Meschede/Arnsberg. Es ist Krieg in Europa. Das wird Auswirkungen haben auf jeden Menschen in der Region, sagen Wirtschafts-Experten aus dem HSK voraus.

Nach der russischen Invasion in die Ukraine blicken auch die Wirtschafts-Experten in der Region mit Anspannung und Sorge in den Osten. Sie fühlen mit den Menschen in der Ukraine und wissen und ahnen: Der Krieg wird Auswirkungen auch auf die Menschen im Sauerland haben.

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ITH Schraubtechnik

Frank Hohmann ist Geschäftsführer von ITH Schraubtechnik in Meschede und Vorsitzender der Interessengemeinschaft Mescheder Wirtschaft.
Frank Hohmann ist Geschäftsführer von ITH Schraubtechnik in Meschede und Vorsitzender der Interessengemeinschaft Mescheder Wirtschaft. © ITH

Frank Hohmann, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Mescheder Wirtschaft, hat als Geschäftsführer von ITH Schraubtechnik selbst Kontakte in die Kriegsgebiete. „Wir haben seit vier Jahren eine Vertretung in Russland und einen Handelsvertreter in der Ukraine“, berichte er. Mit dem ukrainischen Kollegen habe er bereits kurz telefoniert und ihm Hilfe angeboten. „Er verlässt gerade mit seiner Familie Kiew und fährt aufs Land, weil er sich im Hochhaus in Kiew mit zwei kleinen Kindern nicht sicher fühlt.“ Für die wirtschaftlichen Kontakte nach Russland sieht Hohmann schwarz: „Die Sanktionen werden uns betreffen. Wir haben den Markt in Russland und in der Ukraine über mehrere Jahre aufgebaut. Diese Dinge sind jedoch im Moment nicht wichtig, sondern die menschlichen und die freiheitlichen-demokratischen Belange haben hier absolute Priorität.“ Und auch das große Thema Energie beschäftigt den Mescheder Unternehmer: „Wir produzieren zwar 40 Prozent unseres Stroms selbst über Photovoltaik, aber natürlich ist das für uns ein wichtiges betriebswirtschaftliches Thema, wenn sich die Energie verteuert.“ Was die weiteren Auswirkungen betreffe, sei es vielleicht für Putin auf den ersten Blick ein innenpolitischer Gewinn, „außenpolitisch ist das ein Desaster.“ Alle müssten aufpassen, dass die Situation nicht weiter eskaliert. Dafür steht Hohmann auch hinter harten wirtschaftlichen Maßnahmen: „Die müssen möglichst schnell greifen.“

Handwerk

Jochem Hunecke ist Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft in Meschede.
Jochem Hunecke ist Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft in Meschede. © WP | Archiv

Jochem Hunecke, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft in Meschede, denkt zuerst an die Menschen. „Mein Mitgefühl gilt den Ukrainern. Auch wenn wir jetzt hier über wirtschaftliche Auswirkungen reden, so haben wir doch weiter ein Dach über dem Kopf und müssen uns keine Sorgen um unser Leben machen.“ Doch dass es wirtschaftliche Auswirkungen geben wird, davon ist er überzeugt. „Energieverknappung, unterbrochene Lieferketten und steigende Inflation - das wird sich auf unseren Wohlstand auswirken.“ Zwar betreue die Kreishandwerkerschaft eher Betriebe, die im regionalen Markt agieren. Doch es gebe auch darunter welche, die gute Kontakte nach Osteuropa hätten und unter den Sanktionen leiden werden. Einige hätten auch Mitarbeiter aus den Ländern. „Alle sind tief betroffen.“

Spedition Mönig

Alexander Schulz, Geschäftsführer der Spedition Mönig in Meschede, berichtet von Personalproblemen mit ukrainischen Fahrern.
Alexander Schulz, Geschäftsführer der Spedition Mönig in Meschede, berichtet von Personalproblemen mit ukrainischen Fahrern. © Mönig

