Menden. Der Unterrichtsstoff auf dem Gymnasium interessiert ihn wenig. Alles ändert sich, als Joel (22) weiß, was er beruflich machen will.
Vom Schulabbrecher zum Landesbesten: Der Mendener Joel Bachstein hat eine ganz besondere Auszeichnung bekommen.
„Ich habe immer wieder die Schule geschwänzt. Ich hatte da keinen Spaß.“
Auf dem Gymnasium an der Hönne war der heute 22-jährige Joel ein echtes Sorgenkind – für seine Eltern und wohl auch für manche Lehrerinnen und Lehrer. Eigentlich wollte er dort sein Abitur ablegen, doch ab der 10. Klasse wurden seine Noten immer schlechter. „Ich habe immer wieder die Schule geschwänzt“, sagt er ehrlich. „Ich hatte da keinen Spaß.“ 222 unentschuldigte Fehlstunden sind auf seinem Zeugnis dokumentiert – in nur einem Schulhalbjahr. Als er den elften Jahrgang besuchte, wurde es nicht besser. Nach dem zweiten Durchlauf der Elf verließ Joel das Gymnasium – mit der Mittleren Reife und einem „ausreichend“ oder „mangelhaft“ in fast allen Fächern.
„Mein Test war einer der besten, die da jemals geschrieben wurden, wurde mir gesagt.“
Zunächst hatte der Mendener keine Vorstellung davon, wie es für ihn weitergehen sollte. Er jobbte bei einem Bäcker, „aber sonst hatte ich keinen richtigen Plan“. Nach Terminen beim Jobcenter war für Joel klar: „Ich möchte irgendwas mit Elektronik oder Richtung IT machen.“ Technik und wie sie funktioniert, habe ihn schon als Kind interessiert. 40 Bewerbungen schrieb er, bekam viele Absagen. Schließlich durfte er bei einem Hagener Unternehmen den Einstellungstest machen. Anfangs habe dort Skepsis vorgeherrscht, ob er angesichts seines Zeugnisses überhaupt ein Kandidat für die Ausbildungsstelle sein könnte. Doch Joel überzeugte: „Mein Test war einer der besten, die da jemals geschrieben wurden, wurde mir gesagt“, erinnert sich der Mendener.
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Nach einem zweiwöchigen Praktikum startete Joel in dem Betrieb die Ausbildung zum Elektroniker für Automatisierungstechnik. In der Lehre lernte er zum Beispiel, wie Anlagen entwickelt, programmiert und gebaut werden. Bei seinem Ausbildungsbetrieb „Kabel Premium Pulp & Paper“ geht es in Joels Berufsalltag vornehmlich um die Wartung und die Reparatur von Papiermaschinen.
Wegen guter Leistungen im Betrieb und in der Berufsschule durfte Joel seine Lehre sogar um ein halbes Jahr verkürzen. Warum es in der Berufsschule so gut geklappt hat, aber auf dem Gymnasium überhaupt nicht? „In der Berufsschule habe ich mitbekommen, dass das Gelernte relevant ist für meinen Beruf“, sagt Joel. „Und das hat mich einfach interessiert.“ Wenn Themen ihn nicht interessieren, „dann schalte ich einfach ab“.
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Viel lernen musste Joel nicht für seine Prüfungen, erzählt der 22-Jährige: „Ich hab‘ einfach im Unterricht mitgemacht und mir dadurch alles gemerkt.“
„Das war schon ein cooles Gefühl, gerade weil ich vorher immer so schlechte Leistungen hatte.“
Die Abschlussprüfungen zum Elektroniker für Automatisierungstechnik absolvierte Joel mit Bravour – mit „sehr gut“. Als ihm von der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK) seine Urkunde verliehen wurde, wurde ihm mitgeteilt, dass er wenige Wochen später erneut eingeladen werden würde – zur Ehrung des landesbesten Azubis. Joel wurde ausgezeichnet als der „beste Elektroniker für Automatisierungstechnik des Ausbildungsjahrgangs 2023/2024 im Land Nordrhein-Westfalen“, wie es auf der Urkunde heißt. Die Ehrenurkunde erhalte er für seine „herausragende Leistung“. Neben der Urkunde gab es für Joel einen kleinen Pokal („Wir setzen den Besten das Krönchen auf!“).
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Wenn Joel an die Ehrungsfeier zurückdenkt, sagt er: „Das war schon ein cooles Gefühl, gerade weil ich vorher immer so schlechte Leistungen hatte.“
„Der Ehrgeiz hat mich gepackt.“
Und was kommt jetzt? Sein Ausbildungsbetrieb ist ebenfalls stolz auf Joel, hat ihm eine Prämie gezahlt, berichtet er. Zudem habe er einen unbefristeten Vertrag erhalten. Und noch vor Ende der Ausbildung hat Joel im Februar parallel eine Weiterbildung zum Techniker gestartet, besucht dafür zweimal pro Woche nach Feierabend bis 21 Uhr sowie an jedem zweiten Wochenende eine Abendschule in Hagen. In rund drei Jahren will Joel damit fertig sein. Und was kommt danach? „Keine Ahnung, vielleicht ein Studium. Das weiß ich noch nicht. Aber der Ehrgeiz hat mich gepackt.“