Hagen. Noch ist der Papierhersteller Kabel Premium Pulp & Paper einer der größten Arbeitgeber in Hagen. Doch die Rahmenbedingungen sind schwierig.

Angesichts des aktuell immensen ökonomischen Drucks in der Papierindustrie tritt Markus Schwinn, seit Februar neuer Geschäftsführer bei Kabel Premium Pulp & Paper (KPPP/ehemals StoraEnso) vernehmbaren Gerüchten entgegen, dem Hagener Hersteller mit seinen 550 Mitarbeitern drohe die Insolvenz. Dabei handele es sich um „geschäftsschädigende Gerüchte“, die als „Ausdruck einer ernstzunehmenden Angst oder Irrationalität“ gewertet werden müssten: „Sowohl von Gesellschafter- als auch von Managementseite wird alles unternommen, um die Papierfabrik in Kabel langfristig wirtschaftlich erfolgreich fortzuführen – auch wenn der Markt schrumpft und unbequeme Entscheidungen zu treffen wären“, betont Schwinn im Austausch mit der Stadtredaktion Hagen. Mit einer Jahresproduktionsmenge von 300.000 Tonnen ist das Werk zurzeit zu 75 Prozent ausgelastet und erzielt einen Umsatz von etwa 250 Millionen Euro.

Branche steht unter Druck

Die Papierindustrie steht zurzeit europaweit erheblich unter Druck: Die Nachfrage nach grafischen Papieren etwa für Zeitschriften, Bücher oder Prospekte ist um etwa 40 Prozent eingebrochen, während parallel Rohstoffmangel und explodierende Energiepreise sowie die anhaltenden Ungewissheiten durch den Ukraine-Krieg die Branche drücken und vielerorts zu existenziellen Problemen führen. Zumal die erheblichen Papierpreisverteuerungen dazu führen, dass viele Kunden wiederum ihre Print-Produkte einstellen und auf digitale Kanäle umstellen.

Markus Schwinn ist seit Februar 2023 Geschäftsführer bei Kabel Premium Pulp & Paper (KPPP).
Markus Schwinn ist seit Februar 2023 Geschäftsführer bei Kabel Premium Pulp & Paper (KPPP). © KPPP

„Natürlich zählen auch wir zu den energieintensiven Unternehmen und sind stark von den Energiekosten für Strom und Gas beeinflusst“, kennt der Hagener KPPP-Chef ebenfalls diese Risiken. „Umso wichtiger ist es, die Energieeffizienz (Stromverbrauch, Dampferzeugung) durch Produktionseffektivität und Energieeffizienz weiter voranzutreiben“, sieht Schwinn angesichts der bisherigen Strategie sein Unternehmen auf einem guten Weg. „Neben unserem hocheffizienten Kraft-Wärme-Gaskraftwerk, nutzen wir bereits heute die Dampfeinspeisung aus einem Biomassekraftwerk, einem Joint Venture mit der BVA/Enervie AG.“

Mit der Biomasse-Verstromungsanlage ist die Papierfabrik bei der Energieversorgung schon breiter aufgestellt als andere Mitbewerber. Und es gibt mit dem Thema Geothermie noch weitere Ideen.
Mit der Biomasse-Verstromungsanlage ist die Papierfabrik bei der Energieversorgung schon breiter aufgestellt als andere Mitbewerber. Und es gibt mit dem Thema Geothermie noch weitere Ideen. © WP | Michael Kleinrensing

Zugleich erinnerte er an das ambitionierte und innovative Geothermie-Projekt, das KPPP bereits auf den Weg gebracht und das an Bedeutung gewonnen hat: „Aus dem fast schon visionären Ansatz von vor vielen Jahren, ein Forschungs- und Pilotprojekt zur Geothermie aufzusetzen, wurde durch die veränderten Rahmenbedingungen am Energiemarkt heute ein strategisch wichtiges Vorhaben.“

Vorreiter beim Thema Geothermie

Nach wie vor sei KPPP Vorreiter in NRW, was den konzeptionellen Fortschritt zur Ausnutzung der Geothermie anbelange: „Dennoch ist ein Geothermieprojekt noch mit enormen wirtschaftlichen Risiken verbunden. Eine Bohrung bis in 4,1 km Tiefe vorzunehmen, hat nichts mit der mittlerweile zur Routine gewordenen Ausnutzung von Erdwärme im Wohnungsbau zu tun. Als mittelständisches Unternehmen sind wir bereit diesen mutigen Schritt zu gehen“, verweist er darauf, dass der Papierhersteller zur Risikominimierung hier auf staatliche Förderungen angewiesen sei – hier fehlten noch verbindliche Zusagen.

