Hagen. Die Karnevalsgesellschaft Blau-Weiße Funken hat in Hagen eine große Tradition. Doch nach 73 Jahren droht das Aus für den Verein.

Diesen Satz wird der Herr Präsident eher ungern lesen: Nachdem die „Karnevalsgesellschaft Blau-Weiße Funken Hagen 1951“ in den vergangenen Jahren bereits ein Sterben auf Raten erleiden musste, droht dem Verein jetzt das finale Ableben. „Das klingt alles so negativ“, betont Henning Winter prompt und schiebt quasi zum Widerlegen nach, dass in seinem Verein nicht bloß die Kasse stimme, sondern dieser auch über ein solides Vereinsheim, eine eigene Wagenhalle sowie engagierte Mitglieder verfüge. Was fehle, sei eine engagierte Frontfigur, die den närrischen blau-weißen Karren mit Liebe und Leidenschaft durch die nächsten Sessionen und in eine stabile Zukunft zieht. Andernfalls gilt: Wenn sich bis zum Ende des Geschäftsjahres am 30. April niemand für die Präsidentinnen- oder Präsidentenrolle findet, wird der Verein nach 73 Jahren liquidiert.

Ich arbeite seit 25 Jahren im Vorstand, seit 14 Jahren an der Spitze, aber seit 2019 ist die Luft raus bei mir.
Henning Winter - Präsident der Blau-Weißen Funken

„Ich mache es nicht mehr“, lässt Präsident Winter (55), der inzwischen in Werdohl lebt, keinen Zweifel, dass seine Tage in dieser Rolle gezählt seien. „Ich arbeite seit 25 Jahren im Vorstand, seit 14 Jahren an der Spitze, aber seit 2019 ist die Luft raus bei mir. Doch dann kam Corona, sodass ich in diesen Krisenzeiten zunächst weitergearbeitet habe. Doch jetzt muss Schluss sein – ich kann den Verein nicht mehr nach vorne bringen“, findet er jedoch seit der Jahreshauptversammlung 2022 keine Nachfolgelösung. Zumal Vize-Vorsitzender Detlef Bracht ebenfalls schon abgewunken hat, mit seinen 69 Jahren als Perspektivkandidat in die Spitzenrolle nachrücken zu wollen: „Ich unterstütze gern, dann muss es aber auch gut sein.“

Wurzeln in Altenhagen

Donnerstagabend, Vorstandssitzung im Vereinsheim in Wehringhausen an der Eugen-Richter-Straße: Seit Jahrzehnten bildet eine ehemalige Kneipe im Haus Nr. 84 die Heimstätte der Blau-Weißen – ein Elferratsmitglied, das im gleichen Haus wohnte, organisierte einst den Schlüssel, als der letzte Wirt die Zapfhähne hochdrehte. Seitdem hat die gute Stube der Karnevalsgesellschaft nicht bloß so manche launige Sause, sondern auch reichlich Geschichte erlebt.

Die Karnevalsgesellschaft Blau-Weiße Funke galt seit Jahren als Säule des Hagener Karnevals. Doch jetzt droht dem Verein das Aus.
Die Karnevalsgesellschaft Blau-Weiße Funke galt seit Jahren als Säule des Hagener Karnevals. Doch jetzt droht dem Verein das Aus. © WP Michael Kleinrensing | KLEINRENSING, Michael

Die Wurzeln des Vereins liegen ursprünglich in Altenhagen, wo die Gründungsmitglieder aus Verbundenheit zu Musik, Tanz und Fröhlichkeit anknüpfend an die Tradition von „Westfalia 1872“ in den Nachkriegsjahren eine karnevalistische Wiedergeburt aus der Taufe hoben. Aus den Hinterzimmern der Lokale und ersten Säle heraus entwickelte sich eine Erfolgsgeschichte, die sich seit der Gründung keineswegs bloß um das Tanzkorps und seine nationalen Erfolge drehte. Über Jahrzehnte setzten die Blau-Weißen Funken wesentliche Akzente im heimischen Brauchtum, was den Verein 1976 sogar zur Steuben-Parade nach New York führte.

Garant für volle Stadthalle

Seit der Session 1965/66 inszenieren die Funken das Hagener Kinderprinzenpaar und verfügten unter der Leitung von Karlheinz Bardohl über einen eigenen Fanfarenzug. Die legendären Sockenbälle zur Karnevalszeit in der Ischelandhalle fanden ebenso unter Regie der Karnevalisten statt wie ungezählte klassische Prunksitzungen: „Zeitweise waren wir 20 Leute im Elferrat“, erinnert sich Bracht, dass die jecken Programme den Verein über das Parkhaus am Stadtgarten letztlich bis in die Stadthalle führten.

In der guten Stube der Stadt stellte die Karnevalsgesellschaft vier ausverkaufte Großveranstaltungen auf die Beine: die Prunksitzung „Närrische Stadthalle“, „Herrensitzung“, „Großer Kinderkarneval“ sowie „Großer Altweiberball“. Parallel galten die Blau-Weißen als eine wesentliche Säule des Rosenmontagszuges, die neben dem Kinderprinzenpaar auch zahlreiche preisgekrönte Motivwagen und Fußgruppen kreierten.

Herrensitzung droht das Aus

Doch in den vergangenen Jahren kam es zu einem schleichenden Niedergang. „Bis auf die Herrensitzung entwickelten sich die übrigen Stadthallentermine zunehmend defizitär“, blickt der Präsident zurück, „bei der Närrischen Stadthalle sind uns letztlich die Kunden weggestorben“. Und das Tanzkorps ist während der Pandemie-Monate auch noch entschlummert, zumal die Trainerin fehlte. Entsprechend könnte auch die Herrensitzung (Umsatz: ca. 60.000 Euro) am 4. Februar tatsächlich die letzte sein – zumindest unter Funken-Regie. Der Erlös des stets ausverkauften, zotig-zünftigen Sonntagsprogramms konnte lange die Defizite der übrigen Vereinsangebote ausgleichen, doch irgendwann kippte das Querfinanzierungskonstrukt. „Natürlich haben wir auch Investoren kontaktiert und Klinken geputzt, aber die Schere ging am Ende zu weit auseinander.“

Wenn hier der weiße Ritter durch die Tür kommt, dann kann er hier sofort weitermachen.
Detlef Bracht - Vize-Vorsitzender der Blau-Weißen Funken

80 Mitglieder halten den Blau-Weißen bis heute die Treue – ein Viertel gehört zu den regelmäßig Aktiven: „Unser Verein ist komplett lebensfähig, hat genügend engagierte Kräfte, aber wir brauchen einfach einen neuen Kopf an der Spitze“, unterstreicht Winter. „Wenn hier der weiße Ritter durch die Tür kommt“, deutet Vize Bracht auf die Pforte des Vereinsheims, „dann kann er hier sofort weitermachen. Denn nach den Straßenkarneval-Umzügen und dem Fischessen am darauffolgenden Samstag müssen wir entscheiden, ob wir in die Vorbereitung der Session 2024/25 einsteigen oder die Bücher zuklappen.“ Eine große Vereinstradition des Hagener Karnevals droht in drei Monaten ein jähes Ende zu finden.