Menden. In Menden öffnet eine neue Praxis mit zwei Ärztinnen die Türen und stellt sich sehr digital auf. Termine können online gemacht werden.

Die ersten Menschen schleichen schon ums Gebäude, werfen einen Blick durch die Tür oder fotografieren sich das neue Schild neben dem Eingang hastig ab: In Mendens Mitte entsteht derzeit eine neue Hausarztpraxis. Zwei Ärztinnen werden ab November dort praktizieren – eine von ihnen ist in Menden keine Unbekannte.

„Ich finde es schön, dass wir hier immer im Austausch miteinander sind.“

Dr. med. Wiebke Kowall, Fachärztin für Allgemeinmedizin

„Die Patienten sind ein bisschen nervös“, beschreibt Dr. med. Andreas Engelhardt die momentane Situation. Nachdem Internistin Olga Thiessen bei den Katholischen Kliniken im Märkischen Kreis gekündigt und die Hausarztpraxis St. Vincenz in der Kolpingstraße zum ersten Oktober daraufhin geschlossen hat, sind viele Menschen auf der Suche nach einer Alternative. Da kommt die Eröffnung der neuen Hausarztpraxis an der Unnaer Straße 19 offenbar gerade recht. Das Telefon klingelt bereits und auch die ersten Online-Terminbuchungen trudeln schon vor dem Start ein. Es ist die vierte Praxis des Hausärzte-Praxisnetzwerks um den gebürtigen Mendener Dr. med. Andreas Engelhardt, der gemeinsam mit seinen Kollegen eine Praxis in Hennen betreibt und daran angeschlossen mehrere Praxen in Menden (Platte Heide und Lahrfeld) aufgebaut hat in den vergangenen Jahren. Zum 4. November soll nun die vierte Praxis im Herzen Mendens eröffnen. Und mit an Bord ist auch Olga Thiessen, die bereits von ehemaligen Patienten mehrfach verzweifelt auch privat kontaktiert wurde, sagt sie.

Die neuen Sprechzimmer sind hell gestaltet.
Die neuen Sprechzimmer sind hell gestaltet. © WP | Jennifer Wirth

Dr. med. Wiebke Kowall übernimmt die ärztliche Leitung

Dr. med. Wiebke Kowall, Fachärztin für Allgemeinmedizin, übernimmt die ärztliche Leitung der Praxis. Die Mutter von zwei kleinen Kindern kommt aus Unna und arbeitet bereits seit mehr als drei Jahren im Praxisverbund. Die 37-Jährige freut sich auf die neue Aufgabe und forscht parallel auch an der Uni Witten-Herdecke. „Ich finde es schön, dass wir hier immer im Austausch miteinander sind“, sagt sie. Jeder Kollege, jede Kollegin habe eine besondere Fähigkeit und das mache den Austausch sehr wertvoll. „Ich weiß immer: Ich kann fragen und bekomme auch wirklich eine Antwort.“ Aber auch die Tatsache, dass sie viel praktizieren und wenig Papierkram erledigen müsse, reize sie an dem Netzwerk. „Ich war freudig überrascht“, erinnert sie sich an den Moment, als die Chefs ihr angeboten haben, die Praxis zu leiten. „Ich freue mich total darauf, auf die neue Rolle und darauf ein Team zu leiten.“ Ihr Mann werde im Job Stunden reduzieren, damit sie sich auf diese neue Herausforderung konzentrieren kann. Und für die Kleinen ist Mama sowieso schon immer die Chefin im Haus gewesen. „Da ändert sich nicht viel“, sagt Kowall grinsend.

Dr. med. Wiebke Kowall, Fachärztin für Allgemeinmedizin (links im Bild), leitet die Praxis. Olga Thiessen, Fachärztin für Innere Medizin und Diabetologie DDG, verstärkt die Praxis.
Dr. med. Wiebke Kowall, Fachärztin für Allgemeinmedizin (links im Bild), leitet die Praxis. Olga Thiessen, Fachärztin für Innere Medizin und Diabetologie DDG, verstärkt die Praxis. © WP | Jennifer Wirth

Olga Thiessen, Fachärztin für Innere Medizin und Diabetologie DDG, verstärkt die Praxis. Die 51-Jährige ist in Menden bereits bekannt und möchte ihr Wissen einbringen. Sie hat drei Kinder und lebt in Hemer. „Man gewinnt die Patienten lieb“, sagt sie. Olga Thiessen „flitze“ gerne durch die Räume und konzentriere sich immer voll und ganz auf die Patienten. Ihr Ziel in der neuen Praxis: „mehr Gelassenheit bekommen“. Bis die neue Praxis eröffnet, unterstützt sie die Praxis im Lahrfeld.

An der Unnaer Straße in Menden entsteht eine neue Hausarztpraxis.
An der Unnaer Straße in Menden entsteht eine neue Hausarztpraxis. © WP | Jennifer Wirth

Beide Frauen arbeiten jeweils mit rund 80 Prozent in der neuen Praxis und teilen sich fortan vier Behandlungsräume, ein Labor, einen Ultraschallraum sowie den großzügigen Empfang und das Wartezimmer. Mehr als 250 Quadratmeter umfasst die Praxis, in dem vorher die Commerzbank untergebracht war. „Ich habe das Gebäude mit zwei alten Schulfreunden gekauft“, sagt Andreas Engelhardt. Er vermietet es an die Praxis und garantiert damit, „dass wir für immer bleiben können“. Denn die Suche nach einem geeigneten Standort im Zentrum sei nicht einfach und letztlich nur über entsprechende Kontakte realisierbar gewesen. Umso mehr freut er sich, dass es bald losgeht. Rund 200.000 Euro steckt das Netzwerk in den Umbau der Praxis, die auf dem neusten Stand der Technik sein soll. „Für die Eröffnung einer Praxis muss man rund 300.000 Euro vorfinanzieren“, sagt er.

