Hagen. Rassismus in Hagen: Über Erfahrungen mit Behörden, über Ängste und wie daraus ein Projekt und eine Ausstellung geworden sind.
Erst einmal an die eigene Nase packen: Und da fällt jenen, die sich in der Gemeinde St. Elisabeth im Klosterviertel und beim Stamm Don Bosco in Dahl im Süden von Hagen für die Pfadfinder engagieren, eines sofort auf: Der Anteil derjenigen, die in ihren Reihen eine Migrationsgeschichte haben, ist doch sehr überschaubar.
Aber hat das schon etwas mit Diskriminierung durch institutionellen Rassismus zu tun? Zumindest diese Frage einmal aufzuwerfen, ist für Rebecca Berger-Fischer, selbst Pfadfinderin und im Beruf Bildungsreferentin beim Bund der Katholischen Jugend (BDKJ), wichtig.
Es gibt vielleicht nicht die eine Antwort. Aber es gibt Antworten. Bei einer Ausstellung im Kultopia, die dieses Thema, institutioneller Rassismus, in den Vordergrund rückt (Eröffnung: Freitag, 21. April, 17 Uhr). Da haben jene das Wort, die sich wie die beiden Pfadfinder-Stämme in ihren Gruppenstunden mit der Thematik auseinandergesetzt haben. Aber vor allem diejenigen, die, wie die Jugendlichen, die im Jugendkulturzentrum an der Konkordiastraße ein und ausgehen und mit Musiker und Sozialarbeiter Gandhi Chahine einen Förderer und Freund an ihrer Seite haben, von institutionellem Rassismus betroffen sind. Wenn zum Beispiel der Mitarbeiter auf dem Amt nur noch in Satzfragmenten spricht, nur weil sein Gegenüber ein Kopftuch trägt.
Rassismus durch Institutionen im Fokus
„Rassismus, der durch Institutionen vorangetrieben wird, rückt mehr in den Fokus“, sagt der freie Fotograf Christof Becker, der neben dem BDKJ, der Fachhochschule Dortmund und dem Kultopia an dem Projekt beteiligt war und es künstlerisch umgesetzt hat, „das hat auch mit der Black-Life-Matters-Bewegung in den USA zu tun. Wir wissen heute: Diskriminierung kann von Institutionen ausgehen – und das muss längst nicht immer mit der Polizei zu tun haben, von der in den USA immer wieder die Rede ist.“
Dabei war es Rebecca Berger-Fischer, Christof Becker, Tim Fellmeden (Vorstand BDKJ) und Christian Peters (Dekanatsreferent Bildung und Jugend) wichtig, nicht nur theoretisch zu arbeiten. „Wir haben ein mobiles Fotostudio aufgebaut, haben Szenen mit Jugendlichen nachgestellt, die in der Ausstellung neben Portraits mit Statements gezeigt werden“, sagt Becker. „Dazu gibt es viele Infotafeln, die aus wissenschaftlicher Sicht einen Blick auf Rassismus werfen.“
Verhaltensregeln für die Polizeikontrolle
Über ein Jahr haben Rebecca Berger-Fischer, Christof Becker, Tim Fellmann und Christian Peters mit Jugendlichen gearbeitet. „Dabei erlebt man auch immer wieder Überraschendes“, sagt Becker, „wenn einem zum Beispiel ein Yasin, ein farbiger Jugendlicher, erzählt, dass er noch nie von Rassismus betroffen gewesen sei und sich letztlich im Gespräch herausstellt, dass er vieles, was ihm widerfahren ist, gar nicht als Rassismus wahrgenommen hat.“ Seine Mutter hatte ihm Verhaltensregeln mit auf den Weg gegeben, für den Fall, dass er einmal in eine Polizeikontrolle geraten sollte. In solchen Verhaltensmustern sehen die Organisatoren die Sorge vor unbewussten Rassismus.
Aber die Projekt-Organisatoren haben sich auch mit der eigenen Institution beschäftigt. „Dass bei uns kaum Migranten-Kinder Mitglied sind, hat ja Gründe“, sagt Rebecca Berger-Fischer mit Blick auf die Pfadfinder. „Wir schreiben uns zwar auf die Fahnen, dass wir für alle offen sind. Aber vielleicht hält einige der katholische Hintergrund ab. Oder der Mitgliederbeitrag, den wir erheben, und der für Familien mit mehreren Kindern einfach zu hoch sein mag.“ Hinzu käme, dass es in Hagen in Boele, im Klosterviertel, in Dahl und in Hohenlimburg vier Pfadfinderstämme gebe. Aber eben nicht mitten in einem der Quartiere, in denen der Migrantenanteil besonders hoch sei. „Muslimische Kinder und Jugendliche kommen nicht zu uns“, sagt Berger-Fischer selbstkritisch. „Die erreichen wir nicht einmal.“
Weitere Infos zum Projekt, das durch die Aktion Mensch gefördert wurde: www.bdkj-gegenrassismus.de