Hagen. Traurig: Die amerikanische Roteiche am Hengsteysee kennt jeder. Weil der Fuß- und Radweg verlegt wird, sagt die Stadt Hagen, der Baum müsse weg.
Traurig. Gibt es keine Rettung? Das wird mit Sicherheit viele Hagener im wahrsten Sinne des Wortes auf den Baum bringen: Die mindestens 110 Jahre alte Amerikanische Roteiche am Hengsteysee wird gefällt.
Ausbau des Ruhrtalradweges ist beschlossen
Als Grund gibt die Stadt den durch den im Juni 2022 im Rat beschlossenen Ausbau des Ruhrtalradweges an, und für diese Maßnahme steht der 16 Meter hohe Baum schlichtweg im Weg. Schon heute sei die Wegetrasse im Umfeld des Hengstey-Freibades durch eine hohe Auslastung zahlreicher Nutzer geprägt und führe an sonnigen Tagen zu hohem Konfliktpotential. Der Weg solle ausgebaut werden, um die Qualität am See zu verbessern.
Prägnanter Standort mitten auf dem Rundweg
„Zum Ausbau des neuen Fuß- und Radweges im Bereich des Kanu-Clubs Hagen muss die Amerikanische Roteiche entfernt werden. Sie ist durch ihren prägnanten Standort mitten auf dem Weg stadtbekannt. Daher gab es natürlich die Überlegung, den Baum zu erhalten“, sagt Baudezernent Hennig Keune. Der Baum stelle allerdings bereits aktuell schon eine verkehrliche Behinderung für Radfahrer und Fußgänger auf der Trasse dar. Jedes Jahr käme es zu Unfällen in diesem Bereich, die auf die mangelnden Platzverhältnisse der Verkehrsteilnehmer zurückzuführen seien. Aufgrund der verkehrlichen Mindeststandards des künftigen Rad- und Fußweges gäbe es keine adäquate planerische Lösung zum langfristigen Erhalt des Baumes an diesem Standort.
Insellösung würde zu Schäden an den Wurzeln des Baumes führen
„Eine Insellösung für den Baum hätte zu erheblichen Mehrkosten geführt“, erklärt Henning Keune. Und weiter: „Zudem hätten die unbedingt notwendigen Erdarbeiten in diesem Bereich trotz der Insellösung zu Schäden an den Wurzeln des Baumes geführt. Das hätte der Baum vermutlich langfristig nicht überlebt.“
Alternativen wären zu teuer geworden
Nils Böcker, Fachleiter Verkehrssicherung städtische Bäume und Gebäude beim Wirtschaftsbetrieb Hagen (WBH) - der WBH wurde von der Stadt Hagen beauftragt, ein Gutachten zur Stand- und Bruchsicherheit der Roteiche zu erstellen - bestätigt, dass man nach Alternativen, den Baum zu retten, gesucht habe, „aber die wären zu teuer geworden. Das Ufer des Sees hätte aufgeschüttet und die Ufervegetation gerodet werden müssen“.
WBH hat Gutachten erstellt
Was Regelkontrollen im Vorfeld und das im Juni 2023 erstellte Gutachten ergeben haben? Der Baum ist durch eine pilzbedingte Holzfäule geschädigt, und diese Fäulnis führt zum Holzabbau und damit zur Reduktion des Stammquerschnittes. Durch eine Bohrwiderstandsmessung wurde ermittelt, dass die Last der Krone bei entsprechender Windstärke durchaus vom Baum getragen werden kann, sprich, der Baum noch stabil ist. Wenn allerdings Wurzelteile bzw. der halbe Wurzelballen entfernt werden, kommt es zu Problemen: „Wenn im Bereich der Wurzelrotationsplatte gebaut wird, also der Fuß- und Radweg umgelegt wird, führt das zu einer schnelleren Holzzersetzung und die Standsicherheit verringert sich“, so Nils Böcker.
