Finnentrop. Nach dem Rekord-Jahr 2023 schauen Bürgermeister und Kämmerer ungläubig auf die Gewerbesteuer-Entwicklung. Was auf die Bürger nun zukommt.

Wie nah Freud‘ und Leid beieinanderliegen können, lässt sich in Finnentrop an einer Zahl ablesen: der Gewerbesteuer. In den Jahren 2021 bis 2023 schoss die wichtigste Einnahmequelle der Gemeinde nahezu durch die Decke, ein Rekord-Jahr löste das nächste ab: 2021 flossen rund 14,3 Millionen Euro in die Gemeindekasse, im Jahr danach waren es 16,1 Millionen Euro und im vergangenen Jahr durchbrach die Gewerbesteuer die 20-Millionen-Marke. Und in diesem Jahr? 10 Millionen Euro, also die Hälfte, wenn die Prognose von Kämmerer Josef Baußmann zutrifft. „Letztes Jahr noch das finanziell erfolgreichste Jahr in der Geschichte der Gemeinde Finnentrop – und jetzt das. Die Hälfte innerhalb eines Jahres, das gab es noch nie“, schaut Bürgermeister Achim Henkel (CDU) in seinem Haushaltsplanentwurf für 2025 ein wenig ungläubig auf die Finanzen.

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Woran liegt das? Den einen Grund kennt Kämmerer Josef Baußmann nicht. Sicherlich haben die holzverarbeitenden Betriebe eine „kleine Sonderkonjunktur“ hinter sich, weil sie durch Sturmschäden und Borkenkäferbefall eine Menge zu tun hatten – nun gehen „diese Betriebe wieder in normale Verhältnisse über“, vermutet der Kämmerer. Zudem spürt auch die Finnentroper Gemeindekasse die wirtschaftliche Lage vieler Unternehmen, nicht nur, aber auch aus der Automobilbranche, für die bekanntlich auch in Finnentrop Zulieferer produzieren. Doch anders als beispielsweise Attendorn ist Finnentrop eben nicht abhängig von wenigen, dafür starken Steuerzahlern aus ein bis zwei Branchen – in der Nachbarkommune sind es bekanntlich die Automobil- und die Sanitärbranche. Baußmann: „Wir haben eine diversifizierte Steuerzahler-Situation in Finnentrop, sind also in vielen Branchen vertreten und haben keine Abhängigkeit von wenigen großen Steuerzahlern. Das ist im Grunde gut so, aber genau deshalb können wir uns diesen starken Einbruch nicht final erklären.“

Wenn man dann noch eine zweite wesentliche Zahl hinzunimmt, nämlich die Jugendamts- und Kreisumlage, die in diesem Jahr mit gut 19 Millionen Euro für die Gemeinde zu Buche schlägt, kommt folgende Erkenntnis von Bürgermeister Henkel wenig überraschend: „Wir werden dieses Jahr vermutlich mit einem Rekord-Defizit in Höhe von rund 8,5 Millionen Euro abschließen.“ Diese Rechnung hat zur Folge, dass die zum 1. Januar dieses Jahres mit knapp 14,5 Millionen Euro noch gut gefüllte Ausgleichsrücklage bis Ende kommenden Jahres auf „nur“ noch rund 6 Millionen Euro schmelzen wird. Sie wuchs zuletzt deshalb an, weil die Gemeinde das Jahr 2023 mit einem satten Überschuss in Höhe von rund 2,6 Millionen Euro abschließen konnte. Doch diese Zeiten sind vorerst vorbei. Baußmann geht heute auch davon aus, dass Ende kommenden Jahres die Ausgleichsrücklage komplett aufgebraucht sein wird.

„Wir haben eine diversifizierte Steuerzahler-Situation in Finnentrop, sind also in vielen Branchen vertreten und haben keine Abhängigkeit von wenigen großen Steuerzahlern.“

Josef Baußmann
Kämmerer

Um diese Lage weiß natürlich auch der Bürgermeister, der in seiner Rede nur kurz auf das Kernproblem nahezu aller Kommunen in NRW einging: „Es werden immer wieder neue Aufgaben und Regelungen von Bund und Land geschaffen, deren Umsetzung, einschließlich der Finanzierung, bei den Kommunen verbleibt.“ Vor allem die Kostenexplosion im Bereich der sozialen Leistungen schlägt ins Kontor. Der Kreis Olpe schraubt daher Jahr für Jahr, zum Ärger der Kommunen, an der Umlagen-Schraube: So wird die Kreisumlage für alle sieben Kommunen und Städte in 2025 auf insgesamt knapp 180 Millionen Euro anwachsen. Doch auch hier gibt es in Finnentrop eine Besonderheit: Eben aufgrund ihrer verringerten Steuerkraft wird die Gemeinde 2025 sogar weniger Umlage nach Olpe überweisen als in diesem Jahr, nämlich statt rund 19 Millionen „nur“ knapp 18 Millionen Euro. An den düsteren finanziellen Rahmenbedingungen für die nächsten Jahres ändert diese Entlastung jedoch wenig.

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Um die Kluft zwischen Einnahmen und Ausgaben nicht noch weiter auseinanderdriften zu lassen, soll die Gewerbesteuer um rund 8,6 Prozent erhöht werden. Und auch bei der Grundsteuer müssen die Bürger etwas tiefer in die Tasche greifen – die Hebesätze hierbei sollen bei rund 4,6 Prozent über dem Niveau der aufkommensneutralen Hebesätze liegen. Wichtig in diesem Zusammenhang: Auch die Gemeinde Finnentrop wird von der Möglichkeit differenzierter Hebesätze für die Grundsteuer B Gebrauch machen. „Diese Hebesätze sollen in Summe dazu führen, dass im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung, also in den nächsten vier Jahren, eine gerade noch auskömmliche Finanzausstattung sichergestellt wird“, betont der Bürgermeister.

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Trotz der schwierigen Finanzlage wird die Gemeinde im kommenden Jahr rund 9,3 Millionen Euro investieren. Zu den „dicksten Brocken“ (O-Ton Henkel) gehören die Planungs- und Modernisierungskosten für das Erlebnisbad „Finto“ in Höhe von rund 1,9 Millionen Euro (wir berichteten) sowie in gleicher Höhe die Kosten für den Ausbau der Industriestraße im Gewerbegebiet Frielentrop. Geld nimmt die Gemeinde aber auch für ihre Feuerwehr und ihre Schulen in die Hand. Nur ein Beispiel: Allein die Anschaffung neuer iPads für die Gesamtschule, die bekanntlich die gymnasiale Oberstufe zum Schuljahr 2026/27 einführen will, kostet rund 170.000 Euro. Henkel: „Wurden solche Geräte in der Vergangenheit durch verschiedenste Programme gefördert, tun sich alle Beteiligten, egal ob Bund oder Land, zurzeit schwer, eine Nachfolgefinanzierung sicherzustellen. Insofern haben wir entschieden, auf unsere Kosten den erforderlichen Austausch der Geräte voranzutreiben. Die werden nun also nächstes Jahr gekauft – unabhängig, ob wir noch eine Förderung bekommen oder nicht.“