Kreis Olpe. Jahrelang aufgebrauchte Rücklagen könnten bald aufgebracht sein. Deswegen fordern die Kommunen im Kreis Olpe Unterstützung von Bund und Land.

Immense finanzielle Belastungen rauben den Kommunen die Luft zum Atmen, jahrelang aufgebaute Rücklagen könnten schon bald aufgebraucht sein. Vor allem die jährlich ansteigende Kreisumlage macht den Städten und Gemeinden zu schaffen, hinzu kommen Personalkosten, hohe Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst, Inflation und vieles mehr. Die Kommunen auch im Kreis Olpe brauchen dringender denn je die Unterstützung von Bund und Land.

Was ist eigentlich die Ausgleichsrücklage?

Der Begriff „Ausgleichsrücklage“ irritiert zumindest Nichtfachleute. Denn hinter einer Rücklage versteht man eigentlich Geld, das man für einen bestimmten Zweck zurückgelegt hat. Die Ausgleichsrücklage im Neuen Kommunalen Finanzmanagement (NKF) jedoch ist kein Sparstrumpf, auf den man zurückgreifen kann, um den Haushalt auszugleichen, sondern ein Wert, der ermittelt wird. Als „besonderer Posten des Eigenkapitals“ darf laut Gemeindeordnung „eine Ausgleichsrücklage bis zu einem Drittel des Eigenkapitals der Eröffnungsbilanz, höchstens jedoch bis zu einem Drittel der Höhe der durchschnittlichen jährlichen Steuereinnahmen und allgemeinen Zuweisungen der drei dem Eröffnungsbilanzstichtag vorangehenden Haushaltsjahre angesetzt werden“. Es ist also kein echtes Geld, auf das man zurückgreifen kann, sondern ein Konstrukt.

Selbst die „reiche“ Hansestadt, die 90 Millionen Euro in der sog. Ausgleichsrücklage liegen hat, könnte in eine finanzielle Schieflage geraten und die Rücklage innerhalb von drei Jahren aufgebraucht sein. Ein Schreckensszenario, weiß Kämmerer Klaus Hesener. In Attendorn sei die Gewerbesteuer zwar „noch relativ stabil“, doch entgeht ihm nicht, dass die Wirtschaft krankt. Jüngstes Beispiel ist der Automobilzulieferer Mubea, der bis Ende 2025 in Attendorn um die 150 Stellen streicht, weil eine Branche durch ein Tal geht. Solche Entwicklungen nehmen Einfluss auf die Gewerbesteuer. In diesem Jahr rechnet der Kämmerer hier mit Einnahmen in Höhe von rund 39 Millionen Euro. Und nächstes Jahr? Er weiß es nicht. Hinzu kommen erhebliche Investitionsbedarfe, vor allem in die Schulen, in den Brandschutz oder in das geplante Industriegebietes Fernholte. Im Jahr 2025 wird die Stadt wohl erstmals mehr als 50 Millionen Euro Kreisumlage bezahlen müssen. In diesem Jahr sind es 44,5 Millionen Euro. Hesener geht davon aus, dass die Stadt das nächste Jahr mit einem Minus in Höhe von rund 20 Millionen Euro plus X abschließen wird. „Wir sind hoch geflogen, doch jetzt müssen wir den Sinkflug ansetzen, um eine Bruchlandung zu verhindern.“

Gewerbesteuer halbiert

Sehr gute Jahre hat auch die Gemeinde Finnentrop hinter sich. Das vergangene Jahr schloss sie mit einem Überschuss in Höhe von rund 2,6 Millionen Euro ab. In diesem Jahr sehen die Zahlen komplett anders aus. Kämmerer Josef Baußmann geht derzeit von einem Jahresdefizit von rund 7 Millionen Euro aus, Tendenz in den kommenden Jahren steigend. Die aktuell mit rund 14,5 Millionen Euro gefüllte Ausgleichsrücklage wird wohl schon übernächstes Jahr aufgebraucht sein. Zudem krachte die Gewerbesteuer regelrecht ein. Im vergangenen Jahr kassierte die Gemeinde noch mehr als 20 Millionen Euro, in diesem Jahr werden es vermutlich unter 10 Millionen sein. Gleichzeitig muss sie 19,6 Millionen Euro für die Kreis- und Jugendamtsumlage ins Olper Kreishaus überweisen, nächstes Jahr werden es wohl mehr als 20 Millionen Euro sein.

