Hagen-Haspe. Beratungs- und Begegnungsstätte hilft mit einem neuen Vorstandsteam Bedürftigen durch ihren Alltag. Einladung zum Sommerfest.
Überdurchschnittlich hohe Arbeitslosigkeit im einstigen Industrie-Zentrum Haspe, bedürftige Menschen, die materielle Hilfe benötigten, aber vor allem auch Beratungsbedarf hatten, sowie klassische Sozialarbeit im Quartier – das war der ursprüngliche Mix und vordringliche Bedarf im Jahr 1990, der die Beratungs- und Begegnungsstätte „Corbacher 20“ im Hagener Westen keimen ließ.
Die schwierigen Lebens- und Rahmenbedingungen für viele Hilfesuchende führten letztlich dazu, dass die beiden christlichen Kirchen sich tief in die Augen blickten und es letztlich als ihren klassischen, vielleicht sogar biblischen Auftrag begriffen, direkt an der Seite der Menschen mit einem hohen Maß an Pragmatismus ein ökumenisches Angebot ins Leben zu rufen, an dessen Notwendigkeit und Unverzichtbarkeit es bis heute keinerlei Zweifel gibt.
Beim Sommerfest ins Gespräch kommen
Um den Kontakt im Stadtteil Haspe zu fördern und das gesellschaftliche Leben zu bereichern, lädt die „Corbacher 20“ am Samstag, 24. August, von 11 bis 17 Uhr zu einem Sommerfest auf dem „Heiligen Berg“, also im Schatten der St.-Bonifatius-Kirche an der Berliner Straße, ein.
Dabei soll nicht bloß über die Arbeit des Vereins für christliche Sozialarbeit informiert werden, sondern man möchte im lockeren Open-Air-Rahmen ohne gesellschaftliche Barrieren mit Freunden und Förderern sowie interessierten Gästen ins Gespräch kommen. Dazu wird ein passendes Kulinarik- und Musik-Angebot serviert.
Gegen 14 Uhr sollen die beiden langjährigen Vorstandsmitglieder Walburga Führt und Heinrich Baumann verabschiedet und ihre Nachfolger Michael Pütz und Jürgen Schäfer vorgestellt werden. Außerdem gehören nach den Wahlen bei der Mitgliederversammlung dem Vorstand an: Hermann-Josef Liley (Kassierer), Hans-Peter Schlien (Schriftführer) und Karl-Heinz Gaertig (Beisitzer).
Zumal sich an den sozialen Rahmenbedingungen im Jahr 2024 wenig geändert hat: Die Arbeitslosigkeit ist weiterhin viel zu hoch, steigende Wohn- und Lebensmittelkosten reißen klaffende Löcher in die Geldbeutel, Bürokratismus, Vereinsamung und zunehmende Altersarmut, gepaart mit der verzweifelten Lage vieler Zuwanderer und Geflüchteter, sind kaum wegzudiskutieren.
Entsprechend hat sich die neue Vorstandsspitze des Vereins für christliche Sozialarbeit Haspe um Michael Pütz, pensionierter Schulleiter des Christian-Rohlfs-Gymnasiums und engagiertes Mitglied der St.-Bonifatius-Gemeinde Haspe, sowie Jürgen Schäfer, für noch gut zwei Jahre Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Haspe, auch für die kommenden Jahre vorgenommen, das längst etablierte Projekt „Corbacher 20“ vor allem in den Köpfen der jüngeren Generationen als Gewinn zu etablieren, der der Lebensqualität in Haspe perspektivisch guttut. „Unser ganzheitlicher Blick auf die zu uns kommenden Menschen und die entsprechende ganzheitliche Beratung sind eine Qualität, die uns ausmacht“, stellt Pütz durchaus selbstbewusst fest.
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Glaubwürdigkeit schafft Vertrauen
„Wir haben als Verein keinen großen Träger oder Apparat über uns, wir sind lokal verortet, genießen hohe Glaubwürdigkeit und einen Vertrauensbonus, denn jeder Euro kommt direkt den Menschen zugute“, betrachtet Schäfer diese lokale Nähe als den größten Trumpf des Projektes.
