Hagen. Flaschen Paul, Roland mit dem Roller oder Halbweltgröße „Mede“ - für ältere Hagener fast wie Bekannte. Jetzt werden „die Typen wieder lebendig“.

Er hat sie alle gekannt – Jürgen (Mede) Medebach, Flaschen Paul und den kleinen Roland mit dem Roller. Er war an ihren Lebenswegen interessiert und hat die Hagener Originale porträtiert: Ennow Strelow, der vor drei Jahren die beeindruckenden Schwarz-Weiß-Fotografien besagter Hagener Typen in einer Ausstellung im Osthaus-Museum gezeigt hat, verwebt derzeit ihre Geschichten in einem Artikel fürs „Hagen Buch 2026“.

Respekt und Gleichbehandlung

Im Grunde appelliert Ennow Strelow mit dem Beitrag an Menschlichkeit, an Respekt, an Gleichbehandlung. Doch davon will er nichts hören, „ich respektiere eben jeden Menschen. Es gab für mich nie ,die Hagener Gesellschaft‘, für mich gehörten immer alle dazu“. 

„Es gab für mich nie ,die Hagener Gesellschaft‘, für mich gehörten immer alle dazu. “

Ennow Strelow
der Fotograf schreibt einen Artikel über „Hagener Typen“
Fotograf
Fotograf Ennow Strelow, mittlerweile 75, hat etliche Hagener Köpfe porträtiert. Das Bild von ihm selbst ist 2018 entstanden. © Ennow Strelow | Ennow Strelow

Ennow Strelow redet sich warm. Der Fotograf, der lange Jahre in Hagen gelebt hat, den es vor 25 Jahren dann aber mit seiner Frau nach Oldenburg verschlagen hat, spricht liebevoll über seine alte, raue Heimat. Der mittlerweile 75-Jährige, der die Stadt und sämtliche ihrer kleinen und großen Größen früher wie seine Westentasche kannte, erinnert sich gern zurück, „soziale Unterschiede spielten keine so große Rolle, alle kamen irgendwie irgendwo zusammen. Zum Beispiel im ,Piccadilly‘, wo feine Damen und derbe Kerle aufeinander trafen“.

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Ins „Piccadilly“ ging jeder

Das „Piccadilly“ in der Hindenburgstraße 19 war in den 1970er/80er-Jahren die Kultdisco, „die Besucher kamen sogar aus Düsseldorf, Wuppertal und Dortmund, und DJ Lord Link war legendär“. Ob Künstlerin Ruth Eckstein oder Sängerin Inga Humpe – der bunte Mix machte damals das „Picadilly“ aus.

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Damals blutjung: Die Sängerin Inga Humpe hat Ennow Strelow 1972 fotografiert.    © Ennow Strelow | Ennow Strelow

Apropos Inga Humpe: Ennow Strelow fotografierte die Sängerin Humpe („Humpe & Humpe“, „2Raumwohnung“) 1972, „ich habe sie vor dem ,Piccadilly‘ kennengelernt und an einem frühen Samstagmorgen auf der Hohensyburg porträtiert. Sie war 16, 17 Jahre alt und schon damals ein echter Profi und sehr diszipliniert“. 

„Mede“ im Freibad getroffen

Und die bekannte Hagener Halbweltgröße Jürgen (Mede) Medenbach? Ennow Strelow sah Mede zum ersten Mal im Ischeland-Freibad, „dort trafen sich im Sommer immer all die, die zur Arbeit kein gesundes Verhältnis hatten. Sie spielten Fußball, redeten über Autos und zockten, solange das Geld reichte“. Irgendwann habe Mede ihn und ein paar Freunde ins „Treppchen“, das Rotlichthauptquartier vor dem Eingang zum Bordell in der Düppenbeckerstraße, eingeladen, „er hat den Kofferraum seines blauen Daimlers geöffnet und daraus teure Uhren, Kameras und Parfüms verkauft. Ich hab‘ lieber die Finger davon gelassen“.  

