Lahrfeld. Mutasem Hajjar ist der neue Hausarzt in Lahrfeld. Der gebürtige Syrer weist einen beeindruckenden Lebenslauf auf und freut sich auf den Start.

Staub wirbelt durch die Luft, die Maschinen der Arbeiter brummen um die Wette: Im Lahrfeld 18 tut sich aktuell einiges. Denn dort, wo gerade noch fleißig gewerkelt wird, sollen am kommenden Dienstag, 8. März, die ersten Patienten empfangen werden. In Mendens neuer Hausarztpraxis.

Auf rund 200 Quadratmeter verteilt wird es vier lichtdurchflutete Sprechzimmer, einen Ultraschall-Raum, ein Labor, einen großen Empfang sowie einen Wartebereich geben. Die Wände sind weiß, die großen Fenster der Sprechzimmer ermöglichen den Blick in den Garten. Alles so modern wie möglich. Das ist Mutasem Hajjar und seinem Kollegen Dr. Andreas Engelhardt wichtig. Engelhardt betreibt eine große Gemeinschaftspraxis in Iserlohn-Hennen – dort arbeitet auch Mutasem Hajjar seit zwei Jahren. Nun eröffnen Andreas Engelhardt und seine Kollegen eine Praxis-Zweigstelle in Menden (wir berichteten), um der medizinischen Unterversorgung in der Hönnestadt den Kampf anzusagen.

Termine online über Webseite buchen: Telefone sollen nicht heiß laufen

Die Arbeiten in der neuen Praxis laufen auf Hochtouren, der Zeitplan ist eng. Irgendwie soll alles bis Dienstag fertig werden. „Am Montag kommen die Möbel und die Technik. Die Computer und Server sind schon vorbereitet“, sagt Andreas Engelhardt. „Effiziente Strukturen im Hintergrund sind überlebenswichtig. Es wird auch eine digitale Anbindung an das Iserlohner Labor geben.“ Alles werde digitalisiert. „Sonst hätten wir keine Zeit für die Patienten.“ Man profitiere von den Erfahrungen der gut laufenden Praxis in Iserlohn. Mehr noch: Alles Bürokratische wird zukünftig in Iserlohn gesteuert. Durch die Bündelung bleibe mehr Zeit für das Wesentliche: Die Arbeit als Mediziner am Patienten.

Und davon hat die Praxis schon vor dem Start einige: „Wir haben schon etwa 100 Termine“, sagt Engelhardt. Gebucht wird online über die Webseite, damit die Telefone nicht heiß laufen. Ein Pilotprojekt, dass bei Gelingen auch in Iserlohn zum Einsatz kommen soll. „Es ist Wahnsinn. In Hennen haben wir mehr als 300 Anrufe pro Tag auf acht Leitungen. Das ist ein großes Problem. Eine Kollegin ist den ganzen Tag nur am Telefonieren.“

Mutasem Hajjar besticht durch Ehrgeiz und Biss

Praktizieren wird in Menden der gebürtige Syrer Mutasem Hajjar. Der 38-Jährige freut sich auf die neue Aufgabe als niedergelassener Hausarzt und weiß außer mit seinem freundlichen Wesen und einer bewegenden Geschichte auch mit seinem medizinischen Werdegang zu beeindrucken. Mutasem Hajjar ist Facharzt für Innere Medizin und möchte in diesem Jahr auch den Facharzt für Allgemeinmedizin abschließen. Seinen Doktor der Medizin hat er 2010 in Damaskus gemacht.

Hajjar selbst, der aufgrund des Krieges schweren Herzens aus seiner Heimat flüchten musste, gibt sich bescheiden. „Medizinische Arbeit ist Teamarbeit. Ich gebe mir viel Mühe und mache viele Zertifikate. Als Allgemeinmediziner muss ich alles von meinem Patienten verstehen. Das ist ganz anders als im Krankenhaus, wo mir die Zeit dazu fehlt“, sagt er. Es gehe um die Person an sich, aber auch um die Familie, das soziale Umfeld und die Lebensbedingungen. Dieses Wissen helfe dabei, die richtigen Diagnosen und Behandlungswege zu finden. „Vertrauen ist sehr wichtig.“ Der Werdegang seines Kollegen sei beeindruckend, sagt Andreas Engelhardt. In Westfalen-Lippe liege das Durchschnittsalter für den Beginn einer Niederlassung bei 42. „Das ist ein bisschen älter als ich“, sagt Mutasem Hajjar grinsend.

Bombe trifft eigene Wohnung: Flucht als einziges Mittel

Während des Krieges in Syrien arbeitet Mutasem Hajjar in einem Krankenhaus in Damaskus. „Ohne Angst“, wie er sagt. Er wollte einfach helfen, trotz der großen Gefahr. Doch als eine Bombe seine Wohnung trifft, zieht er für sich und seine Familie die Reißleine und macht sich auf die Suche nach einem neuen, sicheren Zuhause. Dabei hilft ihm Andreas Engelhardt. Die beiden Männer kennen sich durch die gemeinsame Arbeit 2008 in Amerika. Beide bilden sich stetig weiter – auch im Ausland. Engelhardt hilft dem syrischen Mediziner, die für ihn ungewohnte Bürokratie zu bewältigen und anzukommen. Schnell merkt Mutasem Hajjar, dass er mit Englisch im Sauerland aufgeschmissen ist. „Ich habe in sechs Monaten Deutsch gelernt. Ich habe mir sehr viel Mühe gegeben und viel gelernt.“ Er macht die nötigen Fortbildungen und Zertifikate – unter anderem in Unna, Meschede und Stuttgart. Und findet ein tolles Zuhause in Schwerte für sich und seine Frau und Kinder. „Meine Familie ist stolz auf mich. Meine Kinder können besser Deutsch als ich“, sagt er lachend – und ohne auffallenden Akzent.

Für seine neuen Mendener Patienten möchte er sich extra viel Zeit nehmen. „Wir haben 20 Minuten für den Erstkontakt eingeplant, damit wir uns in Ruhe kennenlernen können. Das machen wir ganz bewusst.“ Dass Sauerländer auch manchmal „sauer“ sein können, das sei kein Problem. „Ich bin auch Sauerländer jetzt. Es gibt viele verschiedene Kulturen – wenn man offen ist, dann kann man sich überall integrieren.“ Und er ergänzt: „Egal, wo wir herkommen oder was wir machen: Wir sind alle Menschen und alle gleich.“

INFO:

Die Praxis befindet sich im Erdgeschoss (über Stufen erreichbar, aber mit Rampe versehen) in einem Gebäude Im Lahrfeld 18.

Termine können Patienten ausmachen über die Homepage hausarzt-menden.de. Öffnungszeiten: Montag, Mittwoch bis Freitag von 8 bis 13 Uhr; Montag und Donnerstag auch von 14.30 bis 17 Uhr. Dienstags ist die Praxis von 8 bis 12.30 und von 16 bis 19 Uhr geöffnet.