Hagen. Ein Verkehrsschild, das im Süden von Hagen nicht dem auf aktuellstem Stand ist, kann Motorradfahrer in die Irre führen. Die Hintergründe.
Die Strecke zählt bei vielen Motorradfahrern seit drei Jahren wieder zu den beliebtesten: die sogenannte „Priorei“, die Hagen mit Breckerfeld verbindet. Motorradfahrer aber, die im Süden von Hagen in Richtung Hansestadt abbiegen, dürften einige Kilometer weiter staunend vor einem Schild stehen, das ihnen eine Durchfahrt untersagt. Insbesondere, wenn sie nicht ortskundig sind und von all den Diskussionen um diesen Straßenabschnitt nichts mitbekommen haben. Denn der kurvenreiche Abschnitt ist seit einigen Wochen nicht nur freitags und an Wochenenden, sondern auch wochentags zwischen 15 und 22 Uhr für Motorräder komplett gesperrt.
Auf die alte Regelung - Sperrung von Freitagmittag bis Sonntag - weist bereits ein Schild am Abzweig in Priorei hin. Das allerdings ist noch nicht aktualisiert. Die Folge: Insbesondere auswärtige Motorradfahrer biegen auf Gebiet der Stadt Hagen im guten Glauben ab, dass sie über die Osemundstraße und Prioreier Straße problemlos Breckerfeld erreichen können. Auf Höhe des Wanderparkplatzes Schemm, wo der EN-Kreis die neuen Schilder installiert hat, werden sie dann eines Besseren belehrt. So sie sich denn an die geltenden Regeln halten wollen, bleibt ihnen nicht anderes übrig, als auf der Fahrbahn zu wenden und zurück in Richtung Hagen zu rollen.
Unfallsituation nicht vergleichbar
Die Unfallsituation, die bisher auf Hagener Gebiet nicht mit der in Breckerfeld vergleichbar ist sowie die unterschiedlichen Zuständigkeiten - auf der einen Seite die Stadt Hagen, auf der anderen der EN-Kreis - führen ohnehin dazu, dass das Befahren des unteren Abschnitts noch erlaubt, es oberhalb des Schildes aber verboten ist. Eine Regelung, die es Motorradfahrern immerhin ermöglicht, das Restaurant Lemberg oder aber den Wanderparkplatz Schemm zu erreichen - ein zugegeben eher konstruierter Fall, den die meisten Motorradfahrer kaum in Sinn haben dürften, wenn sie im Stadtteil Priorei abbiegen.
Die neuen Sperrzeiten sind bei der Stadt Hagen allerdings auch offiziell bekannt. „Der Ennepe-Ruhr-Kreis hat uns darüber in Kenntnis gesetzt“, sagt Thomas Lichtenberg, Leiter des Ordnungsamtes der Stadt Hagen. Man habe wiederum den Wirtschaftsbetrieb Hagen beauftragt, die Beschriftung des Schildes in Priorei zu aktualisieren. Das allerdings sei noch nicht geschehen.
Tödliche Unfälle
Die Strecke zwischen Hagen und Breckerfeld hat eine lange und angesichts schwerer und zum Teil auch tödlicher Unfälle tragische Geschichte. Länger als 20 Jahre war die sogenannte „Priorei“ für Motorradfahrer komplett gesperrt. Grund waren mehrere tödliche Motorradunfälle, die sich auf dem kurvenreichen Anschnitt Anfang der 80er-Jahre ergeben hatten.
Gegen diese in seinen Augen nicht mehr zeitgemäße Komplettsperrung hatte ein Motorradfahrer aus Hagen - unterstützt vom Bundesverband der Motorradfahrer - vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg geklagt und letztlich Recht bekommen. Bereits im Juni 2021 war in einem Eilverfahren von den Richtern beschlossen worden, dass zumindest eine Sperrung auf Hagener Stadtgebiet nicht gerechtfertigt sei. Allerdings änderte das auf dem Abschnitt im Grunde herzlich wenig, da es auf dem Stück ja keine Abbiegemöglichkeiten gibt. Endgültig entschieden wurde nun im Hauptverfahren.
Nicht ausreichend abgewägt
„Entscheidend für die Richter war die Frage, ob der EN-Kreis seine Ermessenabwägung richtig ausgeführt hat“, so Silke Camen, Pressedezernentin am Verwaltungsgericht Arnsberg nach der endgültigen Entscheidung im Frühjahr 2022, die dazu führte, dass der Kreis sich gezwungen sah, die Strecke wieder freizugeben. Und genau das sahen die Richter offenbar nicht als gegeben.
Die Folge: viele, teils schwere Unfälle - vor allem im kurvenreichen Abschnitt auf Breckerfelder Gebiet. Was wiederum dazu führte, dass der Ennepe-Ruhr-Kreis diesen Abschnitt noch einmal unter die Lupe genommen hat. Um die Zahl der Unfälle zu reduzieren, wurde - trotz des Protestes des Bundesverbands der Motorradfahrer, der sich für Maßnahmen aussprach, um die Sicherheit zu erhöhen - zunächst ein Fahrverbot erlassen, das ab freitagmittags bis einschließlich Sonntag galt. Nach einem tödlichen Unfall im Sommer dieses Jahres hatte die Behörde in Schwelm sich zunächst wieder für ein komplettes Fahrverbot ausgesprochen, musste dann aber nach Absprache in der Verkehrskommission zurückrudern. Zu groß war die Sorge, dass sich die Komplettsperrung nicht juristisch sattelfest umsetzen lässt.
Also wurde ein ausgeweitetes Fahrverbot erlassen und nach reichlich Verzögerungen - die entsprechenden Schilder konnten nicht geliefert werden - auch umgesetzt. Es gilt offiziell seit dem 4. Oktober.