Grüne greifen Thema im Umweltausschuss auf
Heike Heuer, Ratsmitglied der Grünen und Mitglied im Ausschuss für Stadtentwicklung, Beschäftigung und Wirtschaft, ist entsetzt über die Entscheidung, dass die Amerikanische Roteiche im Zuge der Entwicklung des Seeparks gefällt wird. „Der Baum ist erhaltenswert, er ist stadtbildprägend und verdient Rücksicht. Die Hagener lieben den Baum“, sagt Heike Heuer mit empathischer Stimme. Sie fordert von der Verwaltung, wirklich alle Möglichkeiten zur Rettung der Amerikanischen Roteiche zu prüfen. Im Umweltausschuss am 6. Februar werden die Grünen das Thema nochmal aufgreifen.
Roteiche kann bis zu 400 Jahre alt werden
Die Roteiche, auch Amerikanische Spitzeiche genannt, ist in Nordamerika verbreitet. Sie wächst als sommergrüner Baum und erreicht meist Wuchshöhen von 20 bis 35 Metern. Sie kann bis zu 400 Jahre alt werden und dabei einen Stammdurchmesser von bis zu zwei Metern erreichen. Sie ist überaus schnellwüchsig und hat eine runde Baumkrone. Die Rinde junger Roteichen ist grau und glatt; später wird eine dünnschuppige Borke gebildet.
In Mitteleuropa wird die Roteiche seit Anfang des 18. Jahrhunderts aufgrund ihrer attraktiven Blattform und ihrer schönen Herbstfärbung häufig als Park- und Alleebaum angepflanzt. Sie eignet sich allerdings nicht als Straßen- oder Platzbaum, da ihre Wurzeln bei verdichteten Böden Asphalt- und Plattenbeläge anheben. Im Vergleich zu den in Mitteleuropa heimischen Eichenarten ist die Roteiche resistenter gegen Schädlinge und schattenverträglicher.
Fördermittel im Visier
Heinz-Dieter Kohaupt, Bezirksbürgermeister Nord, sieht die Sache anders: „In unserer Sitzung am 24. Januar haben wir die Mitteilung über die Fällung der Roteiche zur Kenntnis genommen. Wenn der Baum nicht gefällt würde, würde das schließlich das gesamte Ruhrtalprojekt sowie die Fördermittel gefährden“.
Auch interessant:
- Wer leitet demnächst das Osthaus-Museum? „Top 5“ steht fest
- Erschreckend: Futtern Hagener eigentlich nur noch Süßkram?
- „Vegane Ecke“ in Tankstellen: Das sagen Kunden in Hagen
- Mett- und Matschbrötchen vor dem Einzug in die Penny-Kita
- Hausmannskost nein danke? Von wegen!
- Sanitätshaus Riepe: Ein spannender Rundgang durch die Manufaktur
- Westfalia: Jetzt steht fest - der Markt in Hagen schließt
- Neue Chefs fürs Theater Hagen: Bald fallen Entscheidungen
Apropos Fördermittel: Seit Anfang des Jahres liegt der Stadt der Bescheid über die Förderung der Maßnahme „Qualifizierung des Ruhrtalradweges am Hengsteysee in Hagen im Zuge der IGA 2027“ vor.
Mit einer Fördersumme von knapp 1,5 Millionen Euro (1. 490. 000 Euro) erhält der 900 Meter lange Abschnitt des Ruhrtalradweges zwischen Laufwasserkraftwerk und DLRG am Südufer des Hengsteysees eine getrennte Wegeführung für Fußgänger und Radfahrer, drei neue Rastplätze sowie eine weitestgehend neue Wegedecke.
Fällzeit endet am 29.Februar
Und die Amerikanische Roteiche? „In diesem Jahr darf bis zum 29. Februar gefällt werden, dann endet die Fällzeit“, so Nils Böcker vom WBH. Hagenerinnen und Hagener, die „ihren Baum“ noch einmal sehen wollen, haben dazu also vermutlich noch maximal einen Monat Zeit.