Hohenlimburg. Von wegen unmotiviert: Für 2 Euro die Stunde reparieren Langzeitarbeitslose in Hagen Fahrräder. Sie erzählen, was sie antreibt.
„Ich bin froh, dass ich hier untergekommen bin“, sagt Christian König (58) aus Hagen: „Ich bin ja schon fast auf dem Abstellgleis.“ Und genau deshalb repariert er Fahrräder: um vom Abstellgleis herunterzukommen. Denn Christian König hat trotz langjähriger Arbeitslosigkeit die Hoffnung nicht aufgegeben, wieder einen Job zu finden.
Der gelernte Maurer, der vor allem als Baggerfahrer und Baumaschinenführer tätig war, ist einer von 14 Teilnehmern eines Projekts, das der Werkhof mit Unterstützung des Jobcenters auf die Beine gestellt hat. Die arbeitslosen Menschen setzen in einer Werkstatt in der Obernahmer alte Fahrräder instand und machen sie wieder verkehrstüchtig. „Unser Ziel ist es, die Leute zurück in den Arbeitsmarkt zu bekommen“, sagt Werkhof-Geschäftsführer Jonas Diefenbacher.
500 Fahrräder instand gesetzt
Allein im vergangenen Jahr haben die Teilnehmer von März bis Dezember 500 Fahrräder repariert, die anschließend über die Sozialkaufhäuser des Werkhofs verkauft oder aber an bedürftige Kinder abgegeben werden konnten. Diefenbacher betont, dass es sich ausschließlich um gespendete Fahrräder handelt, denn mit der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme darf der Werkhof natürlich regulären Werkstätten keine Konkurrenz machen.
Schließlich erhalten die Langzeitarbeitslosen, die in dem Projekt tätig sind, lediglich zwei Euro pro Stunde, womit sie das karge Bürgergeld, das sie beziehen, aufstocken können. In der freien Wirtschaft würde ein solcher vom Staat subventionierter Lohn einen unerlaubten Wettbewerbsvorteil bedeuten. Andererseits erlaubt er den Projektteilnehmern keine großen Sprünge: „Ich komme zurecht mit dem wenigen, das ich habe“, sagt Christian König.
Mindestens so wichtig wie das Geld ist den Arbeitslosen, dass ihr Dasein durch das Reparieren der Fahrräder wieder einen Sinn und der Tag eine Struktur bekommen hat. Trotz langer Anfahrten an den Standort in der Obernahmer - einige Teilnehmer sind eine Stunde lang mit dem Bus unterwegs - arbeiten die meisten schon über ein halbes Jahr in der Werkstatt. Der Werkhof plant, das Tätigkeitsprofil auf kleine Küchengeräte auszuweiten, die dann ebenfalls in den Sozialkaufhäusern verkauft werden könnten. „Damit wollen wir uns breiter aufstellen“, erläutert Diefenbacher.
Künftig sollen auch Elektrogeräte repariert werden
Denn auch gut erhaltene Elektrogeräte sind gefragt. Bislang konnten gespendete Geräte nur auf Funktion und Sicherheit überprüft werden, durften aber nicht instandgesetzt werden. Das soll sich nun ändern. In der Maßnahme werden gespendete Elektrogeräte künftig nicht nur einer Prüfung nach den Vorschriften der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung unterzogen, sondern - wenn möglich - repariert und für den Verkauf aufbereitet. Nicht mehr brauchbare Geräte werden zerlegt und nach Stoffgruppen sortiert recycelt.
Allerdings hat das Jobcenter die Fördermaßnahme zunächst nur um ein weiteres Jahr bewilligt. Hasan Kahraman (59) ist froh, dass er in der Fahrradwerkstatt allmählich wieder Anschluss an das Arbeitsleben findet. Nach einem Schlaganfall war er, der jahrzehntelang in drei Schichten als Werkzeugmacher tätig war, Schachmatt gesetzt: „Ich will aber nicht nichts tun.“
Neuanfang nach einem Schlaganfall
Er versuche nun herauszufinden, ob es ihm vielleicht irgendwann wieder möglich sei, acht Stunden durchzuarbeiten. Bislang bereiten ihm Konzentration und Koordination noch Probleme, doch die ersten Wochen in der Obernahmer verliefen vielversprechend, mit drei Stunden hat er angefangen, mittlerweile sind daraus sechs geworden. „Mein Plan ist es, mich im Sommer nach einer regulären Arbeitsstelle umzusehen.“
Sowohl Fahrradwerkstatt als auch Elektrorecycling haben in der Obernahmer Tradition. Schon Ende der 1990er Jahre gab es in den Räumen des Werkhofs die erste Fahrradwerkstatt, ab 2005 wurde hier im großen Stil Elektrorecycling betrieben.
Bis zur Jahrhundertflut 2021 wurden die Räume der Werkstatt auch für die Basisqualifizierung von Arbeitslosen in der Metallindustrie genutzt. „Die Recycling-Idee im Sinne von Wiedernutzbarmachung gehört zu den Kerngedanken des Werkhofs“, betont Jonas Diefenbacher: „Daran wollen wir auch im technischen Bereich anknüpfen.“
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