Menden. Die Beteiligten einer blutigen Auseinandersetzung in der Horlecke schweigen. Die „Mordkommission Nudelholz“ bringt Licht ins Dunkel.

Am vierten Verhandlungstag gegen einen 46-jährigen Mendener, der seine Frau in der Horlecke kurz vor Weihnachten 2023 angegriffen und schwer verletzt hat, bringen nun Polizeibeamte und ein psychiatrischer Gutachter sprichwörtlich Licht ins Dunkel. Zuvor hatten Opfer und die gemeinsamen Söhne ihre Aussagen verweigert.

Blutlache neben Kuchen und Kaffeemaschine

Der Prozess am Landgericht Arnsberg ist bislang vor allem durch zwei Dinge gekennzeichnet: Zum einen hüllen sich die Beteiligten selbst allesamt in Schweigen – zum anderen versucht der Verteidiger des Mendeners, das Verfahren immer wieder zu torpedieren. Zu Beginn vor rund einer Woche musste der Verhandlungstag gar aufgrund eines Formfehlers unterbrochen werden. Und auch im weiteren Verlauf zeigt sich der Verteidiger offensiv; nimmt die Polizeibeamten regelrecht ins Kreuzverhör.

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Zu den ersten am Tatort am 22. Dezember zählte eine junge Mendener Beamtin. Während Kollegen zunächst das Wohnhaus in der Horlecke sicherten, machte sich die Kommissarin ein Bild von der Lage. Eine Nachbarin sei dem Opfer demnach zur Hilfe geeilt. Die Frau, die sich von ihrem Mann trennen wollte, hatte Steinchen gegen die Fenster der Nachbarn geworfen, um auf sich aufmerksam zu machen, nachdem sie sich mit einem Sprung vom Balkon im ersten Stock in den Garten rettete (WP berichtete). „Die Nachbarin hat einen Streit mit dem Mann bestätigt“, erklärt die Beamtin am Landgericht. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch noch lange nicht klar, ob der mutmaßliche Angreifer sich noch immer in der Wohnung verschanzt oder bereits auf der Flucht war. Was sich vor Ort abgespielt haben könnte, das offenbart sich den Polizisten recht schnell. Sichtbare Blutspritzer an Balkon und Erdgeschoss deuteten zumindest darauf hin, dass das Opfer über die Balkonbrüstung gestürzt oder gefallen sein muss.

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Für den Anwalt des 46-jährigen Angeklagten bleiben allerdings zu viele Fragen offen. Seine Befragung der Beamtin nimmt anschließend mehr Raum ein als die Aussage ansich. „Es scheint ja nicht viel gewesen zu sein, was sie gesehen haben“, merkt er an. Denn weder eine Stichwunde noch die Platzwunde am Kopf der Mendenerin könne die Beamtin genauer beschreiben.

„Es scheint ja nicht viel gewesen zu sein, was sie gesehen haben.“

Verteidiger
über die Beobachtungen einer Beamtin

Ein Iserlohner Polizeibeamter, der zur Unterstützung hinzugerufen wurde, erklärt später allerdings, was sich an und in der Wohnung zugetragen hat. So hätten die Einsatzkräfte zunächst aus der Wohnung eines Nachbarn versucht, einen Blick auf den Balkon oder den möglichen Tatort zu erhaschen. Ob sich zu diesem Zeitpunkt weitere Opfer in der Wohnung in der Horlecke befanden: unklar. Kurzerhand treten Polizisten die Eingangstür ein. „Es war wichtig auszuschließen, dass sich der Tatverdächtige oder eine hilflose Person in der Wohnung befindet“, sagt der Beamte. Anhand der Blutspuren habe man sich jedoch recht schnell „zusammenreimen können“, was passiert sein könnte. Um den Ablauf genauer zu rekonstruieren, hakt Richter Petja Pagel nach. Doch das passt dem Verteidiger nicht ganz. „Sie müssen hier keine Suggestivfragen stellen“, wirft der Anwalt ein. Pagel wiegelt ab.

Fortwährende Streitigkeiten in der Wohnung

Einblicke in die Arbeit der „Mordkommission Nudelholz“ gibt dann ein weiterer Beamter aus Hagen, der an diesem Abend kurz vor Weihnachten nach Menden gerufen wurde. Als die Streifenpolizisten ihre Arbeit zunächst getan haben, rückten Kriminaltechnik und Spurensicherung an. „In der Küche waren in allen möglichen Höhen Blutspritzer.“ Am auffälligsten im sogenannten „Objektiven Tatbefund“, also einer dokumentarischen Übersicht zum Tatort: Auf dem Boden neben Kaffeemaschine und einem Kuchen prangt eine riesige, verschmierte Blutlache.

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Zu den Umständen der Tat klärt dann vor allem der psychiatrische Gutachter auf, der sich in der JVA Hamm mit dem Angeklagten beschäftigt hatte. Demnach gibt es seit Jahren Streitigkeiten zwischen dem Opfer und ihrem früheren Ehemann. Der älteste Sohn habe dabei eingegriffen, um schlimmeres zu verhindern. Oftmals, so die Schilderung, seien Beleidigungen und Angriffe von der Frau ausgegangen. Denn die habe offen über ihre Untreue gesprochen und auch darüber, bald zu ihrem neuen Liebhaber in die Türkei zu ziehen. Halb gepackte Koffer und Taschen, die die Beamten im Schlafzimmer fanden, deuteten zumindest darauf hin, dass sich die Mendenerin aus dem Staub machen wollte. Am Abend des 22. Dezember sei es abermals zum Streit gekommen in der gemeinsamen Wohnung. Erst soll die Frau ihren Ex-Mann mit einem Stift und einer Schere attackiert haben, danach stach der 46-Jährige in Notwehr mit einem Messer zu, erklärt der Gutachter. Zwar kommt dieser zu dem Schluss, dass der Mendener unter einer Anpassungsstörung leide, die vor allem auf jahrelange „chronische Streitsituationen“ mit seiner Ex-Frau zurückzuführen sei; unterm Strich aber ist der Mendener voll schuldfähig.

Für die kommenden Prozesstage fordert der Verteidiger zudem eine genauere Untersuchung eines Nudelholzes, das Beamte am Haus gefunden haben. Das zerborstene Holzstück soll neben einem Messer bei der Auseinandersetzung kurz vor Weihnachten ebenfalls eingesetzt worden sein.