Hagen. Jugendliche aus Hagen haben ein Video gegen Rassismus gedreht. Warum es im Signal-Iduna-Park beim BVB-Heimspiel gegen Bayern gezeigt wird.

Wenn er den Linienbus betritt, wird niemand nach dem Ticket gefragt. Nur er. Geht er dann durch den Mittelgang, beobachtet er, wie Menschen ihre Taschen vom Boden hochheben und sie auf den freien Platz neben sich stellen. Es sind subtile Zeichen, die ihm signalisieren, dass er nicht gewollt ist, dass er nicht dazugehört. Almir Murati, 21 Jahr alt, angehender Student der sozialen Arbeit, erlebt diese Momente immer wieder. Momente, in denen er sich ausgegrenzt fühlt, weil man ihm äußerlich ansieht, dass seine Eltern nicht in Deutschland geboren sind.

Almir erzählt davon. In einem Poetry-Slam, den er entwickelt hat und der den Titel „Die Rassismus-Brille“ trägt. Almir erzählt von diesen Momenten und viele andere Jugendliche und junge Menschen auch. Daraus ist ein bewegendes Video entstanden, das auf Youtube zu sehen ist. Schlicht gehalten, aber mit vielen nachhaltigen Botschaften.

Vor Zehntausenden im Stadion

Es ist auf der Onlineplattform zu sehen. Und wird demnächst vor Zehntausenden Menschen gezeigt. Im Signal-Iduna-Park, dem größten Stadion der Fußball-Bundesliga beim Heimspiel von Borussia Dortmund gegen Bayern München. Denn das Video hat beim Wettbewerb des BVB-Lernzentrums „Heimspiel für Zivilcourage“ (gefördert durch die BVB-Stiftung und Signal Iduna) den ersten Platz belegt.

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Ein Wettbewerb, der im fünften Jahr stattfindet und zu dem rund 40 Beiträge eingereicht worden sind. „Ganz ehrlich - als ich dieses Video gesehen habe, da stand mir das Pipi in den Augen - absolut glaubhaft, absolut authentisch, mit klaren Botschaften. Und das, ohne sofort zum Gegenangriff zu blasen“, sagt Johannes Böing, Diplom-Pädagoge und Leiter des Lernzentrums, das offiziell beim Fanprojekt des BVB - einem eigenständigen Verein - angedockt ist. „Jedes Jury-Mitglied hat am Ende die volle Punktzahl gegeben. Das war ein Novum.“

Strahlkraft macht Botschaft größer

Böing lobt den Einsatz der Jugendlichen - viele mit Migrationsgeschichte -, die sich unter Leitung von Gandhi Chahine (Musicoffice Hagen) in der Gruppe „Lichter der Großstadt“ immer wieder mit gesellschaftlich relevanten Themen beschäftigen. „Durch die Strahlkraft des BVB können wir dieses tolle Engagement noch ein Stück größer machen.“ 15 Jugendliche werden beim Heimspiel gegen die Bayern zugegen sein. Ihr Beitrag wird gezeigt, sie werden geehrt, sie werden interviewt.

Lernzentrum unter der Südtribüne

Das BVB-Lernzentrum im Signal-Iduna-Park ist eine Initiative des Fan-Projekts Dortmund e.V..

Es befindet sich unterhalb der Südtribüne, nur wenige Meter von jenem Ort entfernt, an dem an Spieltagen über 25.000 Menschen Borussia Dortmund anfeuern.

Das Lernzentrum sieht sich selbst als „außerschulischen Lernort Stadion“, dass  ein vielfältiges und spannendes Jugendbildungsangebot zur Verfügung stelle und so der gesellschaftlichen Verantwortung des Massenphänomens Fußball nachkomme.

In Workshops werde „die Faszination Fußball, die besondere Stadionatmosphäre und die Strahlkraft von Borussia Dortmund genutzt“, um Jugendliche für ein soziales Miteinander ohne jegliche Form von Diskriminierung zu sensibilisieren.

Lilly, eine Halbiranerin, die die zehnte Klasse am Fichte-Gymnasium besucht, zählt zu jenen, die unter der Leitung von Jean-Luc Burkhardt beim Filmprojekt mitgearbeitet haben. „Auch ich werde in der Schule immer wieder mit dem Herkunftsland meiner Großeltern konfrontiert und werde aufgefordert, mich zu äußern - zum Beispiel, wenn es darum geht, ob der Iran nun Atombomben entwickelt. Dabei bin ich hier geboren und war selbst noch nie im Iran.“ Ihre Mutter sei beim Elternsprechtag das Wort Notenspiegel erklärt worden - „dabei ist sie selbst Lehrerin“.

Kleine Stiche werden zu einer großen Wunde

Erfahrungen, die Almir Murati teilt: „Wir wollen diese Rassismus-Brille ja nicht“, sagt der junge Mann, der in Hagen geboren ist, am Käthe-Kollwitz-Berufskolleg gerade sein Abi macht und dessen Eltern aus dem Kosovo stammen. „Ich versuche, mich zu positionieren, selbst Dinge zu hinterfragen. Aber wir erleben Rassismus in unterschiedlichster Form überall. Das sind viele kleine Stiche, die irgendwann zu einer großen Wunde werden können.“