Alexander Schulz,Geschäftsführer der Spedition Mönig, erzählt von einer besonderen Konsequenz des Krieges für den Frachtverkehr. „Unsere polnischen Partner berichten, dass viele ukrainische Fahrer ihre Lkw stehenlassen, um bei ihren Familien zu sein.“ Auch das werde sich auf den Lieferverkehr auswirken, denn laut Auswertung der Mautzahlungen von 2020 würden in Deutschland nur noch 60 Prozent der Frachten von deutschen Unternehmen gefahren. „17 Prozent kommen aus Polen und die arbeiten viel mit ukrainischen Fahrern. Das wird unser Personalproblem noch weiter verschärfen.“ Er habe allerdings auch schon die andere Sicht gehört: Fahrer, die in Mitteleuropa bleiben wollen, weil sie fürchten, aus ihrem Land nicht mehr rauszukommen. „Das hängt sicher auch mit der persönlichen Situation zusammen. Ein Junggeselle sieht das anders als ein Familienvater, der weiß, dass seine Kinder aus Angst vor Bombenangriffen in einem U-Bahn-Schacht sitzen.“

IHK Arnsberg

Stefan Severin, Geschäftsbereichsleiter Volkswirtschaft, Kommunikation, Unternehmensförderung, International bei der Industrie- und Handelskammer Arnsberg, hatte per Videokonferenz Kontakt zur deutsch-ukrainischen Industrie- und Handelskammer in Kiew: „Der Geschäftsführer war der Einzige, der noch im Büro war. Die anderen waren nach Hause zu ihren Familien geschickt worden. Da bekommt das Ganze eine ganz andere Dimension und Betroffenheit. Wir denken an die Menschen generell dort und an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Unternehmen, die dort Fuß gefasst haben. Hoffentlich geht es denen gut. Und hoffentlich werden die Menschen dort nicht vertrieben.“

Pressesprecher IHK Arnsberg und Dipl.-Volkswirt Stefan Severin
Pressesprecher IHK Arnsberg und Dipl.-Volkswirt Stefan Severin © WP | IHK

Laut Severin lassen sich die Auswirkungen des Russland-Ukraine-Konfliktes auf die heimische Wirtschaft aktuell kaum abschätzen. „Dafür ist die Entwicklung zu undurchsichtig. Zu Russland als auch zur Ukraine gibt es viele gewachsene Wirtschaftsbeziehungen, auch in unserer Region. Somit steht zu befürchten, dass Wirtschaftssanktionen auch Südwestfalen treffen werden. In jedem Fall werden Warenlieferungen komplizierter. Extrem erschwert werden die Wirtschaftsbeziehungen, falls Russlands aus dem Zahlungssystem SWIFT ausgeschlossen wird.“

Der Volkswirt betont aber auch, dass bei all den nüchternen Überlegungen zu den wirtschaftlichen Auswirkungen in erster Linie die Gedanken bei den betroffenen Menschen sind. „Ohne Schuld droht ihnen Leid und Vertreibung.“

>>>HINTERGRUND

Russland lag bisher im Ranking der deutschen Exportziele auf Platz 14. Nach dem pandemiebedingten Einbruch 2020, so der IHK-Pressesprecher Stefan Severin, hätten sich die deutsch-russischen, ebenso wie die deutsch-ukrainischen Wirtschaftsbeziehungen außerordentlich positiv entwickelt. Im Jahr 2021 verzeichneten die Exporte einen Zuwachs von 17,2 Prozent (Ukraine) und 15,5 Prozent (Russland).

Was die Importe betrifft, so ist Severin überzeugt, dass sich die Situation vor allem auf die Energieversorgung auswirken wird.

„Schon heute leiden die Unternehmen in der Region unter enormen Steigerungen der Energiepreise. Einige Unternehmen befassen sich daher schon konkret mit Standortverlagerungen. Da aus Russland aktuell das meiste Gas importiert wird und enorme Mengen an Erdöl kommen, werden weiter steigende Energiepreise eine weitere Folge des Konfliktes sein. Davon sind Unternehmen, aber auch Haushalte betroffen.“