Auch in der Gemeinde Wenden ist die Prognose wenig erfreulich. Nach Jahren des wirtschaftlichen Überschusses droht künftig ein deutliches Jahresdefizit, auch die Pro-Kopf-Verschuldung soll ansteigen. Konkrete Zahlen für das kommende Jahr kann Kämmerer Thomas Munschek noch nicht nennen, die Tendenz der letzten Jahre treibe ihm jedoch Sorgenfalten auf die Stirn. Bislang sei die Erhöhung der Kreisumlage unter anderem durch die Steuerkraft in der Gemeinde aufgefangen worden. „Es ist die Frage, wie lange das für uns als Gemeinde noch auskömmlich ist. In diesem Jahr sehen die Zahlen zwar verhältnismäßig gut aus, aber es ist vielleicht eine Frage der Zeit, bis es auch bei uns schlechter wird“, fasst der Kämmerer zusammen. Sollte die Kreisumlage weiter ansteigen und sich die Wirtschaft nicht erholen, könnten Steuererhöhungen langfristig die Folge sein.

Spirale dreht sich nach oben

„Die Spirale wird sich wohl weiter nach oben drehen“, befürchtet Kirchhundems Kämmerin Saskia Finke. Aber Genaueres werde der Kreis erst Ende Oktober oder Anfang November mitteilen, wenn sein eigener Finanzbedarf feststehe. Grundlage für die Berechnung der Kreisumlage ist die Steuermesszahl der Kommunen, die sich aus den Bilanzen des zweiten Halbjahres 2023 und des ersten Halbjahres 2024 errechnet. Im letzten Jahres musste die Gemeinde knapp 13 Millionen Euro an den Kreis überweisen. In Lennestadt konnte Kämmerer Jochen Biermann in der letzten Ratssitzung „noch“ gute Zahlen verkünden. Derzeit liege die Stadt eine Million über den erwarteten Gewerbesteuereinnahmen von 27,5 Millionen Euro. Nach dem Rekordjahr 2022 mit 34 Millionen an eingenommener Gewerbesteuer und 31 Millionen Euro im letzten Jahr hatte man die Erwartungen für 2024 schon zurückgedreht. Zusammen mit dem Überschuss aus 2023 verfügt die Stadt über eine Ausgleichrücklage von 23 Millionen Euro. Allerdings rechnet der Kämmerer mit einem Defizit von allein 6 Millionen Euro in diesem Jahr. Hält dieser Trend an, werde die Rücklage in vier Jahren vollständig aufgebraucht sein.

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In der Kreisstadt Olpe war das Thema bereits auf der kommunalpolitischen Tagesordnung: Hier gibt der Rat dem Kämmerer, bevor dieser den Haushaltsplan erstellt, Eckwerte an die Hand, um eine grobe Richtung vorzugeben. Kämmerer Thomas Bär hatte den Rat zuvor informiert: Er hatte bei unveränderten Rahmenbedingungen für 2025 einen Jahresfehlbetrag von 6,6 Millionen Euro prognostiziert. Dieser soll nun auf höchstens 4 Millionen Euro begrenzt werden. Bär rechnet mit einer Kreisumlage in Höhe von 32,1 Millionen Euro, was einer fünfprozentigen Steigerung gegenüber 2024 entspräche. Wenn das Jahresergebnis für 2024 so ausfällt wie erwartet, würde die Stadt zum 1. Januar 2025 eine Ausgleichsrücklage von 20,1 Millionen Euro zur Verfügung haben.

In einer ausführlichen Tabelle hat die Kämmerei eine Übersicht über die Einnahme- und Ausgabeposten gegeben und dabei die aufschlussreiche Spalte „Handlungsspielraum“ eingefügt. Und praktisch überall dort, wo die großen Zahlen stehen, liest man fast ausnahmslos „kein Handlungsspielraum“ oder „kurzfristig kaum Handlungsspielraum“. Nur bei einem Punkt wagt Bär mehr als eine Andeutung, wie tatsächlich gespart werden könnte: Investitionen, die „erhebliche Folgewirkungen auf die Abschreibungen, die Unterhaltungs- und Bewirtschaftungsaufwendungen sowie die Personal- und Zinsaufwendungen“ haben.

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Ein Weg, den die Stadt Drolshagen bereits eingeschlagen hat. Denn hier schlagen – wie berichtet – Bürgermeister und Kämmerer der Politik vor, das marode Stadtbad zu schließen, um den Haushalt dauerhaft zu entlasten. Bürgermeister Uli Berghof (CDU) ist auch Vorsitzender der Bürgermeisterkonferenz im Kreis Olpe und hatte zum vergangenen Kreishaushalt alle Kollegen mit in den Kreistag genommen, um gegen die steigende Kreisumlage zu protestieren – bisher vergeblich. Berghof: „Der Zug fährt weiter Richtung Abgrund. Der Kreis verweist zurecht aufs Land, das wieder auf den Bund, und der gibt das Geld aus, ohne sich um die Finanzierung zu kümmern. Die Lasten werden immer weiter nach unten durchgereicht, und am Ende sind wir Kommunen es, die Steuern erhöhen müssten, was aber keiner will.“ Auch für Drolshagen sieht er einen Zeitraum von rund drei Jahren, bis die Rücklage aufgezehrt ist.