Hagen. Hagener Rat will prüfen, ob ein differenzierter Hebesatz doch noch eine Option wäre. Aber es drohen dann Ungerechtigkeiten.

Mit der einstimmigen Entscheidung des Hagener Rates, die Grundsteuer-Thematik anhand aktueller Daten sich noch einmal vor Augen führen zu lassen und eventuell den Realitäten anzupassen, ist längst noch nicht garantiert, dass die Politik an dem einheitlichen Hebesatz von aktuell 1139 Prozentpunkten (vormals: 750) tatsächlich rüttelt. Denn die Verwaltung hat ebenso wie die Vertreter zahlreicher Ratsfraktionen deutlich gemacht, dass vor allem die eingeplante Jahreseinnahme von knapp 50 Millionen Euro durch eine womöglich nicht ganz rechtssichere Lösung keinesfalls in Gefahr gebracht und somit der Haushalt gesprengt werden dürfe.

50.000 Grundbesitzabgabenbescheide hat das Finanzdezernat der Hagener Stadtverwaltung seit Jahresbeginn auf den Weg in die Briefkästen der Bürger gebracht und somit auch im eigenen Hause eine hundertfache Flut an Anrufen und Widersprüchen ausgelöst. Dabei richtet sich der Protest vorzugsweise gegen die Höhe des kommunalen Hebesatzes, aber auch gegen die Messbeträge, die das Finanzamt festgelegt hat.

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Unterschiedliche Belastungen

Bislang lassen sich anhand der Grundsteuerbescheide 2025 einige klare Trends ablesen: Unter dem Strich werden vor allem Besitzer von Ein- und Zweifamilienhäusern deutlich höher belastet, während die Grundsteuerabgabe für Gewerbegrundstücke deutlich sinkt – in Einzelfällen um bis zu 90 Prozent. Dies entspricht auch dem Geist des Bundesverfassungsgerichts, das nicht bloß über Jahrzehnte gewachsene Steuerungerechtigkeiten beseitigen, sondern zugleich den tatsächlichen Gebäudewert sowie die dazugehörigen Grundstücke und aktuellen Bodenrichtwerte mit in die Bewertungen einbezogen sehen wollte. Günstiger, so die ersten Signale, dürfte es für die meisten Mieter werden, solange deren Objekte nicht gerade kernsaniert wurden oder auf besonders üppigen Grundstücken platziert sind.

Eher uneinheitlich gestaltet sich das Bild derweil bei Bewohnern von gemischt genutzten Objekten, also Häusern, in denen sich unten beispielsweise eine Ladennutzung findet und erst in den Obergeschossen Wohnungen angesiedelt sind. Sollte sich die Politik bis zur Ratssitzung im Mai tatsächlich für einen differenzierten Hebesatz für Wohn- und Gewerbeobjekte entscheiden, müssten die Bürger in solchen Immobilien mit einer erheblichen Grundsteuer-Mehrbelastung rechnen, obwohl diese Häuser vorzugsweise nicht in privilegierten Wohnlagen stehen.

„Uns geht es darum, alle maßgeblichen Zahlen noch einmal aufbereitet und vorgelegt zu bekommen.“

Claus Rudel
SPD-Ratsfraktionschef

Hebesatz sichert stabile Einnahme

Zum Hintergrund: Die anhand der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und den Hausbesitzerangaben ermittelten Grundsteuermessbeträge des Finanzamtes bilden die Grundlage der städtischen Finanzverwaltung für die Ermittlung des Hebesatzes, der die stabile Einnahme von 50 Millionen Euro sichert. Die Hebesatzhöhe von 1139 Prozentpunkten ist somit eine Reaktion auf die Summe aller Messbeträge (exakt 4.339.371), die vom Finanzamt an die Kämmerei übermittelt wurde. Bei den aktuell immer wieder für Gesprächsstoff sorgenden Ausreißern bei den neu festgelegten Steuersummen gilt es, so empfiehlt Kämmerer Bernd Maßmann, zunächst einmal zu überprüfen, ob der Grundsteuermessbetrag tatsächlich auf korrekten Angaben und Annahmen fußt. Die entsprechenden Bescheide sind bei den Bürgern bereits Mitte 2022 eingegangen, aber lediglich 16,4 Prozent der Steuerpflichtigen in Hagen haben dagegen Einspruch eingelegt.

