Attendorn. Nach dem tödlichen Unfall auf der Hansastraße (L 697) in Attendorn werden Forderungen nach einem Lkw-Verbot laut. Doch ist das realistisch?
Die polizeilichen Ermittlungen zum tragischen Unfalltod einer 88-jährigen Attendornerin auf der Hansastraße sind noch nicht abgeschlossen. Auf die Frage, warum ein 58-jähriger Lkw-Fahrer am 11. Oktober die alte Dame an der Ecke zum Hohlen Weg überfuhr, kann Oberstaatsanwalt Patrick Baron von Grotthuss, Pressesprecher der Siegener Behörde, daher noch keine Antwort geben. Nur so viel: „Wir ermitteln wegen fahrlässiger Tötung.“
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Die Seniorin, die in einer Wohnung im nahegelegenen Franziskanergarten lebte, überquerte an jenem Vormittag vor rund zwei Monaten mit ihrem Rollator die viel befahrene Landstraße an einer Ampelanlage unterhalb der Helios-Klinik und wurde dabei von einem Sattelzug erwischt. Kurze Zeit später erlag sie ihren schweren Verletzungen. Der Fahrer hatte zuvor an der roten Ampel gehalten und war wieder angefahren, ehe es Sekunden später zum Zusammenstoß kam – überhöhte Geschwindigkeit kann daher kaum ursächlich gewesen sein. Wie der 58-Jährige die Seniorin übersehen konnte, ist Kern der Ermittlungsarbeit.
Unabhängig von dem juristischen Aufarbeiten hat diese Tragödie erneut eine Diskussion angestoßen über die Frage, wie sicher die Hansastraße für Fußgänger ist. Sie wird stark vom überörtlichen Schwerlastverkehr genutzt, täglich passieren etliche Lkw die Landstraße, um in Richtung Plettenberg zu fahren oder den umgekehrten Weg zu nehmen. Direkt an oder zumindest im Umfeld der Hansastraße, die seit Frühjahr auf einem rund 250 Meter langen Teilstück Tempo-30-Bereich ist, liegen nicht nur das Krankenhaus, sondern auch die St.-Ursula-Schulen, das Rivius-Gymnasium, die Sonnenschule und zwei Seniorenheime. Hunderte Schülerinnen und Schüler und auch viele Senioren überqueren daher täglich die Straße.
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Doch wie kann man junge wie alte Fußgänger besser schützen? Die Stadt selbst wird sich in der sogenannten Verkehrskommission, bestehend aus Vertretern von Ordnungsamt, Polizei und Straßenbaulastträger (in dem Fall also Straßenbau NRW), dafür einsetzen, dass die gesamte Hansastraße zum Tempo-30-Bereich wird. Doch reicht das? Nein, sagt Heinrich Schulte, ehemaliger Fraktionsvorsitzender der Attendorner CDU. In einem Leserbrief an diese Redaktion schrieb der mittlerweile 93-Jährige kürzlich, dass man durch entsprechende Beschilderungen den Durchgangsverkehr auf die Nord- bzw. Südumgehung umleiten könne. Die Nordumgehung, erinnert der ehemalige CDU-Politiker aus der Hansestadt, sei seinerzeit extra gebaut worden, um den innerörtlichen Verkehr in Attendorn zu entlasten.
Landstraße für sämtliche Verkehrsarten ausgelegt
„Das würde eine erhebliche Entlastung für die Hansastraße bedeuten und viele Menschenleben retten. Für die Umgehungsstraßen wäre der zusätzliche Verkehr ohne besondere Probleme zu bewältigen. Besonders die Nordumgehung wird bisher wenig genutzt. Eine damit verbundene Verlängerung der Wegezeit für die Lkw wäre hinnehmbar, wenn dadurch Menschenleben verschont bzw. gerettet würden“, schrieb der ehemalige Lokalpolitiker. Eine Geschwindigkeitsreduzierung würde nicht ausreichen, ganz im Gegenteil: Langsamer Verkehr, so Schulte in dem Brief, würde „zu noch mehr Abgas- und Staubbelastung“ führen.
„Für mich ist dieser Fall das Negativbeispiel für einen Schnellschuss.“
Doch die Wahrscheinlichkeit, dass die Verkehrskommission die Hansastraße zur Lkw-freien Zone macht, ist gering. Denn grundsätzlich hat eine Landstraße die Aufgabe, sämtliche Verkehrsarten aufzunehmen, also auch die schweren Lkw. „Natürlich löst ein solch tragischer Unfall Begehrlichkeiten aus“, weiß Andreas Berg, Sprecher des Straßenbaulastträgers Straßenbau NRW, „doch um eine Landstraße vom Schwerlastverkehr zu befreien, muss man hohe Hürden nehmen.“ Dafür müsste die Straße zu einem Unfallschwerpunkt heraufgestuft werden, was grundsätzlich nur dann passiert, wenn es in einem bestimmten Zeitkorridor (in der Regel ein Jahres) zu drei Unfällen gleichen oder zumindest ähnlichen Typs kommt.
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Wie schwer ein grundsätzliches Verbot für eine spezielle Verkehrsart sei, zeige ein Fall im Märkischen Kreis, erklärt Berg im Gespräch mit dieser Redaktion: Dort wurde eine Landstraße im Ebbegebirge für Motorradfahrer komplett dicht gemacht, allerdings hielt diese Anordnung vor Gericht nicht stand. „Für mich ist dieser Fall das Negativbeispiel für einen Schnellschuss“, warnt Berg. Schon eher machbar sei eine temporäre Sperrung wie beispielsweise für Motorradfahrer auf dem Lenscheid, auf dem es in der Vergangenheit viele, teils tödliche Unfälle gab. Seit Jahren gilt hier zwischen April und Oktober an Wochenende ein Streckenverbot (von Rönkhausen bergauf in Richtung Sundern) für Motorradfahrer, die Unfallzahlen sind seitdem spürbar zurückgegangen.
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Doch lässt sich eine solche Regelung auch auf den Schwerlastverkehr übertragen? Unwahrscheinlich, weiß Berg, und nennt den zentralen Unterschied: Während der Motorradverkehr in der Regel für Freizeitzwecke genutzt werde, hänge am Schwerlastverkehr die gesamte Industrie. Fakt ist, dass sich auch der Attendorner Stadtrat mit diesem Thema nochmal befassen wird, jedoch erst im kommenden Jahr: Denn der Stadtrat wird am Mittwoch eine Eingabe „Sperrung der Hansastraße für den Durchgangsverkehr von Schwerlastwagen“ zunächst in den zuständigen Ausschuss verschieben.