ist die momentane Krise auch keine Globalisierungskrise. Die Abhängigkeit von ausländischer Energie ist über Jahrzehnte bewusst in Kauf genommen worden.

Die Interessengemeinschaft Mescheder Wirtschaft - kurz IMW - lädt alle Mitglieder und Interessierten zu einem Infotermin
Die Interessengemeinschaft Mescheder Wirtschaft - kurz IMW - lädt alle Mitglieder und Interessierten zu einem Infotermin "Krieg in der Ukraine - Auswirkungen auf Lieferketten und rechtliche Rahmenbedingungen für die lokale Wirtschaft" mit Rechtsanwalt Dr. Christian Reichmann ein. Die Veranstaltung findet am Donnerstag, 7. April, um 17 Uhr digital statt. Die IMW freut sich auf einen informativen, digitalen Austausch im Gespräch mit Rechtsanwalt Dr. Reichmann zu den rechtlichen Rahmenbedingungen für die lokale Wirtschaft. © Schindhelm Rechtsanwaltsgesellschaft mb

>>>HINTERGRUND

Die Interessengemeinschaft Mescheder Wirtschaft (IMW) lädt Mitglieder und Interessierten zu einem Infotermin „Krieg in der Ukraine - Auswirkungen auf Lieferketten und rechtliche Rahmenbedingungen für die lokale Wirtschaft“ mit Rechtsanwalt Dr. Christian Reichmann ein.

Die Veranstaltung findet am Donnerstag, 7. April, von 17 Uhr bis 18.30 Uhr per Zoom statt. Anmeldungen sind bis zum 6. April per E-Mail unter imw@meschede.de möglich. Die Teilnehmer erhalten vor der Veranstaltung die entsprechenden Zugangsdaten.

Dr. Christian Reichmann ist Rechtsanwalt und Partner der Schindhelm Rechtsanwaltsgesellschaft mbh in Osnabrück auf dem Gebiet des allgemeinen Wirtschaftsrechts.

In seinem Vortrag wird Dr. Reichmann zunächst einen Überblick über die sanktionsbedingten Handelsbeschränkungen geben. Anschließend wird er die rechtlichen Auswirkungen kriegsbedingter Störungen innerhalb der Lieferketten sowie anhand von Beispielen die rechtlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen erörtern. Außerdem wird er Themen wie Verzug, Unmöglichkeit, Wegfall der Geschäftsgrundlage und den Grundsatz von Treu und Glauben einschätzen.

Im Praxisbezug wird zudem der Umgang mit absehbaren Lieferschwierigkeiten als Lieferant und Möglichkeiten zur Reaktion auf Leistungsstörungen des Vertragspartners dargestellt, um für die Mitglieder konkrete Ansätze aufzuzeigen. Anschließend steht Dr. Reichmann für Fragen zur Verfügung.