Ennepetal. Der Soli-Flüchtlings-Fonds Ennepetal blickt auf zehn Jahre Flüchtlingshilfe zurück. Warum er heute nicht mehr allen Geflüchteten hilft.
„Wenn es nicht auch Positiv-Beispiele gäbe, würde ich es heute nicht mehr machen“, sagt Günter Braselmann. Er gehört zur Sprechergruppe des Soli-Flüchtlings-Fonds Ennepetal (SFF), einem Kreis von Bürgerinnen und Bürgern, die in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirchengemeinde Voerde Geflüchteten in der Klutertstadt helfen. Der SFF wird 2025 zehn Jahre alt, die Frage war, ob er mit dem Wissen von heute den Fonds noch einmal gründen würde. Braselmann schiebt aber hinterher: „Bei aller Kritik überwiegt das Positive.“
Kritik heißt in diesem Fall, dass er und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter beim SFF nach bald zehn Jahren Flüchtlingshilfe um einige Erfahrungen reicher sind und wissen, wie schwierig Integration sein kann. Zum Beispiel, wenn die deutsche Bürokratie im Wege steht, aber auch wenn Geflüchtete mit falschen Erwartungen und einer Anspruchshaltung nach Deutschland kommen. Darüber reden Günter Braselmann, Bruno Hessel, Karl-Heinz Henkel und Ute Höfig im Gespräch mit der Redaktion ganz offen.
Sie wissen, dass die Stimmung gegenüber Geflüchteten seit 2015 rauer geworden ist. Damals wie heute hat auch nicht jeder Verständnis für die Arbeit des SFF. „Viele denken, Geflüchtete werden überversorgt und machen uns Probleme“, sagt Günter Braselmann. Sie wissen aber auch, dass viele dieser Menschen dankbar sind, in einer Demokratie und in Frieden leben zu können und dass es sich lohnt, ihnen unter die Arme zu greifen. Auf sie konzentriert sich der SFF heutzutage besonders. Spendengelder vergibt die Gruppe alles andere als leichtfertig.
Geld als Spende und Darlehen
Hilfe vom SFF bekam jüngst zum Beispiel eine junge, dreiköpfige Familie aus Syrien, deren Wohnung auf Homberge ausbrannte und die vom einen auf den anderen Tag ohne Wohnung, Hausrat und Kleidung dastand. „Wir bekamen eine Anfrage vom Sozialamt, ob wir kurzfristig ,finanziell einspringen‘ können“, schildern die Flüchtlingshelfer. „Das tun wir dann unbürokratisch und schnell.“ Einen Teil der finanziellen Unterstützung bekam die Familie als Spende, einen Teil als Darlehen oder wie es beim SFF heißt: Leihe. Ein mittlerweile bewährtes Prinzip beim Flüchtlingsfonds. Es geht aber auch um ganz alltägliche Hilfen, die Finanzierung von zu beschaffenden Dokumenten oder die Vorbereitung auf „Interviews“ vor einer Einbürgerung.
Wer Hilfe bekommt und wie viel, darüber entscheidet ein sogenanntes Vergabe-Gremium, das genau darauf schaut, wo das Geld hingeht. Dabei geht es auch um Transparenz für die Spenderinnen und Spender. Das Credo lautet von Beginn an „Hilfe zur Selbsthilfe“.
Lesen Sie auch:
- Elektronische Patientenakte: „Alles übers Knie gebrochen“
- Grundsteuer: Schwelm entscheidet nochmal neu
- Schwelmer Mordprozess: Mörder geht gegen sein Urteil vor
- Gevelsberg: So soll die neue Fußgängerzone aussehen
Der SFF entstand am 2. Oktober 2015, gegründet von Ennepetaler Bürgerinnen und Bürgern und unterstützt von der Evangelischen Kirche und vom Kinderschutzbund. Ziel: Das Ankommen und die Integration von Geflüchteten zu begleiten. Am Anfang stand die Unterstützung der sprachlichen Integration durch ein erweitertes Angebot von Sprachkursen. Später lag der Schwerpunkt mehr in der Hilfe bei der Vermittlung in Beschäftigung und Ausbildung. Dazu beitragen soll auch die Fahrradwerkstatt, die der SFF zweimal im Monat im Haus Ennepetal unter Leitung von Günter Braselmann betreibt. Geflüchtete können dort Fahrräder reparieren, dabei Deutsch lernen und sich so integrieren. Soweit die Idee.
Behörden-Ärger und Anspruchsdenken
Geht es hinterher aber an die Vermittlung in Lohnarbeit, wird es schwieriger, wie Günter Braselmann, Bruno Hessel, Karl-Heinz Henkel und Ute Höfig berichten. „Ich habe jemanden mal zur Probearbeit in einem Handwerksbetrieb vermittelt“, erinnert sich Günter Braselmann noch gut. „Nach dem Urlaub sollte derjenige dort auch anfangen, aber er kam nicht.“ Als er den Mann zur Rede gestellt habe, habe er zu hören bekommen, dass sich Arbeit für den Mindestlohn nicht lohnen würde, da ihm sonst Sozialleistungen gestrichen würden. „Es gibt ein Versorgungs- und Anspruchsdenken bei Menschen“, erklärt Bruno Hessel dazu und sagt mit Blick auf die Hilfe vom SFF klipp und klar: „Wenn Leute nicht willig sind, kriegen sie keinen Cent.“
Für Frust sorgt aber auch, wenn eine Arbeitsvermittlung an Vorschriften von Behörden scheitert. Das Wichtigste sei, Geflüchtete sofort in Arbeit zu bringen, sagt Karl-Heinz Henkel und beruft sich dabei auf die Migrationsforschung. Das klappe in einem bürokratischen Staat wie Deutschland aber nicht. Auch wenn die Zusammenarbeit mit der Stadt Ennepetal sehr gut laufe, wie Bruno Hessel betont. Es ist ein Spannungsfeld, in dem sich der Soli-Flüchtlings-Fonds Ennepetal bewegt.
Für die Zukunft würde sich das SFF-Team von der Stadt Ennepetal wünschen, dass sie mehr mit Unternehmen in Kontakt tritt, um die Vermittlung von Geflüchteten in Arbeit zu unterstützen, und vielleicht sogar eine Lehrwerkstatt für verschiedene Berufsfelder schafft, um ihnen die nötigen Kenntnisse zu vermitteln, erklärt Ute Höfig. Der SFF möchte auch in Zukunft seinen Teil beitragen und Geflüchteten, die es zu schätzen wissen, helfen. „Wenn wir in die Gegenwart und Zukunft schauen, könnte man schon mal versucht sein, ins Lager der Bedenkenträger zu wechseln“, heißt es in einem Schreiben des Flüchtlingsfonds an Mitarbeitende, Sponsorinnen und Sponsoren sowie Freunde und Freundinnen. „Aber für uns gilt eigentlich seit unserer Gründung: Die Zukunft ist nichts für Feiglinge.“