Hagen. Vor wenigen Monaten sah es noch so aus, als stünden die Blau-Weißen Funken vor dem närrischen Aus. Doch das Blatt hat sich gewendet.

Noch im Januar klang alles nach Depression, Endzeitstimmung und einem Todeskampf auf Raten. Doch inzwischen sieht die traditionsreiche Karnevalsgesellschaft der Blau-Weißen Funken sich nicht bloß gerettet, sondern blickt mit einer neuen, engagierten Führungscrew sogar voller Optimismus in die närrische Zukunft. Hauptverantwortlich für diese Trendwende ist das gerade erst in einer Jahreshauptversammlung gekürte Präsidiumstrio: Neben Marcus Seegrefe an der Spitze agieren an seiner Seite als Vizepräsidium künftig seine frisch angetraute Gattin Simone Seegrefe und der Hagener Ordnungsdezernent mit kölschem Stallgeruch André Erpenbach. Wobei der neue Frontmann und seine Ehefrau, die als Gastroleiterin in der Stadthalle ihr Geld verdient, großen Wert darauf legen, mit ihren sogar im Personalausweis offiziell hinterlegten Künstlernamen „Marcus Magnus“ und „Sissi Magnus“ angesprochen zu werden.

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Was vielleicht ein wenig schrullig klingen mag, ist bei „Marcus Magnus“, der damit den Job des zuletzt amtsmüden und inzwischen auch in Werdohl lebenden Präsidenten Henning Winter übernommen hat, Ausdruck einer schon seit 33 Jahren zelebrierten Bühnenkarriere als freiberuflicher Sänger, Zauberer, Bauchredner und Veranstaltungstechniker. „Sissi Magnus“ fühlt sich derweil eher der Kunst des Schreibens in Form von Texten, Songs, Büttenreden sowie Web- und Social-Media-Beiträgen zugetan.

Spontane Idee wird Realität

Durch ihren Job in der Stadthalle, wo die Blau-Weißen ja schon seit Jahren ihre jecke Kultur pflegen und die gute Stube der Stadt bis zuletzt mit der Herrensitzung bis auf den letzten Platz gefüllt haben, war der Gastronomin richtig bewusst geworden, dass die Funken 73 Jahre nach ihrer Gründung tatsächlich akut vor dem Aus stehen. Prompt reifte im Kopf der 42-Jährigen die Idee, dass ihr Mann, der als DJ bereits bei der Herrensitzung agierte, das Format und die Energie mitbringe, den Verein mit seinen 50 Mitgliedern, einer eigenen Heimstätte an der Eugen-Richter-Straße und einer sauber geführten Kasse, aber leider fehlendem Vorstand in eine erfolgreiche Zukunft zu führen.

Die Wurzeln der Blau-Weißen Funken

Die Wurzeln des Vereins liegen ursprünglich in Altenhagen, wo die Gründungsmitglieder aus Verbundenheit zu Musik, Tanz und Fröhlichkeit anknüpfend an die Tradition von „Westfalia 1872“ in den Nachkriegsjahren eine karnevalistische Wiedergeburt aus der Taufe hoben. Aus den Hinterzimmern der Lokale und ersten Säle heraus entwickelte sich eine Erfolgsgeschichte, die sich seit der Gründung 1951 keineswegs bloß um das Tanzkorps und seine nationalen Erfolge drehte. Über Jahrzehnte setzten die Blau-Weißen Funken wesentliche Akzente im heimischen Brauchtum, was den Verein 1976 sogar zur Steuben-Parade nach New York führte.

Seit der Session 1965/66 inszenieren die Funken das Hagener Kinderprinzenpaar und verfügten unter der Leitung von Karlheinz Bardohl über einen eigenen Fanfarenzug. Die legendären Sockenbälle zur Karnevalszeit in der Ischelandhalle fanden ebenso unter Regie der Blau-Weißen statt wie ungezählte klassische Prunksitzungen. Zeitweise saßen 20 Leute im Elferrat und die jecken Programme füllten das Parkhaus am Stadtgarten, später die Stadthalle und vor allem auch die Vereinskasse.

Im Wasserlosen Tal stellte die Karnevalsgesellschaft regelmäßig vier ausverkaufte Großveranstaltungen auf die Beine: die Prunksitzung „Närrische Stadthalle“, „Herrensitzung“, „Großer Kinderkarneval“ sowie „Großer Altweiberball“. Parallel galten die Blau-Weißen als eine wesentliche Säule des Rosenmontagszuges, die neben dem Kinderprinzenpaar auch zahlreiche preisgekrönte Motivwagen und Fußgruppen kreierten.

Doch in den vergangenen Jahren kam es zum schleichenden Niedergang, bis auf die Herrensitzung liefen die übrigen Angebote zunehmend defizitär und mussten eingestellt werden. Und das ruhmreiche Tanzkorps ist letztlich während der Corona-Pandemie entschlummert, zumal die Trainerin fehlte. Doch auch auf diesem Terrain möchte das neue Präsidiums-Dreigestirn des Vereins anknüpfen. „Wir suchen nicht bloß Tänzerinnen und Tänzer, sondern auch eine Trainerin“, hofft „Marcus Magnus“ auf Interessenten, die sich auf der neuen Homepage melden.

