Hagen. Dass sich Apotheker in Hagen samt Angestellten so einig sind, kam früher selten vor. Darum lehnen sie die Reform von Karl Lauterbach ab.
Es gibt ein Ziel. Eines, das die Apotheker in Hagen mit einem Augenzwinkern erwähnen. Aber eben auch eines, das für sie ein wichtiges Signal in Richtung des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach wäre. Sie sammeln Unterschriften gegen die Reform, die der SPD-Politiker plant. „13.373 sollten es mindestens sein“, sagt Christian Fehske, Inhaber der Rathaus-Apotheke. Eine mehr, als die Sozialdemokraten bei der Europawahl in Hagen Stimmen geholt haben.
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Es wäre ein Symbol. Ein starkes Zeichen. Aus einer Stadt, die - im negativsten Sinne - eine Vorreiterrolle hat. Zumindest beim Blick auf die Statistik: EU-weit liegt der Schnitt bei 32 Apotheken pro 100.000 Einwohner, in Deutschland wiederum lediglich bei 21. „Blickt man auf Hagen, so kommen wir noch auf 15“, erklärt Katharina Klaas, angestellte Apothekerin der J-Apotheken. Und das wiederum mache deutlich, dass das Apothekensterben, keineswegs ein Phänomen auf dem Lande sei. „Wir fürchten, dass Hagen der Anfang vom Ende werden kann.“
Viele Apotheker, eine Stimme
Diejenigen, die am Tisch sitzen, sprechen mit einer Stimme: Christian Fehske und sein Vater Klaus, Katharina Klaas, Mareike Flüchter, Inhaberin der Altstadt-Apotheke in Haspe, und Katja Tenzer, angestellte Pharmazeutisch-Technische-Assistentin (PTA) bei den Fehskes. Viele weitere, so sagen sie, könnten hier sitzen. Das Meinungsbild aber würde sich nicht ändern.
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Dabei gibt es viele geplante Maßnahmen, die die Reform zu einer großen Gefahr machten und das Apothekensterben (auch im ohnehin unterversorgten Hagen) weiter fördern würden und die Qualität sinken ließen. Eine aber steht besonders im Fokus. Dass Apotheken künftig ohne die jetzt noch vorgeschriebene Anwesenheit eines Apothekers betrieben werden dürfen, ist für die Apotheker ein Ding der Unmöglichkeit. Bezeichnend, dass die PTA Katja Tenzer dazu formuliert: „Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, eine Light-Apotheke zu leiten.“ Und weiter: „Mir fehlt die Wertschätzung von Seiten der Politik - nicht aber die unserer Gäste. Die spüren wir sehr wohl.“
Unterschriften werden gesammelt
Die Wertschätzung der Kunden zeige sich auch daran, dass es innerhalb kurzer Zeit schon gelungen sei, eine erkleckliche Anzahl von Unterschriften zu sammeln. „Es kommen sogar Kunden in unsere Apotheke, die nur eben unterschreiben wollen“, sagt auch Mareike Flüchter. Auch online (das ist möglich) hätten sich schon zahlreiche Bürger an der Hagener Petition beteiligt.
Dabei mag es Zeiten gegeben haben, da hätten sich die Apotheker über sinkende Mitbewerber vor Ort gefreut. Hätten gerne Angestellte und vor allem Kunden übernommen, um selbst wachsen zu können. „Das aber“, sagt Klaus Fehske, der über Jahrzehnte hinweg die Rathaus-Apotheke geführt hat, „ist längst vorbei. Wir kriegen ja heute kaum noch den Notdienst untereinander organisiert.“
Gefahr für Versorgungssicherheit
Darüber hinaus sei die Versorgungssicherheit in Hagen in Gefahr. „Denken wir nur mal an die Flut“, sagt Fehske, „was passiert, wenn eine Apotheke ausfällt? Wer kann dann noch einspringen? Was ist mit der Versorgung von Heimen? Was mit dem Methadon-Programm, an dem sich nur vier Apotheken beteiligen?“
So gibt es ein Beispiel aus einer Nachbarkommune, in der eine Apotheke geschlossen hat, die ein Pflegeheim versorgte. „Wenn wir nicht eingesprungen wären, dann hätte sie ganz ohne dagestanden“, sagt Katja Tenzer.
Apotheken in Bedrängnis
Dass immer mehr Apotheken (auch in Hagen) in wirtschaftliche Bedrängnis geraten, dass Pharmazeutisch-Kaufmännischen-Assistenten (PKA) kaum mehr als den Mindestlohn erhalten - all das hat mannigfaltige Ursachen. Eine davon: „Wir verdienen 6,35 Euro pro Rezept eines Kassenpatienten plus einen geringen prozentualen Anteil, den der Minister nun noch von drei auf zwei Prozent kürzen will“, sagt Christian Fehske, „die 6,35 Euro sind seit 20 Jahren nicht gestiegen. Inflation hin oder her.“
Hinzu kommt: Seit 1. Juni dürfen Apotheken bei Zahlungen (beispielsweise an Großhändler) kein Skonto mehr abziehen. „Das geht für viele mit einer Halbierung der Einkaufsvorteile einher“, erklärt Christian Fehske. „Es wäre für den Gesundheitsminister ein Leichtes, die bestehende Verordnung, die nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs anders ausgelegt wird, zu verändern. Der aber nutzt das Urteil vor dem Hintergrund der geplanten Reform als Druckmittel.“
Zwei Politiker hören zu
Über all das wollen die Hagener Apotheker ins Gespräch kommen. Ein Ansinnen, mit dem sie zumindest Teilerfolge erzielen konnten. Im Gesundheitsministerium beißen sie auf Granit. Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen, Abgeordneter aus dem heimischen Wahlkreis, hat über sein Büro mittlerweile schriftlich antworten lassen. Immerhin: Timo Schisanowski (SPD) habe ein offenes Ohr und sich in die Materie eingearbeitet. Gleiches gelte für Katrin Helling-Plahr (FDP), immerhin stellvertretendes Mitglied im Gesundheitsausschuss.
So wollen die Apotheker und ihre Mitarbeiter aus Hagen weiter Druck machen. Mit Zeitungsanzeigen und mit Radiospots und eben mit der Petition. Mit Aktionen, die in der Branche auch außerhalb der Stadt schon für Aufsehen gesorgt hätten. „Irgendwann“, sagt Christian Fehske, „kann sich der Minister nicht mehr länger die Ohren zuhalten.“