Menden. Nach fast 40 Jahren verabschiedet sich ein Mendener Facharzt in den Ruhestand. Er erzählt, was mit seiner Praxis in der Hochstraße passiert.
Dr. med. Alfred Nückel lächelt. Auf die Frage, wie ihm sein erster Tag in „Freiheit“ gefalle, antwortet er mit einem Lachen. Gesetzt habe sich der Gedanke noch nicht, dass er nun - mit 73 Jahren - wirklich im Ruhestand ist. „Es fühlt sich gerade noch wie Urlaub an“, sagt er grinsend und gesteht: „So richtig angefreundet habe ich mich damit noch nicht.“ Nach 39 Jahren gibt der Mendener seine Augenarztpraxis in der Hochstraße ab - und hat sogar einen jungen Nachfolger gefunden.
Immer wieder Neues ausprobiert - auch Botox-Spritzen
200 Quadratmeter voller Erinnerungen: Egal wohin Alfred Nückel blickt, alles hat eine Geschichte. Die Praxis ist nicht über alle Maßen modern, aber gemütlich und charaktervoll eingerichtet. Viele seiner Patientinnen und Patienten habe er ein Leben lang begleitet, erzählt der Mendener. „Das macht mich stolz.“ Und mehr noch: Einige Frauen, die von klein auf von ihm behandelt wurden, würden mittlerweile sogar mit dem eigenen Nachwuchs vorbeikommen. Das geht ans Herz. „Das hat mir viel gegeben.“
Doch natürlich sei nicht immer alles rosig gewesen. Mit den Jahren habe die Bürokratie stark zugenommen und auch die Finanzierung sei immer schwieriger geworden. Der Aufwand für einen Kassenpatienten sei mittlerweile mit der Pauschale der gesetzlichen Krankenkassen nicht mehr abdeckbar. Ohne Querfinanzierung durch Privatpatienten sei die Behandlung heutzutage nicht mehr möglich. „Es gab Zeiten in den 90ern, da hing alles am seidenen Faden“, sagt Alfred Nückel und blickt sich um. Aufgeben sei aber keine Option gewesen. „Ich habe dann alle Register gezogen.“ So hat er in 39 Jahren außer der klassischen Augenheilkunde auch immer wieder Neues probiert - unter anderem Akupunktur oder das Spritzen von Botox in die sogenannte Zornesfalte, als das gerade im Trend lag. Bei dieser Erinnerung lacht Alfred Nückel. „Das hat sich irgendwann im Sande verlaufen. Ich glaube, die Patienten haben einfach gemerkt, dass ich da nicht zu 100 Prozent hinter stand.“
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Ehefrau und Kinder überreden Mediziner zum Ruhestand
Augenarzt zu sein und Menschen zu helfen, das habe ihn immer angetrieben. „Es ist so schön, mit Menschen umzugehen. Die Meisten sind so dankbar über eine gute medizinische Versorgung“, sagt der 73-Jährige, der sich in seiner Praxis auf den sogenannten Grauen Star spezialisiert hatte. „Ich habe es in den 39 Jahren geschafft, dass keiner meiner Patienten daran erblindet ist“, sagt er stolz. Die Augenheilkunde sei für ihn das schönste Fach und das Auge ein „wunderschönes Organ“. Ein Professor habe die Liebe für die Augenheilkunde während des Medizinstudiums bei ihm entfacht. „Die Arbeit ist mir in Fleisch und Blut übergegangen. Es ist nicht so einfach, so etwas aufzugeben“, sagt Alfred Nückel.
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Dennoch: Nach 39 Jahren ist Schluss. Verantwortlich dafür sind vor allem Alfred Nückels Ehefrau und seine Kinder. Sie konnten den Mediziner überreden, sein „Baby“ abzugeben und sich jetzt auf seine Familie und Hobbys zu konzentrieren. Langweilig soll der Ruhestand nicht werden. „Ich habe viele Hobbys“, sagt Alfred Nückel. So spiele er beispielsweise in einer Band. „Und zuhause haben wir Isländer.“ Um die Pferde habe sich bisher hauptsächlich seine Frau gekümmert. Fortan habe er den täglichen Stalldienst. „Wir machen auch unser Heu selbst“, sagt Nückel.
Suche nach einem Nachfolger für die Praxis nicht einfach - aber gelungen
Aufgaben gibt es also auch in Ruhestand genug. Doch zuerst wollte Alfred Nückel seine Praxis in guten Händen wissen. „Einen Nachfolger zu finden, der das alles in meinem Sinne weiterführt, ist nicht einfach.“ In seinem Sinne heißt, dass die Praxis eine klassische Einzelpraxis ist und bleiben soll. Es gebe immer mehr Medizinische Versorgungszentren, kurz MVZ. Diese Bündelung hat Vor- und Nachteile. „Dort wechseln die Ärzte durch. Aber ich mag es persönlicher.“ Er präferiert, das Wissen über einen Patienten gebündelt bei einer Person zu halten. Sein Anspruch sei immer gewesen, dass seine Patienten so behandelt werden, wie er auch gerne behandelt werde. So solle seine Praxis auch weitergeführt werden.
Und letztlich ist es Nückel gelungen: Er hat einen jungen Nachfolger gefunden, der ab sofort die Praxis nahtlos und ohne Übergangsphase weiterführt. Augenarzt Dr. med. Mohamed Sabha ist 38 Jahre alt und verwirklicht sich seinen Traum von der ersten eigenen Praxis. Beide Mediziner sind froh darüber und freuen sich auf das, was kommt. Da grinst Alfred Nückel plötzlich und blickt zu Dr. med. Mohamed Sabha. „Und vielleicht kann ich ja nebenbei nochmal zwischendurch eine Vertretung in der Praxis übernehmen oder so.“
Bericht über Dr. med. Mohamed Sabha folgt.