Menden. Der 35-Jährige aus Afghanistan lebt seit wenigen Monaten in Menden, lernt gerade die deutsche Sprache. Das sind seine Zukunftspläne.

Gerade mal etwas mehr als ein halbes Jahr für eine neue, unbekannte Sprache – und jetzt steht Bilal Iqbalzai kurz vor der B1-Sprachprüfung für Deutsch. Und nicht nur das: Der 35-Jährige, der aus Afghanistan nach Deutschland geflüchtet ist, fühlt sich heimisch in Menden und sagt: „Menden ist gut für meine Familie.“

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Im März dieses Jahres kam der 35-Jährige gemeinsam mit seiner Frau und den drei Kindern in Menden an. Mehrere Monate lebte die junge Familie im Wohnheim an der Bischof-Henninghaus-Straße, dann durfte sie in eine Wohnung in der Wunne in Bösperde ziehen. Das Wohnzimmer ist bescheiden eingerichtet, zwei Sofas, ein Sessel, ein Tisch, eine Kommode, ein Fernseher. „Wir haben die Möbel vom Sozialkaufhaus“, erzählt Bilal Iqbalzai. Er und seine Familie freuen sich, dass sie nun ihr eigenes Zuhause haben, ein eigenes Badezimmer, eine eigene Küche, ein Schlafzimmer für die Kinder.  

„Ich lerne sehr viel und bin glücklich, dass ich das darf.“

 Bilal Iqbalzai
über seinen Sprachunterricht bei der VHS in Menden

In den vergangenen Monaten ist Bilal Iqbalzai an vier Tagen in der Woche zur ehemaligen Bonifatiusschule auf der Platte Heide gegangen, um in einem Integrationskurs der Volkshochschule die deutsche Sprache zu lernen. Er spricht bereits fünf Sprachen, erzählt er, aber die deutsche Sprache sei besonders schwierig. Für Mitschüler, die das Lernen nicht gewöhnt seien – etwa weil sie in ihrem Herkunftsland nur wenige Jahre zur Schule gehen konnten –, sei die Herausforderung noch größer. Ihm habe geholfen, dass „ich in der Schule zwei sehr gute Lehrerinnen habe. Ich lerne sehr viel und bin glücklich, dass ich das darf.“

Menden
Bilal Iqbalzai hat mit seiner Familie in den ersten Wochen nach seiner Flucht aus Afghanistan in der städtischen Unterkunft an der Bischof-Henninghaus-Straße gelebt. © WP Menden | Corinna Schutzeichel

Nebenbei macht der dreifache Familienvater gerade seinen Auto-Führerschein. Er sei zwar auch in Afghanistan Auto gefahren, doch werde dieser Führerschein nicht anerkannt. Die theoretische Prüfung für den deutschen Führerschein hat Bilal Iqbalzai bereits geschafft, nun soll noch die praktische Prüfung folgen. Er hofft, dass er sich dann ein preiswertes Auto kaufen kann, um seine Kinder zur Schule bringen zu können: „Vier Reifen – und Hauptsache, es fährt“, formuliert er seinen Wunsch.  

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Seine vierjährige Tochter hat noch keinen Kindergartenplatz, erzählt er. Seine beiden Söhne – sechs und neun Jahre alt – gehen in die Anne-Frank-Schule am Papenbusch. Die beiden Jungen lernen in der Schule Deutsch, spielen in ihrer Freizeit gerne Fußball – mit Cristiano Ronaldo und Lionel Messi als Vorbild. Die Tochter soll voraussichtlich im nächsten Sommer in den Kindergarten kommen, sagt Bilal Iqbalzai. Dann könne auch seine Ehefrau einen Sprachkurs besuchen.

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Der 35-Jährige hat in Afghanistan nach dem Schulabschluss studiert, ist Wirtschaftswissenschaftler. In Afghanistan habe er als Volkswirt (Master of Economics) für das Finanzministerium der afghanischen Regierung gearbeitet, habe beispielsweise Konzepte zum Thema Empowerment afghanischer Frauen verfasst, am „Afghanistan National Peace and Development Framework“ mitgearbeitet, an internationalen Konferenzen zum Beispiel in London und in Genf teilgenommen, erzählt er. Darüber hinaus verfüge er über Arbeitserfahrung bei internationalen Organisationen. Im August 2021, als die Taliban die afghanische Hauptstadt Kabul einnahmen, änderte sich für ihn alles. Die Angst um Leib und Leben und die Sorge um seine Familie gehörten von da an zum Alltag. Und jetzt fängt er wieder bei null an – dennoch mit viel Energie und Zielstrebigkeit.

Nach der B1-Sprachprüfung will Bilal Iqbalzai in Zukunft die Prüfungen für das Sprachniveau B2 und dann C1 schaffen – um dann vielleicht noch mal zu studieren. Menden indes soll sein Zuhause, seine Basis bleiben, wünscht sich Bilal Iqbalzai.

Neues Geschäft in Menden?

Und er kann sich auch vorstellen, in Menden ein Geschäft zu eröffnen: „Ich habe viele Ideen – vielleicht eine Location für alle Mendener, wo sie Spaß haben können und wo es auch etwas zu essen gibt.“ Eine Speisekarte, auf der afghanische und deutsche Gerichte kombiniert werden, hat er bereits entworfen, auch einen Businessplan habe er ausgearbeitet. Nur an der Finanzierung hapere es: „Ein gastfreundliches Haus mit einer angenehmen Atmosphäre“ ist sein Wunsch. Auf diese Weise wolle er in Menden „einen Beitrag zum Wohlergehen der Gemeinschaft leisten“.

„Wenn man seine Heimat verlässt, lässt man alles zurück.“

Bilal Iqbalzai 

Als die WP Bilal Iqbalzai im Mai erstmals besuchte, berichtete er von seinem Heimweh und sagte wehmütig und traurig: „Ich habe keine Hoffnung.“ Mittlerweile haben er und seine Familie sich eingelebt, blicken optimistischer in die Zukunft. „Wenn man seine Heimat verlässt, lässt man alles zurück“, sagt Bilal Iqbalzai und denkt an Familienmitglieder, die weiterhin in Afghanistan leben. „Man lässt das ganze bisherige Leben zurück, weil man sich eine Zukunft aufbauen möchte. Das bringt viele Herausforderungen mit sich.“ Ihm ist es ein Herzensanliegen, allen Migrantinnen und Migranten eine Botschaft mitzugeben: „Seid stark, glaubt an euch selbst und vertraut auf eure Fähigkeiten. Mit Entschlossenheit und Ausdauer könnt ihr die Schwierigkeiten überwinden und die Türen zum Glück öffnen.“

„Ich möchte hier leben. Menden ist jetzt meine Heimat. Ich liebe Menden.“

 Bilal Iqbalzai

Er wünscht sich und allen anderen, dass das neue Jahr „voller Frieden, Erfolg und gemeinsamer Freude sein“ wird und ruft dazu auf, Herausforderungen „mit Mut und Hoffnung“ anzugehen und immer daran zu „denken, dass wir durch Zusammenarbeit und Respekt füreinander eine bessere Zukunft schaffen können“. Für Bilal Iqbalzai steht fest: „Ich möchte hier leben. Menden ist jetzt meine Heimat. Ich liebe Menden.“