Hagen-Kabel. Schmerzlicher Restrukturierungsprozess bei Kabel Premium Pulp & Paper zeigt erste Erfolge. Verstärkte Internationalisierung schafft Zukunft

„Wir haben es bei schwerem Seegang geschafft, um Kap Horn zu segeln, aber es gibt noch eine ordentliche Wegstrecke zu bewältigen, bis wir wieder in ruhigere Gewässer kommen – wenn es diese denn überhaupt wieder gibt.“ Markus Schwinn benutzt gerne Metaphern, um die aktuelle Situation in seinem Unternehmen zu skizzieren. Der Geschäftsführer des traditionsreichen Papierherstellers Kabel Premium Pulp & Paper (KPPP), der in den Köpfen vieler Hagener noch immer als „Stora“ oder gar „Feldmühle“ verhaftet ist, bewegt sich – um im Bild zu bleiben – als Kapitän mit seiner Crew gerade auf der Zieletappe eines harten Sanierungsprozesses, der das Traditionsunternehmen einmal kräftig durchgeschüttelt hat. Aber die organisatorischen sowie personellen Einschnitte, die sich angesichts des einbrechenden Papiermarktes zum Jahreswechsel 2023/24 nicht mehr vermeiden ließen, zeigen erste positive Früchte. Im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet KPPP ein Plus von 26 Prozent: „Wir haben uns in allen relevanten Märkten besser entwickelt als der allgemeine Trend“, peilt Schwinn für die Zukunft eine stabile Jahresproduktion grafischer Premium-Papiere von 270.000 Tonnen an. „Und bei Bedarf könnten wir auch wieder 400.000 Tonnen schaffen.“

„Schnell wurde klar, dass es eines Downsizings der gesamten Organisation, also einer Veränderung der Personalstärke und der Kapazitäten bedarf.“

Markus Schwinn
Geschäftsführer bei KPPP

Als der Bayer im Februar 2023 die Geschäftsführung in dem unter Druck des Marktes ächzenden Betriebes (Kurzarbeit) übernahm, ahnte er bereits, dass ein schmerzlicher Restrukturierungsprozess anstehe. Doch die Brisanz der Lage und der akute Handlungsdruck werden ihm erst nach den ersten Wochen im Job wirklich offensichtlich: „Schnell wurde klar, dass es eines Downsizings der gesamten Organisation, also einer Veränderung der Personalstärke und der Kapazitäten bedarf.“ Gemeinsam mit Betriebsrat und Gewerkschaften sowie externer Begleitung wurden umgehend ein Sozialplan und Interessensausgleich ausverhandelt. Die Folge: bis Ende dieses Jahres 100 betriebsbedingte Kündigungen, 60 Nicht-Verlängerungen von Zeitverträgen sowie Altersteilzeitregelungen. Damit verliert das Unternehmen innerhalb von zwei Jahren 180 Mitarbeiter und schmilzt auf 440 Beschäftigte zusammen.

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Nachfrageeinbruch, der bleibt

Für viele Papiermacher ein Einschnitt in einer über Generationen sehr traditionsbehafteten Branche, der naturgemäß von der Belegschaft mit erheblicher Skepsis und Widerständen begleitet wurde. Doch die zeitgleich stattfindenden noch heftigeren Sanierungsprozesse und Standortschließungen bei Mitbewerbern machten schnell deutlich, dass es sich nicht bloß um eine temporäre Delle am Markt handelte, sondern einen massiven Nachfrageeinbruch, der bleibt. „Seit 2022 werden in Deutschland 45 Prozent geringere Papiermengen nachgefragt“, lässt Schwinn die nackten Zahlen sprechen und vermag bis heute auch keine Signale zu entdecken, dass bei den Kunden der Bedarf urplötzlich wieder steigen sollte.

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Während in Frankreich und Italien das Papiergeschäft inzwischen wieder besser läuft, gibt es in Deutschland bislang nicht einmal Hinweise darauf, dass die Nachfrage-Talsohle für Papier überhaupt erreicht sei. Wobei der KPPP-Chef grundsätzlich davon überzeugt ist, dass seine Kunden sich weiterhin in einem Findungsprozess befinden, es perspektivisch jedoch einen stabilen Markt für grafische Papiere gibt, die mit ihrer repräsentativen Qualität vor allem Wertigkeit und Kompetenz symbolisieren.