„Ich brenne für dieses Projekt“, musste der 50-Jährige gar nicht lange überredet werden. Der einstige Prinz Markus II. aus Dortmund, der dort an dem sagenhaften närrischen Datum 11.11.11 proklamiert wurde, war schon im Kinderwagen in der Nachbarstadt Zugteilnehmer, weil seine Mutter dort als Funkemariechen und sein Vater im Fanfarenkorps agierte. „Ich habe schon karnevalistische Songs geschrieben und werde künftig sicherlich auch was für Hagen finden.“

Das neue Präsidium der Blau-Weißen Funken - „Sissi Magnus“, „Marcus Magnus“ und André Erpenbach (von vorne) - weiß die Mitglieder des Vereins hinter sich.
Das neue Präsidium der Blau-Weißen Funken - „Sissi Magnus“, „Marcus Magnus“ und André Erpenbach (von vorne) - weiß die Mitglieder des Vereins hinter sich. © WP | Michael Kleinrensing

Bei „Sissi Magnus“ dauerte die Abwägungsphase einen kleinen Moment länger. Zwar arbeitete sie einst sechs Jahre lang in der Narrenhochburg Düsseldorf, doch erlebte sie den dortigen Menschenschlag – im Gegensatz zur Kölner Seele – eher hochnäsig: „Diese Grundarroganz gefiel mir gar nicht, rund um den Dom menschelt es viel mehr“, möchte sie diese Stimmung auch in Hagen erleben. „2019 wurde bei uns eine alte Freundschaft zur Liebe“, nahm ihr heutiger Gatte sie viel mit zum Karneval, sodass sie letztlich auf den zweiten Blick mit dem närrischen Virus infiziert wurde.

Vizepräsident mit Kölner Blut

Bei dem Kölner André Erpenbach versteht sich die Affinität zum jecken Brauchtum quasi von ganz allein: „Wobei meine Mama da immer etwas zurückhaltender war, während mein Vater das voll ausgelebt hat“, erzählt der 44-Jährige, dass der Papa lange Jahre mit der Kölner Prinzengarde unterwegs gewesen sei. Und auch er selbst habe den Karneval am Rhein in vielen Funktionen unterstützt. Den letzten Anschub gab ihm sicherlich die einstige Hagener Karnevalsprinzessin Nicole Völkel, die dem noch immer wohnungssuchenden Dezernenten zurzeit Obdach am Harkortsee gewährt. „Mir geht es vor allem darum, Bewährtes weiterzuführen, neue Mitglieder anzuwerben und die stolze Tradition der Blau-Weißen Funken wiederzubeleben“, skizziert Erpenbach seine Agenda.

Die Mitglieder der Blau-Weißen Funken sind optimistisch, dass mit der neuen Führungscrew der 73 Jahre alte Karnevalsverein auch wieder eine Zukunft hat.
Die Mitglieder der Blau-Weißen Funken sind optimistisch, dass mit der neuen Führungscrew der 73 Jahre alte Karnevalsverein auch wieder eine Zukunft hat. © WP | Michael Kleinrensing
Mit ihrem neuen, 16 Meter langen Prunkwagen im Hütten-Stil wissen die Funken in jedem Zug zu beeindrucken.
Mit ihrem neuen, 16 Meter langen Prunkwagen im Hütten-Stil wissen die Funken in jedem Zug zu beeindrucken. © WP | Michael Kleinrensing

Aber es gibt noch weitere Projekte: Natürlich steht bereits der Termin und das Programm für die Herrensitzung 2025, die diesmal am Sonntag, 23. Februar, die Stadthalle füllen soll. Zudem möchten die Blau-Weißen künftig nach dem Rosenmontagszug im Hagener Ratssaal wieder eine After-Zug-Party anbieten: „Wir möchten Impulse setzen, neuen Schwung vermitteln und wieder sichtbarer werden“, setzt Erpenbach auf eine breitere Basis für den Verein.

Nicht unwesentlich zur Sichtbarkeit beitragen dürfte der neue Prunkwagen, den der Präsident aus Dortmund mitgebracht hat. Der 16 Meter lange Auflieger im Almhütten-Design, der bereits beim Hasper Kirmeszug lautstark mit rollte, ist zweigeschossig und mit aufwändiger Technik inklusive WC ausgestattet. Das imposante Vehikel stammt von einem Verein, der sich nach dem Tod des Präsidenten auflösen musste. Ein Schicksal, das die Funken auf den letzten Drücker noch abwenden konnten. Und sich vom Dortmunder „Helau“ auf das Hagener „Hagau“ umzustellen, dürfte für einen Bühnenprofi wie „Marcus Magnus“ das geringste Problem werden.

Zum Vorstandsteam rund um das Präsidiums-Dreigestirn zählen noch Martina Wippermann (Schatzmeisterin), Nicole Fabian (Kassenführerin), Ronni Werg (Schriftführer), Reinhold Weider (Kinderprinzenpaarführer), Jan Dittmer (Sprecher) sowie Nicole Völkel und Detlef Bracht (beide Beisitzer).