Hagen-Haspe. Maßgefertigte Geländer lassen auf sich warten: Die Arbeiten am Viadukt unterhalb der Hasper Talsperre ziehen sich bis ins Frühjahr.
Radwege, die auf ehemaligen Bahntrassen verlaufen und den Zweirad-Nutzern abseits des Autoflusses ungestörtes Fortkommen bescheren, sind längst keine Rarität mehr. Doch einer der ungewöhnlichsten und zugleich reizvollsten Radwege des Ruhrgebiets auf einstigen Gleisstrecken verläuft zwischen Hagen-Haspe und Breckerfeld am Fuße der Hasper Talsperre vorbei. Denn die Route gestaltet sich keineswegs ebenerdig, sondern schlängelt sich – wie einst eine der schönsten Straßenbahnstrecken Deutschlands – auf der ehemaligen Kleinbahntrasse Haspe-Voerde-Breckerfeld in Serpentinen stetig sanft ansteigend über 260 Höhenmeter. Allerdings zurzeit mit einer jähen Unterbrechung: Der Hasper Viadukt etwa 600 Meter unterhalb der Talsperrenmauer unweit der Gaststätte Plessen ist aufgrund von Sanierungsarbeiten seit dem vergangenen Sommer gesperrt. Die Maßnahme des Wirtschaftsbetriebes Hagen (WBH) ist zwar längst abgeschlossen. Doch die seit Wochen bestellten Brückengeländer sind bis heute nicht lieferbar. Diese sollen bis Ende Februar eintreffen, sodass zur Fahrradsaison im Frühjahr die idyllische Strecke wieder freigegeben werden kann.
Geländer lassen auf sich warten
Hintergrund der Sanierungsarbeiten war die Erstellung einer neuen Brückenplatte. Hier hatten unter anderem Undichtigkeiten dafür gesorgt, dass Feuchtigkeit in das gut 120 Jahre alte Bauwerk eindringen konnte. Dabei wurde unter anderem das verwendete Schottermaterial entfernt und durch Füllbeton ersetzt, sodass keine Nässe mehr eindringen kann. Allerdings lassen die Geländer auf sich warten. „Eine Vorfertigung war nicht möglich, da die Fahrbahnplatte im Zuge der Bauausführung an den Bestand angepasst werden musste“, erläutert Torbjörn Dahlhaus, WBH-Gruppenleiter Bauleitung, das Vorgehen. „Ein Aufmaß konnte entsprechend erst nach Fertigstellung der Platte erfolgen.“
„Eine Vorfertigung war nicht möglich, da die Fahrbahnplatte im Zuge der Bauausführung an den Bestand angepasst werden musste.“
Denn die Breite des Viadukts von 4,50 Metern weitet sich in Richtung Osten auf fünf Meter auf, sodass ein exaktes Aufmaß erst im Anschluss erfolgen konnte. Die passgenauen Geländer, die auch noch verzinkt und beschichtet werden müssen, können angesichts der aktuellen Auftragslage erst Ende Februar geliefert werden. Die neuen Seitenkonstruktionen werden dann stattliche 1,30 Meter hoch sein, damit dort Radfahrer sicher passieren können.
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Materialtransport für Staumauer
Der aus vier Bögen bestehende Viadukt stammt ursprünglich aus dem Jahr 1903 und diente als Teil der Kleinbahnstrecke zunächst vor allem dem Güterverkehr, um das Baumaterial für die im Oktober 1904 fertiggestellte Staumauer der Hasper Talsperre herbeizuschaffen. Als erstes Teilstück ging am 1. Mai 1903 der 9,1 Kilometer lange Abschnitt zwischen Haspe und Voerde in Betrieb, bevor die Bahn gut vier Jahre später ihre Gesamtlänge von 18,4 Kilometern erreichte. Im Spitzkehrenbahnhof Voerde mussten die Züge dabei ihre Fahrtrichtung wechseln.
Hauptzweck der Bahn war der Güterverkehr im Tal des Hasperbaches sowie auf die Breckerfelder Hochfläche, wo sich diverse Handwerksbetriebe der Kleineisenindustrie angesiedelt hatten. Der Personenverkehr rollte parallel im Stundentakt. Nach dem Ersten Weltkrieg geriet die Betreibergesellschaft jedoch angesichts des Niedergangs vor dem Hintergrund der aufziehenden Weltwirtschaftskrise nach dem Krieg in ökonomische Schwierigkeiten und musste letztlich 1921 den Personenverkehr einstellen. Die Bahn und die Anteile der zuvor am Bau beteiligten Institutionen wurden im Dezember 1926 von der Hagener Straßenbahn AG übernommen und ins Hagener Straßenbahnnetz integriert.
Hagener Straßenbahn übernimmt
Hintergrund für die Übernahme des angeschlagenen Unternehmens durch die Stadt Hagen war die letztlich 1929 erfolgte Eingemeindung der ehemals selbstständigen Stadt Haspe. Die Stadt Hagen erhoffte sich durch die Übernahme der Kleinbahn eine Ausweitung ihres Einflussbereiches auf die Städte und Gemeinden der Umgebung. Im Zuge dieser Übernahme wurde die Kleinbahn elektrifiziert und in das Netz der Hagener Straßenbahn integriert, fortan pendelte die Linie 11 zwischen Breckerfeld und Hagen-Markt. Für eine wesentliche Betriebserleichterung sorgte dabei die 1927 eröffnete Wendeschleife im Bahnhof Voerde, die den neuen Personenwagen den Fahrtrichtungswechsel ersparte.
Mit der zunehmenden Motorisierung nach dem Zweiten Weltkrieg ging die Nutzung der Strecke zurück, sodass es zunächst ab dem Sommer 1954 für den Güterverkehr keine Zukunft mehr gab. Am 2. November 1963 wurde obendrein der Straßenbahn-Betrieb der Linie 11 nach Breckerfeld endgültig eingestellt, die Strecke stillgelegt und die Verbindung komplett auf Busbetrieb umgestellt. Übrigens: Der Busverkehr zur Hasper Talsperre ist ebenfalls seit 1977 Geschichte. Seitdem steuern Wanderer oder Jogger die landschaftlich reizvolle Runde vorzugsweise mit dem eigenen Pkw an. Oder eben per Fahrrad über die einstige Kleinbahnstrecke und den Hasper Viadukt hinweg.
Übrigens: In ein bis zwei Jahren, wenn das Bauwerk komplett durchgetrocknet ist, wird der Wirtschaftsbetrieb erneut am Hasper Viadukt die Gerüste aufrichten. Dann wird die Sanierung abgeschlossen, indem auch die brüchige Verfugung der Natursteine erneuert wird. Das ließ sich aufgrund der weiterhin vorhandenen Nässe nicht in einem Zuge erledigen.