Der Blick von der Hohensyburg auf die Papierfabrik in Kabel: Hier wurden zuletzt 300.000 Tonne Papier produziert.
Der Blick von der Hohensyburg auf die Papierfabrik in Kabel: Hier wurden zuletzt 300.000 Tonne Papier produziert. © WP | Michael Kleinrensing

Nichtsdestotrotz ziehe sich das Energiethema wie ein roter Faden durch die Branche: „Wenngleich alle Partner – Papierhersteller, Verlage, Druckereien – so viel als möglich versuchen, die gestiegenen Energiekosten selbst aufzufangen, so bleibt es nicht aus, dass sich auch der Leser anteilig an den erhöhten Energiekosten beteiligen muss. Die Akzeptanz hält sich aber in Grenzen“, verweist Schwinn auf die „disruptiven Veränderungen im Printbereich“ gepaart mit massiven Auflagenrückgängen. „Natürlich trägt auch die Digitalisierung des journalistischen Contents und die Internet-basierte Werbung zu einer Schrumpfung bei, drastisch beschleunigt wurde dieser latente Veränderungsprozess aber nun durch die Energiekrise.“

Arbeit wird neu organisiert

Diesen Herausforderungen will sich KPPP offensiv und mit aller Konsequenz stellen: „Mit externer Unterstützung schaffen wir aktuell eine auslastungselastische Arbeitsorganisation im Betrieb“, so Schwinn, „die Zeiten langer, gleichförmiger Auslastungsphasen sind vorüber. Welche Flexibilisierung brauchen wir? Welche Personalstärke ist zukünftig die richtige? In welchem Bereich werden sich die Auslastungsschwankungen bewegen? Diese und ähnliche Fragestellungen diskutieren wir firmenintern ganz offen. Dies kann für den einen oder anderen Mitarbeiter zuerst einmal erschreckend wirken.“

Die Kabel Premium Pulp & Paper GmbH  verfolgt Pläne, ihren Energiebedarf noch nachhaltiger zu decken. So könnte in einigen Jahren eine Geothermieanlage Energie aus tief in der Erde verborgenem, heißen Wasser gewinnen und diese in Form von Prozessdampf zur Papiertrocknung bereitstellen.
Die Kabel Premium Pulp & Paper GmbH verfolgt Pläne, ihren Energiebedarf noch nachhaltiger zu decken. So könnte in einigen Jahren eine Geothermieanlage Energie aus tief in der Erde verborgenem, heißen Wasser gewinnen und diese in Form von Prozessdampf zur Papiertrocknung bereitstellen. © Kabel Premium Pulp & Paper GmbH | © Fraunhofer IEG

Kundenaufträge kämen inzwischen so kurzfristig, dass man als Papierhersteller praktisch auftragsbezogen produziere und schnell reagieren können müsse: „Dies führt zu stark schwankenden Auslastungen auf einem ungewohnt niedrigem Niveau. Diese Herausforderung an die Produktionsflexibilität begreifen wir zugleich als Chance. Diese Performance wird darüber entscheiden, wer langfristig als Papierhersteller erfolgreich sein wird, denn die Produkte sind zu leicht austauschbar“, weiß der KPPP-Geschäftsführer. Dabei sieht er keine Notwendigkeit, das Kernsortiment aus grafischen Premiumpapieren zu verändern, „da wir ein recht breites Spektrum abdecken“, so Schwinn. Neuer Baustein sei lediglich das klassische Buchpapier, dessen Marktanteil sich auf einem stabilen Niveau eingependelt habe.