Hoher Grad an Digitalisierung, um Abläufe zu verbessern

Besonderen Wert legen die Beteiligten auch in dieser Praxis wieder auf die Digitalisierung. „Die Organisation ist, soweit möglich und sinnvoll, digitalisiert.“ Davon würden sowohl Patientinnen als auch Mitarbeiter profitieren. So gibt es für alle Praxen WhatsApp-Kanäle, die abonniert werden können und auf denen wichtige Informationen geteilt werden. Termine können – und sollen nach Möglichkeit auch – über die App Doctolib online gebucht werden, um die Telefonleitungen für Notfälle und Personen freizuhalten, die darauf angewiesen sind. Außerdem erklären die Mediziner, dass sie seit rund vier Monaten erfolgreich mit der App PatMed arbeiten. Rund 1000 Patienten würden diese aktuell schon nutzen. Über diese App könnten Patienten und Praxen in den Austausch treten, Befunde können sicher geteilt, Dauerrezepte per Klick bestellt werden. „Das ist eine Riesenerleichterung“, so Engelhardt.

An der Unnaer Straße 19 hängt das neue Schild bereits.
An der Unnaer Straße 19 hängt das neue Schild bereits. © WP | Jennifer Wirth

Großer Pluspunkt der App: Es kann miteinander gechattet werden. „Wir arbeiten da zum Beispiel auch mit Pflegeheimen zusammen“, sagt Wiebke Kowall. Statt bettlägerige Menschen umständlich in die Praxis zu transportieren, könnten beispielsweise Fotos von Wunden übermittelt werden und bereits vorher entschieden werden, ob ein Besuch in der Praxis nötig sei oder wie dem Betroffenen anderweitig schnell geholfen werden kann. Viele unnötige Wege würden eingespart und das, so sagt Andreas Engelhardt, spare nicht nur Zeit und Nerven auf allen Seiten. „Wir sparen dadurch auch CO2 ein.“ Schließlich habe man sich erst jüngst als „nachhaltige Praxis“ zertifizieren lassen.

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Im fertiggestellten Obergeschoss befindet sich die neue Kommunikationszentrale. Von hier aus werden zukünftig zwei Mitarbeiterinnen die Terminvereinbarungen aller Praxen führen. Die telefonische Erreichbarkeit und das Einstellen der richtigen Bandansagen soll sich so verbessern. Im Garten des Gebäudes entstehen gerade Parkplätze für die Mitarbeiter, während in der eigentlichen Praxis im Erdgeschoss die Arbeiten auf Hochtouren laufen. „Ich durfte mitbestimmen“, sagt Wiebke Kowall stolz. Boden und Wandfarbe „ihrer“ ersten eigenen Praxis habe sie ausgesucht.

Im Obergeschoss sind die Arbeitencshon abgeschlossen. Die neue Kommunikationszentrale steht bereits.
Im Obergeschoss sind die Arbeitencshon abgeschlossen. Die neue Kommunikationszentrale steht bereits. © WP | Jennifer Wirth

Netzwerk wächst weiter: Nächste Praxis bereits in Planung

Doch mit der Praxis im Zentrum ist das Wachstum des Nerzwerks noch nicht abgeschlossen: Im Frühjahr 2026 ist wie berichtet eine weitere Praxis in Lendringsen in den Räumlichkeiten der heutigen Sparkasse geplant. Zur Erinnerung: Der Lendringser Hausarzt Dr. Mohammed Alakmeh ist vor wenigen Wochen in den Ruhestand gegangen und hatte damit seine Praxis nach fast 30 Jahren am Bieberberg geschlossen.

„Wir haben in Menden eine Unterversorgung.“

Dr. med. Andreas Engelhardt, Mediziner

Das Netzwerk wächst und wächst. Auch immer mehr Fachpersonal würde sich aktiv beim Netzwerk melden und Interesse bekunden – so wie Olga Thiessen. Und das sei laut Andreas Engelhardt auch wichtig und richtig. „Wir haben in Menden eine Unterversorgung“, sagt er. Und es sei zu befürchten, dass sich diese in den kommenden Jahren noch drastisch verstärken werde, da weitere Hausarztkollegen in den Ruhestand gehen würden. Er und seine Kollegen bilden deshalb auch junge Ärztinnen und Ärzte – wie auch Wiebke Kowall – fort, in der Hoffnung, dass diese anschließend im Netzwerk arbeiten möchten. Der Vorteil der vernetzten Praxen sei, dass sich die Kollegen untereinander vertreten und auch miteinander austauschen können. „Wir sind davon überzeugt. Wir lernen voneinander und es macht den Job spannender“, sagt Andreas Engelhardt. Dadurch, dass die Bürokratie gebündelt gestemmt werde und neuerdings auch die Telefonzentrale sich um alle telefonischen Terminabsprachen kümmere, bleibe den Ärztinnen und Ärztin sowie den Medizinischen Fachangestellten laut Andreas Engelhardt schlicht mehr Zeit das zu tun, weshalb sie den Job lieben: die Arbeit am und mit Menschen.

Die Registrierung zur Aufnahme als Patienten in der neuen Hausarztpraxis ist bereits online möglich. Unterlagen können schon im Oktober mit Termin eingereicht werden. Weitere Informationen und Termine: www.hausarzt-menden.de.