Haspe. Ein Jahr, nach dem Ärztefehler das Leben der 25-Jährigen beendet haben, begibt sich die Familie zum Krankenhaus.

Der Regen läuft in kleinen Bächen durch die geriffelte Oberfläche der verputzten Außenwand des Krankenhauses hinab. Dieser Januar-Tag ist trist und nass und kalt und ganz sicher das schlimmste Datum, das sich in den Kalender einer Familie, eines Freundeskreises, eines Bekanntenkreises und längst auch der Hagener Öffentlichkeit eingebrannt hat. Der 24. Januar, der vergangene Freitag, ist der Todestag von Eileen Ostholt, die auf einem OP-Tisch des evangelischen Krankenhauses Haspe ihr Leben verlor. Bei einer Blinddarm-OP.

Mahnwache für die tote Eileen Ostholt.
Jung, aufgeweckt, strahlend, hübsch und voller Lebenslust sieht Eileen auf dem Foto aus, das ihre Familie vor dem Krankenhaus aufgestellt hat, © Liam Samuel Curtis Mbella Ngom | Liam Samuel Curtis Mbella Ngom

Erst im vergangenen Dezember waren die schrecklichen Geschehnisse noch öffentlicher geworden, als private Erzählungen diesen Fall ohnehin schon gemacht hatten. Am 23. Januar 2024 war der erst 25-Jährigen Eileen Ostholt unwohl gewesen. Sie ging zum Hausarzt, der sie wegen eines Blinddarm-Verdachts ins Krankenhaus überwies. Am Mops in Haspe war man sich ebenso sicher: der Blinddarm müsse raus.

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Was geschah in diesem OP?

Doch Eileen Ostholt wachte aus der OP nicht wieder auf. Was genau im OP-Saal geschehen ist, weiß Familie Ostholt bis heute nicht. Das OP-Protokoll haben sie nie gesehen. Und die Akteneinsicht ihres Rechtsanwaltes ergibt bislang auch nur ein dünnes Lagebild. Was der Familie in den Stunden nach dem Tod von Eileen nach eigenen Angaben noch im Krankenhaus von einer Medizinerin gesagt worden sei, ist: „Wir haben eine Arterie verletzt.“ Nicht irgendeine. Die Bauchaorta. Die größte Schlagader des Körpers.

Mahnwache für die tote Eileen Ostholt.
Noch immer warten Familie und Freunde genau wie die Hagener Staatsanwaltschaft auf ein Gutachten der Ärztekammer, dass die Fehler jenes Tages, an dem Eileen starb, aufklären soll. © Liam Samuel Curtis Mbella Ngom | Liam Samuel Curtis Mbella Ngom

Nach Recherchen dieser Zeitung sollen schwere Fehler geschehen sein. Die Staatsanwaltschaft Hagen ermittelt wegen fahrlässiger Tötung. Der Obduktionsbericht, so Informationen dieser Zeitung, berichtet davon, dass die Mediziner mit „brachialer Gewalt“ vorgegangen sein sollen. Gleich zweimal soll die Aorta, die deutlich vom Blinddarmfortsatz entfernt liegt, beschädigt worden sein. Als den Medizinern offensichtlich klar wurde, was geschehen war und dass Eileen Ostholt massiv Blut verliert, sollen sie versucht haben, den Schaden zu begrenzen. Andere Ärzte seien zügig in den OP-Saal beordert worden. Eileen Ostholt soll zahlreiche Blutkonserven erhalten haben. Doch das reichte wohl nicht. Vergeblich soll man versucht haben, die junge Frau zu reanimieren. Am Ende, so die vorliegenden Informationen, starb Eileen Ostholt noch im OP-Saal. 

Klinik ist „tief betroffen“

„Wir sind tief betroffen vom tragischen Tod unserer 25-jährigen Patientin, die im Rahmen ihrer Operation in unserem Krankenhaus verstarb“, erklärte eine Sprecherin der Klinik - wie berichtet - im Dezember. Und weiter: „Wir legen größten Wert auf eine umfassende und transparente Aufarbeitung der Ereignisse. Da es sich aber um ein laufendes Ermittlungsverfahren handelt, können wir derzeit keine weiteren Details zu den Umständen oder dem Ablauf des Eingriffs öffentlich kommentieren.“

Mahnwache für die tote Eileen Ostholt.
Mahnwache für Eileen vor dem Klinikeingang, während im Inneren der Betrieb läuft. Die Klinik bedauert den schlimmen Fall, gibt angesichts des laufenden Ermittlungsverfahrens aber keine weiteren Informationen heraus. © Liam Samuel Curtis Mbella Ngom | Liam Samuel Curtis Mbella Ngom

Die Familie und das private Umfeld von Eileen Ostholt fühlen sich bis heute - um im Bild des Todestages zu bleiben - im Regen stehen gelassen. Sie wissen so gut wie nichts, was über den Obduktionsbericht hinaus geht. Die Ärzte, die ihre Tochter operiert haben, haben nie persönlich mit ihnen gesprochen. Quälend lange warten sie - genau wie die Staatsanwaltschaft - auf ein Gutachten der Ärztekammer, das mehr Klarheit bringen soll, wer Fehler gemacht haben kann, was konkret geschehen ist. Wen verantwortlich ist für die Katastrophe.

Niemand betritt die Klinik

An diesem regnerischen Gedenktag steht ein Foto der darauf strahlenden, hübschen, aufgeweckten und lebenslustigen jungen Frau neben dem Eingang des Krankenhauses, das ihre Eltern nicht betreten können. So schwer lastet das Geschehene auf ihnen. Kerzen flackern daneben. Im Hintergrund läuft der Krankenhaus-Betrieb. Betten werden hin- und hergefahren, Menschen versorgt, Gespräche geführt.

Mahnwache für die tote Eileen Ostholt.
Kann der Schmerz über diesen Verlust jemals enden? Der Todestag von Eileen Ostholt ist der 24. Januar. © Liam Samuel Curtis Mbella Ngom | Liam Samuel Curtis Mbella Ngom

Die Trauernden vor der Tür sprechen an diesem Tag nur mit sich selbst. „Wir rechnen im Laufe des Februars damit, das Gutachten zu erhalten“, sagt Staatsanwalt Michael Burggräf. Dann soll endlich Licht ins Dunkle kommen. Die Redaktion wird die Aufarbeitung des weit über die Grenzen Hagens hinaus bekannt gewordenen Falls weiter begleiten. Die Redaktion hatte zuletzt auch den Medizinern die Möglichkeit zur Stellungnahme angeboten. Davon wurde kein Gebrauch gemacht. Einen noch ausführlicheren Bericht über den Fall Eileen Ostholt findet man auf unserer Homepage unter www.wp.de/hagen.