Hagen. Die Insolvenz des DRK-Kreisverbandes Hagen wurde im Dezember öffentlich. Zuvor musste das Rote Kreuz viel Geld für ein Gutachten ausgeben.
Die Nachricht war ein Schock. Für die 310 Mitarbeiter des DRK-Kreisverbandes Hagen, die auf vier Versammlungen informiert wurden, ebenso wie für die 350 Ehrenamtlichen. Aber auch für ihn selbst, den Vorstand, der erst Anfang letzten Jahres von Udo Stroh im Amt und Würden ist und dann feststellen musste, dass es um den Sozialverband so schlecht bestellt ist, dass letztlich nur der Weg in die Insolvenz in Eigenregie blieb.
„Es gibt keinen guten Zeitpunkt für solch eine Botschaft“, sagt Philipp Kohn, der einst Altenpfleger gelernt, dann ein Studium der Pflegewissenschaften angeschlossen und zuletzt ein Pflegeheim der Diakonie geleitet hatte. „Aber so kurz vor Weihnachten - das ist bitter. Zumal auch ich persönlich auf eine andere Nachricht gehofft hatte.“
„Mittlerweile begreife ich die Insolvenz auch als Chance. Durch die Eigenverwaltung haben wir vieles in eigener Hand.“
Insolvenz als Chance für das DRK
Etwas mehr als drei Wochen liegt der Schock jetzt zurück. „Schon bei meinem Start in Hagen war mir ja schnell klar, dass wir einige Dinge angehen und ändern müssen“, sagt Kohn, 45 Jahre alt, Vater von zwei Kindern im Gespräch mit unserer Zeitung. Die jetzt erfolgte Schließung der Tagespflege „Am Theater“ ist ein solcher Schritt, der bereits vor Monaten festgelegt, dann aber erst nach der öffentlichen Verkündigung der Schieflage vollzogen wurde. „Mittlerweile begreife ich die Insolvenz auch als Chance. Durch die Eigenverwaltung haben wir vieles in eigener Hand.“ Dennoch bleibe ein gewisser Druck: „Wir müssen die Maßnahmen nun schneller ergreifen.“
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Dem Schock vorausgegangen war zuletzt eine Expertise, die die Wirtschaftlichkeit des Kreisverbandes Hagen untersucht hatte. Ein standardisiertes IDW S-6-Gutachten der Firma Solidaris aus Köln - ein Anbieter mit Branchenkenntnis -, für das das finanziell angeschlagene Deutsche Rote Kreuz Hagen nach WP-Informationen noch einmal einen niedrigen sechsstelligen Betrag aufwenden musste. Eine solche Ausarbeitung war und ist zwingend Voraussetzung dafür, an weitere Kredite - in diesem Fall bei der Sparkasse Hagen - zu kommen. Und obwohl das Gutachten nach Informationen unserer Zeitung in Teilen auch positive Prognosen beinhaltete, war das Kreditinstitut am Ende nicht mehr bereit, neue Gelder freizugeben. Zu den genauen Gründen wollte sich die Sparkasse mit Verweis auf ihre Verschwiegenheitspflicht nicht äußern.
Offener Austausch mit Sparkasse
Vorwürfe von Seiten des Kreisverbandes sind deswegen allerdings nicht zu vernehmen. Im Gegenteil: „Wir pflegen mit der Sparkasse einen offenen, wertschätzenden Austausch“, betont Kohn. „ich habe den Eindruck gewonnen, dass sich die Sparkasse dem DRK verbunden zugewandt fühlt.“
„Wann welche Maßnahmen umgesetzt werden - das zu sagen, ist noch zu früh.“
Immerhin: Auf einige Erkenntnisse aus dem Gutachten könne man jetzt zurückgreifen - so Philipp Kohn, der aber auch weiß: „Das alleine wird nicht ausreichen.“ Der wirtschaftliche Druck auf den Kreisverband bleibt hoch. Kohn - auch das ist Teil des Verfahrens - ist vom Amtsgericht ein sogenannter Sachverwalter an die Seite gestellt. Diese Funktion übernimmt Rechtsanwalt Dr. Jan Janßen, der für die Wirtschaftskanzlei Görg mit Niederlassungen in Hagen, Arnsberg und Siegen arbeitet. Seine Aufgabe ist es, die Interessen der Gläubiger zu wahren und den Verband im Verfahren zu überwachen. Die Hagener Kanzlei Dr. Andres wiederum hat an der Erarbeitung des Sanierungsplans mitgewirkt. „Wann welche Maßnahmen umgesetzt werden - das zu sagen, ist noch zu früh“, so Kohn.
Umstrittene Weihnachtsfeier
Für die Schieflage ist neben steigenden Gehältern, der Inflation sowie der schwierigen und zäh verlaufenden Verhandlungen über Pflegesätze auch die DRK-eigene Immobilie an der Lange Straße in Wehringhausen neben der Feuer- und Rettungswache Mitte verantwortlich. Hier ist das DRK-Seniorenzentrum Hagen untergebracht. Der Sanierungsbedarf in der Einrichtung, die vor einigen Jahren auch wegen mangelnder Qualität in der Pflege - die Heimaufsicht hatten einen Aufnahme-Stopp verhängt - in die Schlagzeilen geraten war, ist groß.
Für Gesprächsstoff unter den Mitarbeiter sorgt in diesen schwierigen Tagen wieder eine Weihnachtsfeier, mit der sich Kohn-Vorgänger Stroh quasi den eigenen Abschied bereitete. Dafür wurde eigens die Stadthalle vom Kreisverband gemietet. Nach Informationen unserer Zeitung kosteten die Feierlichkeiten den bereits Ende 2023 angeschlagenen Kreisverband rund 60.000 Euro. Eine Summe, die im Nachhinein betrachtet angesichts der Gesamtverbindlichkeiten den Verband kaum hätte retten können, die aber zumindest für viele Bedienstete bis heute ein höchst unangemessenes Zeichen nach außen und in die Belegschaft ist. Kohn, der den Vorgang kennt, will sich offiziell zu den Feierlichkeiten, die ja noch nicht unter seiner Verantwortung abgesegnet wurden, nicht äußern. Der Ex-Vorstand war für unsere Zeitung bisher nicht zu erreichen.