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„Uns geht es darum, alle maßgeblichen Zahlen noch einmal aufbereitet und vorgelegt zu bekommen“, begründete SPD-Fraktionschef Claus Rudel die von den Genossen initiierte Sondersitzung des Rates in der vergangenen Woche. Dazu gehört, so der Auftrag der Politik, auch eine Berechnung der Hebesätze in einem differenzierten Verfahren. Nur so könne die Politik überhaupt die notwendige Transparenz erhalten, ob eine gerechtere Belastung von Wohn- und Nichtwohngrundstücken im Nachgang noch erreicht werden könne.

Land bietet Unterstützung an

Die Fraktion Bürger für Hohenlimburg/Die Partei erinnerte zur Ratssitzung zugleich daran, dass der NRW-Landtag angesichts dieser sich abzeichnenden Verzerrungen bereits im Sommer 2024 den Städten ausdrücklich an Herz gelegt habe, die veränderten Messbeträge der Finanzverwaltung nicht durch einheitlich angehobene Hebesätze abzufedern, sondern es eben die Option differenzierter Hebesätze gebe. Damit solle ausdrücklich die übermäßige Belastung von Eigentümer von Wohnimmobilien vermieden werden. Die Zweifel an der Rechtssicherheit des damaligen Hagener Kämmerers Christoph Gerbersmann (CDU) an den Empfehlungen seines Finanzminister-Parteifreundes, die durch ein Rechtsgutachten des NRW-Städtetages sogar noch unterfüttert wurden, konterte die Landesregierung prompt in Form eines weiteren Expertenrechtsgutachtens: Dieses räumte die formulierten Bedenken gegen die Einführung der Differenzierungsoption umfassend aus.

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Entsprechend haben zahlreiche Städte in NRW es Ende 2024 doch gewagt, mit differenzierten Hebesätzen zu operieren, die für Wohngebäude und deren Bewohner eine leichte Entlastung zur Folge haben. Wie diese im Detail aussehen und welche Rechtsauffassung die anwendenden Kommunen zu diesem Schritt bewegt haben, möchte die Politik sich von der Stadtverwaltung gerne noch einmal präsentieren lassen. Ebenso soll der Kämmerer die mittlerweile vorherrschenden Positionen der kommunalen Spitzenverbände für eine erneute Beschlussfassung darstellen.

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Beispiel entlastet Hausbesitzer

In einer Präsentation hat die Hagener Kämmerei bereits vorgerechnet, dass bei einer differenzierten Betrachtung der Hebesatz für Nichtwohngrundstücke von aktuell 1139 auf 1521 Prozentpunkte steigen müsste – ein Plus von 25,1 Prozent. Für Wohngrundstücke wäre wiederum eine Absenkung von 1139 auf 1014 Prozentpunkte vorstellbar, was einer Ersparnis von 12,3 Prozent entspricht, um am Ende wieder die Gesamteinnahme von 50 Millionen Euro garantieren zu können.

„Nicht nachvollziehbar ist die Aussage der Stadtverwaltung, es gebe in Hagen angesichts der hohen Leerstandsquote und der unterdurchschnittlichen Mieten keine besonderen Faktoren, die eine Abweichung vom Bundesrecht rechtfertigen würden.“

Peter Arnusch
BfHo/Die Partei-Fraktionssprecher

„Nicht nachvollziehbar ist die Aussage der Stadtverwaltung“, so BfHo/Die Partei-Sprecher Peter Arnusch, „es gebe in Hagen angesichts der hohen Leerstandsquote und der unterdurchschnittlichen Mieten keine besonderen Faktoren, die eine Abweichung vom Bundesrecht rechtfertigen würden.“

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Hierbei handele es sich vielmehr um ein Argument für differenzierende Hebesätze, da ein einheitlicher Hebesatz von 1139 in Hagen zur Erhöhung der Grundsteuern für Wohngrundstücke und so zwangsläufig zum Anstieg der Mieten führen würde, was letztlich eine noch höhere Leerstandsquote mit sich brächte: „Eine gleichermaßen aufkommensneutrale wie gerechte Berechnung der Grundsteuer B, die nicht zu höheren Mieten und damit zu einer weiteren Attraktivitätsminderung der Stadt führt, ist in Hagen nur mit differenzierten Hebesätzen zu erreichen. Einzig solch angepasste Sätze können angesichts der neuen Messbeträge dafür Sorge tragen, dass Wohngrundstücke in Zukunft nicht übermäßig stark belastet werden.“