Markus Schwinn, seit Februar 2023 Geschäftsführer bei Kabel Premium Pulp & Paper (KPPP)
Markus Schwinn, seit Februar 2023 Geschäftsführer bei Kabel Premium Pulp & Paper (KPPP) © KPPP | KPPP

Als Reaktion auf die Stagnation auf dem deutschen Markt hat Markus Schwinn die Internationalisierung des Geschäfts vorangetrieben. Während sich zuletzt das Kundenverhältnis etwa die Waage hielt, kommen aktuell bereits 65 Prozent der KPPP-Kunden aus dem Ausland – vorzugsweise aus dem europäischen Raum –, während 35 Prozent der Papiere national vermarktet werden.

Parallel dazu wurde in Kabel der über Jahrzehnte etablierte 24/7-Produktionsrhythmus aufgebrochen und die Laufzeit der beiden Papierlinien auf diskontinuierlichen Betrieb umgestellt. „So können wir bedarfsgerecht zwischen 18.000 und 27.000 Tonnen pro Monat variieren“, betont Schwinn, dass dieser Schritt mit einer erhöhten Flexibilität an den einzelnen Arbeitsplätzen und einer breiteren Qualifizierung der Mitarbeiter einhergehe. Zudem gelte es, den Geist der „Lean Production“, also der immer schlanker werdenden Produktion mit kürzeren Durchlaufzeiten bei gleichzeitiger Qualitäts- und Effizienzsteigerung, konsequent zu etablieren. „80 Prozent des Weges haben wir bereits in 20 Prozent der Zeit geschafft, doch jetzt beginnt die anstrengende Phase, auch die übrigen 20 Prozent noch zu bewältigen und nicht wieder in tradierte Arbeitsweisen zurückzufallen. Das sind die Herausforderungen eines jeden Transformationsprozesses“, hat Schwinn jedoch das Gefühl, dass in den Köpfen der Belegschaft inzwischen ein Bewusstsein angekommen ist, dass man als wiedererstarktes, mittelständisches Unternehmen es aus eigener Kraft schaffen kann, das Steuer in bedrohlicher Lage herumzureißen.

„80 Prozent des Weges haben wir bereits in 20 Prozent der Zeit geschafft, doch jetzt beginnt die anstrengende Phase, auch die übrigen 20 Prozent noch zu bewältigen und nicht wieder in tradierte Arbeitsweisen zurückzufallen. Das sind die Herausforderungen eines jeden Transformationsprozesses.“

Markus Schwinn
KPPP-Geschäftsführer

Kurze Reaktionszeiten als Stärke

Dabei betrachtet es der KPPP-Geschäftsführer durchaus als Vorteil, inzwischen ohne den Überbau eines Mutterkonzerns à la Stora Enso agieren zu können. „Beim Kunden, der selbst inzwischen viel kurzfristiger plant, wird inzwischen von uns eine schnelle Reaktionsfähigkeit erwartet.“ Vor diesem Hintergrund entpuppen sich Geschwindigkeit, Flexibilität und zügige Kommunikation, ohne auf verschiedenen Ebenen erst fünf Entscheider-Unterschriften einholen zu müssen, als Marktvorsprung: „Vom Auftragseingang bis zur Lieferung sind wir einfach schneller“, weiß Schwinn und verspürt in seinem Hause nach dem Aufbrechen monolithischer Arbeitsstrukturen zugleich eine neue Identität und Motivation.

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Nach harten strukturellen Einschnitten zum Jahreswechsel 2023/24 verziehen sich allmählich die dunklen wirtschaftlichen Wolken über dem Hagener Papierhersteller Kabel Premium Pulp & Paper (KPPP).  © Stadtredaktion Hagen | Martin Weiske

Besonders gefordert ist dabei die Vertriebsabteilung, denn im Rahmen der wachsenden Internationalisierung möchte KPPP in den nächsten Jahren 20 Prozent des europäischen Marktes mit Papieren aus Hagen-Kabel versorgen. „An einer solchen Marktdurchdringung zu arbeiten, wird zu einer echten Schlüsselaufgabe“, erinnert Schwinn daran, dass im Juni das Deutschland-Geschäft im Vergleich zum Vorjahr erneut um 21 Prozent eingebrochen sei. „Früher schlummerten wir wie eine Muräne bequem in unserer Höhle und lauerten gemütlich auf vorbeiziehende Fische, heute müssen wir wie ein Hai auf die Jagd gehen.“ Wie gesagt: Dieser Mann spricht gerne in Metaphern.