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Auch Halbweltgröße Jürgen „Mede“ Medenbach ließ sich gern und häufig von Ennow Strelow ablichten. Das Foto stammt aus dem Jahr 1988. © Ennow Strelow | Ennow Strelow

Nie bürgerliche Anerkennung bekommen

Mede sei ein verdammt guter Zocker und gerissener Geschäftsmann gewesen, „ich habe ihn, seine Familie, seine Privathäuser, Luxusschlitten und sein CM-Autohaus mehrfach fotografiert. Wenn ich ihm meine Fotos zeigte, löste er das Gummiband von seiner dicken Geldscheinrolle und gab mir den Betrag, den wir vereinbart hatten. Er war bestimmt kein Heiliger, aber mir gegenüber hat er sich immer korrekt verhalten. Mede strebte nach bürgerlicher Anerkennung, aber die bekam er nie“.

Auch Paul Walczysko (Flaschen Paul) gehört zu jenen Hagener Typen, die Ennow Strelow faszinierten. „Auch ihn sah ich das erste Mal im ,Piccadilly‘ und dachte mir ,Was für ein Gesicht‘“, blickt der Fotograf zurück. Flaschen Paul war stadtbekannt, hastete täglich vorn über gebeugt mit seiner braunen Aktentasche unterm Arm durch die City.

Auch Flaschen Paul kam ins Fotostudio

„Einmal traf ich ihn im ,Gatto Nero‘ in der Kampstraße. Er hatte schon ein paar Bier intus und sang plötzlich laut ein Volkslied aus seiner böhmischen Heimat. Die Luden, die Karten spielten, fühlten sich gestört, riefen ,Paul, hör‘ auf, dann gibt’s noch ein Bier‘. Das Bier kam, und es herrschte wieder Ruhe.“ An besagtem Abend lud Ennow Strelow Flaschen Paul in sein Studio ein, „ich musste ihm versprechen, dass ich für ihn einen Flachmann besorge“.

Paul Walczysko kam tatsächlich zum Fototermin, „er erzählte über seine alte Heimat, seine Arbeit als Anstreicher - und ich spürte, dass er tieftraurig war. Trotz seiner körperlichen Einschränkungen hatte er einen unbändigen Lebenswillen. Ich hatte großen Respekt vor ihm“.

Artikel erscheint im „Hagen-Buch 2026“

Ennow Strelow wurde in Lübeck geboren. Bis 2000 lebte der gelernte Reproduktions-Fotograf, der sich in der Hagener (Musik)-Szene bestens auskannte, in Hagen.

Im Rahmen der Jubiläumsausstellung „Hagen – Die Stadt“, die im September 2021 im Osthaus-Museum eröffnet wurde, waren etliche Fotografien von Ennow Strelow zu sehen.

Sein Artikel „Hagener Typen“ samt Fotos erscheint Ende 2025 im „Hagen-Buch 2026“. Das etwa 300-seitige Buch trägt den Untertitel „Bunt“ und wird vom Ardenku-Verlag herausgegeben.  

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Auch er war in der Stadt Hagen bekannt: Roland Gerken. Mit seinem roten Kinderroller flitzte er durch die City. © Ennow Strelow | Ennow Strelow

Auch der damals stadtbekannte „kleine Roland mit dem Roller“ zog Ennow Strelow in seinen Bann. „Obwohl kleinwüchsig, war Roland Gerken für mich immer ein ganz Großer“. Mit seinem roten Kinderroller flitzte Roland überall hin, „er war in der Szene bekannt und ließ sich die Butter nicht vom Brot nehmen“.  Ennow Strelow porträtierte den eigenwilligen Jazz-Liebhaber mit dem markanten Gesicht mehrmals, „es gab kein Thema, über das man mit ihm nicht sprechen konnte.“

„Mit seinem roten Kinderroller flitzte Roland überall hin, er war in der Szene bekannt und ließ sich die Butter nicht vom Brot nehmen. “

Ennow Strelow
für den Fotografen waren alle Hagener gleich

Ohne die 70er-, 80er- und 90er-Jahre zu glorifizieren, wünscht sich Ennow Strelow heute, dass sich die Menschen wieder so offen begegnen wie damals, „Menschen aus verschiedenen sozialen Schichten können voneinander lernen und friedlich miteinander leben“, ist sich der 75-Jährige sicher.