Denn die Kraft der „Corbacher 20“ entsteht aus dem Spendenaufkommen, das alle Jahre wieder mühsam erarbeitet werden muss. „Die Finanzierung setzt sich aus jeweils 12.000 Euro der beiden Hasper Kirchengemeinden sowie der Finanzierung einer halben Sozialarbeiterstelle durch die Stadt aus dem Programm ,Präsenz im Quartier‘ zusammen“, rechnet Pütz vor – etwa 100.000 Euro müssen zudem über wohlmeinende Geldgeber akquiriert werden, um die Jobs der beiden Sozialarbeiter Laura Kujath und Torben Reddig zu finanzieren. „Aber die Hasper haben längst erkannt, dass ihr Geld hier gut angelegt ist“, freuen sich Pütz und Schäfer, dass anlässlich von Familien-Ereignissen und -Festen auch immer wieder die „Corbacher 20“ mit Geldspenden bedacht wird: „Weil es einfach eine gute Sache ist“, freut sich das neue Führungsduo natürlich über jeden weiteren Unterstützer.
Als ehemaliger Schulleiter richtet Pütz seinen Fokus darauf, die jüngere Generation für diese Form der Sozialarbeit im Stadtteil zu sensibilisieren. „Zugleich müssen wir versuchen, weitere öffentliche Töpfe anzuzapfen und unsere Spendenbasis durch Förderprogramme zu unterfüttern“, strebt Schäfer eine stabilere Form der Finanzierung an – diese Mittel müssten nicht ausschließlich an die großen Träger fließen. Denn zu einer stadtteilorientierten Sozialarbeit gehöre eben auch, nicht immer bloß die akuten Brände zu löschen, sondern für echte Bedürftige auch mal was Schönes wie eine Tagesfahrt anbieten zu können.
Für die beiden Sozialarbeiter Laura Kujath und Torben Reddig sind das bislang unerreichbare Utopien. Bei etwa 1000 Beratungsgesprächen im Jahr – manchmal bis zu 20 am Tag – bleibt kaum Spielraum für konzeptionelle Weiterentwicklungen. Zumal angesichts der galoppierenden Inflation zuletzt obendrein die Anfragen nach Lebensmittel-Gaben rasant zugenommen haben. „Aber wir wollen gar kein Warenkorb werden“, versichert Kujath, zumal das Budget dies auch gar nicht zulasse.
Inzwischen wurde die Abgabe von nicht verderblichen Waren gegen einen symbolischen Euro räumlich ausgelagert, um das Beratungsangebot in der „Corbacher 20“ nicht zu stören. „Aber die Nachfrage hat schon deutlich zugenommen“, bestätigt Michael Pütz. „Das können wir auch nicht mehr durch Spenden abdecken, sondern müssen sogar Waren zukaufen.“ Da die großen Organisationen wie Tafeln und Warenkörbe bei den Supermärkten inzwischen im großen Stil abgreifen, kauft der Hasper Verein im Großhandel notgedrungen zu.
Stetiges Ringen mit Jobcenter
Doch das Kerngeschäft bleibt die Beraterrolle an der Seite derer, die im Umgang mit den Behörden und den Sozialsystemen scheitern oder verzweifeln. Dabei reicht das Spektrum von der Familienkasse über das Jugendamt bis hin zu Grundsicherungsfragen bei Rentnern. „Und immer wieder Jobcenter“, betont Torben Reddig, „hier ist der Umgang besonders schwierig, weil die Erreichbarkeit sich dort viel zu schwierig gestaltet, ständig die Ansprechpartner wechseln und wir einfach keinen kurzen, pragmatischen Draht in das Haus finden. Ganz anders ist das beispielsweise bei der Stelle für Wohnraumsicherung – hier arbeiten wir sehr gut zusammen, weil es nach so vielen Jahren natürlich eine hohe, gut funktionierende Vertraulichkeit gibt.“
„Wir sind die Lobby für die Ärmsten der Armen“, erzählt Laura Kujath, dass inzwischen die Hälfte der Besucher einen Migrationshintergrund hat. Aber die Sozialarbeiter sind natürlich zugleich auch das Ventil und der Puffer für Reibereien zwischen Klienten und Behörden. „Aber wir können uns auch nicht um alles kümmern“, steckt die Vollzeitkraft klare Grenzen ab: „Rechtsberatung, Schuldner- und Insolvenzberatung, Asylverfahren oder auch Steuer- und Rentenberatung sind bei aller ganzheitlichen Betrachtung am Ende nicht mehr unser Terrain.“
Und was steht auf dem Wunschzettel ganz oben? „Wir brauchen eine aktualisierte Stadtteilanalyse“, mahnen Laura Kujath und Torben Reddig unisono an, endlich einmal die längst veraltete Datenbasis durch Zahlen aus der Jetzt-Zeit zu ersetzen. Denn nur so lasse sich mit den notwendigen Schwerpunkten die weitere Arbeit gezielt gestalten. Denn dass der Bedarf in Haspe auch in den nächsten Jahrzehnten hoch sein werde, daran hat in dem Verein niemand Zweifel.