Hagen. Julienne Benfer (21) liefert warme Mahlzeiten an Menschen in Hagen und Region. Doch ihre Arbeit dreht sich längst nicht nur ums Essen:

Für viele Ältere im Stadtgebiet ist es ein Segen, wenn Julienne Benfer an der Wohnungstür klingelt. Die 21-Jährige fährt vormittags warme Mahlzeiten zu den Menschen, die nicht mehr selbst kochen können oder wollen. „Essen auf Rädern“ heißt dieser Service im Volksmund. Doch wer sich mit Julienne Benfer ins Auto setzt und mitfährt, der merkt schnell: Es geht längst nicht nur ums Essen.

Viele ältere Kunden

Regentropfen prasseln an diesem Morgen auf die Windschutzscheibe, als Julienne Benfer sich in ihr Auto setzt und die Tour für den Hagener Menü-Kurier beginnt. Die Namen und Adressen ihrer Kunden hat sie auf ein Blatt Papier notiert, das neben ihrem Sitz liegt. Doch dieses Blatt braucht sie eigentlich nicht. „Viele Kunden beliefere ich schon seit langer Zeit“, kennt die 21-Jährige die Routen nahezu auswendig. Zu den Stammkunden zählen meist ältere Menschen. Wenn Jüngere den Menü-Kurier rufen, dann eher kurzfristig. „Ich habe mal einen jungen Kunden beliefert, weil seine Küche kaputt war. Er hat bei uns Essen bestellt, bis die neue Küche geliefert wurde.“

„Ich habe mal einen jungen Kunden beliefert, weil seine Küche kaputt war. Er hat bei uns Essen bestellt, bis die neue Küche geliefert wurde.“

Julienne Benfer (21), Studentin, arbeitet nebenbei beim „Menü-Kurier“ - dem Familienunternehmen ihrer Mutter

Hilfe für Seniorin

Bei Ingrid Reinert funktioniert die Küche zwar noch gut, doch benutzt wird sie wenig. Denn die Seniorin kann schlecht sehen. Sie hat Grünen Star und ein Auge ist entzündet. Dankbar nimmt sie deshalb die kleine Warmhaltebox mit ihrem Mittagessen entgegen und bittet Julienne und den Reporter an ihrer Seite in die Wohnung. Seit einem Jahr kommt der Hagener Menü-Kurier mehrmals in der Woche vorbei, um Essen zu bringen. „Ich möchte selber kochen“, sagt die 83-Jährige, „aber ich kann wegen meiner Augenerkrankung nur schlecht sehen und will kein Risiko eingehen.“ Ein heißer Topf auf dem Herd kann zur Gefahr werden, zumal die Seniorin alleine lebt.

Julienne Benfer arbeitet beim Menü-Kurier in Hagen
Julienne Benfer (21) arbeitet neben dem Studium beim „Menü-Kurier“ in Hagen. Mutter und ihre Oma haben die Firma aus dem Lennetal in den 1990ern gegründet. Heute beliefert der Menü-Kurier mehrere hundert Kunden in Hagen und Umgebung. © WP Hagen | Marcel Krombusch

Unterstützung im Alltag

Früher, als sie noch besser sehen konnte, sei sie im Alltag selbstständiger gewesen. Seit kurzem schöpft sie neue Hoffnung, denn ihre Augen werden behandelt und es zeigen sich erste Erfolge. „Ich kann schon besser sehen als vorher.“ Sie ist optimistisch, dass sie nach einer Augenoperation wieder mehr Selbstständigkeit im Alltag zurückgewinnt. Julienne Benfer hört ihrer Kundin zu und lächelt.

Arbeit im Familienunternehmen

Die junge Hagenerin musste selbst früh lernen, im Alltag selbstständig zu sein. Denn den „Menü-Kurier“ hat ihre Mutter gegründet, gemeinsam mit ihrer Oma in den 1990ern. Vier Jahre danach wurde Julienne Benfer geboren. Als jüngstes von drei Kindern wuchs sie auf in einer Familie, deren Alltag von der Arbeit im Lieferbetrieb geprägt war. „Meine Mutter hat immer viel gearbeitet“, sagt die junge Hagenerin, zurück im Auto, auf dem Weg zum nächsten Kunden. Doch trotz Arbeit habe sie sich als Kind nie vernachlässigt gefühlt, sagt sie. „Ich bin stolz auf das, was meine Mutter geleistet hat.“

Offenes Ohr für Kunden

Angefangen mit einem Kunden und einem Essen, aufgewärmt in der eigenen Küche, liefert der Menü-Kurier heute rund 200 Essen pro Tag an Kunden in Hagen, Wetter und Herdecke. Leitlinie ist - wenig überraschend - die Kunden mit qualitativ gutem, heißen Essen pünktlich zu beliefern „und den bestmöglichen Service“ zu bieten. Wobei zum Service eben auch dazugehört, ein offenes Ohr für die Menschen zu haben, die sie in ihre Wohnungen lassen.

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Vielfältiger Speiseplan

Günther Pöpke wartet an diesem Morgen vor seiner Wohnungstür. Er nimmt die Warmhaltebox mit der warmen Mahlzeit entgegen. Seine Frau sei vor ein paar Jahren verstorben, sie habe früher immer gekocht, erzählt der 77-Jährige. „Jetzt nehme ich den Kochlöffel selbst in die Hand.“ Auch wenn eine gute Freundin viele Tipps gibt, ist er manchmal doch dankbar, dass ihm der Menü-Kurier das Kochen abnimmt. Dabei weiß Julienne Benfer, was sie ihm nicht mitbringen muss: Hühnerfrikassee. „Ich war früher Waffenmechaniker bei der Bundeswehr und habe mal gesehen, wie die dort Hühnerfrikassee gemacht haben - seitdem rühr‘ ich das Zeug nicht mehr an“, sagt er und lacht, ohne weiter ins Detail zu gehen.

Andreas Stöcker - Menü-Kurier Hagen
Andreas Stöcker arbeitet seit vielen Jahren beim Menü-Kurier in Hagen. Beliefert werden von der Firma sowohl Privathaushalte und Firmenkunden als auch Kindergärten. © WP Hagen | Marcel Krombusch

Lange Verträge

Beim Menü-Kurier richtet sich der Speiseplan nach den Vorgaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DEG). Fleisch, Gemüse, Fisch - das Angebot ist vielfältig. Tatsächlich wenden sich viele Angehörige erstmals an das Unternehmen, wenn sie sich um die tägliche Ernährung ihrer Lieben sorgen, wie Mitarbeiter Alexander Stöcker berichtet. Er nimmt oft Anrufe von Angehörigen entgegen. „Wir hören dann, dass sich nur noch von Broten oder aus Dosen ernährt wird“, sagt Stöcker. „Häufig buchen sie dann eine Probewoche.“

Wenn die Kunden zufrieden sind, bleiben sie sehr lang beim Menü-Kurier. „Meist werden die Verträge erst gekündigt, wenn Kunden umziehen, versterben oder in ein Pflegeheim kommen.“