Schwelm. Kaum Personal, zu viele Einsätze: Als neuer stellvertretender Leiter der Feuerwehr Schwelm steht Oliver Dag vor schwierigen Aufgaben.

Oliver Dag ist der neue stellvertretende Leiter der Freiwilligen Feuerwehr Schwelm und damit auch der gesamten Feuerwehr Schwelm. Das hat der Stadtrat in seiner jüngsten Sitzung beschlossen. Während viele Feuerwehrleute auf den Besucherplätzen im Rathaus zuschauten, gingen die Hände alle Ratsherrinnen und Ratsherren für den bisherigen stellvertretender Wachleiter nach oben. 42 Ja-Stimmen. Ein einstimmiges Votum, Applaus aus dem Zuschauerraum. Damit haben Stadt und Politik ein wichtiges Zeichen für die Schwelmer Feuerwehr gesetzt. Denn die steht seit Monaten vor großen Herausforderungen.

Herausforderungen, die sich kurz und bündig in etwa so zusammenfassen lassen: kein Personal, immer mehr Einsätze, kein Nachwuchs und kein Chef. Der oberste Schwelmer Feuerwehrmann Matthias Jansen ist seit mehr als einem Jahr erkrankt. Seitdem lastete die Verantwortung vor allem auf den Schultern des stellvertretenden Wehrleiters Markus Kosch - und das ehrenamtlich. Denn im bezahlten Job ist der Diplom-Ingenieur und Diplom-Wirtschaftsingenieur Geschäftsführer der AVU Netz GmbH, alles andere als ein Nebenjob.

Durch sein neues Amt ist es Oliver Dag nun möglich, das gesamte Aufgabenspektrum von Feuerwehrchef Matthias Jansen zu übernehmen und Markus Kosch noch stärker zu entlasten als bisher. Damit schafft Schwelm eine Struktur für ihre Feuerwehrführung, wie es sie auch in anderen vergleichbaren Kommunen, beispielsweise in Gevelsberg und Ennepetal gibt - mit zwei offiziellen Stellvertretern für den Feuerwehrchef, einem aus dem Haupt- und einem aus dem Ehrenamt.

13.552 Überstunden im Jahr 2023

Oliver Dag kann sich bei seinen künftigen Aufgaben der vollen Rückendeckung seiner Kameradinnen und Kameraden gewiss sein. „Kritik oder Widerstände seitens der Feuerwehr gegen eine Amtswahrnehmung wurden nicht geäußert“, erklärt die Schwelmer Stadtverwaltung. Und auch Kreisbrandmeister Dennis Wichert spricht seine Empfehlung aus: „Die fachliche und persönliche Eignung liegt vor.“ Wie lässt sich die Sicherheit der Schwelmer Bevölkerung auch in Zukunft weiter gewährleisten, während die Bedingungen für die Feuerwehr immer schwieriger werden? Es ist diese große Frage, die Dag im Schulterschluss mit Markus Kosch und natürlich dem gesamten Team der Feuerwehr beantworten muss.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Feuerwehr leisteten im Jahr 2023 insgesamt 13.552 Überstunden, wie auf der Jahreshauptversammlung zu erfahren war. In den Reihen der Feuerwehren in Deutschland gibt es unglaublich viele freie Stellen. Die guten Kräfte können sich aussuchen, wo sie arbeiten. Größere Kommunen locken die Feuerwehrleute gleichzeitig mit einem anderen Gehaltsgefüge, die Fluktuation in Schwelm und anderen Kleinstädten ist dementsprechend hoch. Würden nicht eh schon immer wieder ehrenamtliche Kräfte Aufgaben übernehmen und die Unterbesetzung kompensieren, sähe es noch düsterer aus.

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Dazu kommt, dass im vergangenen Jahr mit 755 Einsätzen zwar nicht ganz die enorme Zahl von 786 aus dem Jahr 2022 erreicht wurde, aber etwa 200 Einsätze mehr anfielen, als noch vor zehn Jahren. Die Zahl der Einsätze steigt also auf lange Sicht gesehen. Die Folgen hatte Markus Kosch ebenfalls während der Jahreshauptversammlung skizziert: „Die extrem hohe Belastung des hauptamtlichen Personals im Wechselschichtdienst führt zu einer hohen Krankenquote, zu schlechter Stimmung, zu Konflikten zwischen Ehren- und Hauptamt, zu Konflikten bei der Abwägung der Wichtigkeit zwischen Brandschutz und Rettungsdienst und zu einer erheblichen Personalfluktuation, ich könnte auch Aderlass sagen“

Neues Personal soll kommen

Die Stadt Schwelm versucht, der angespannten Lage entgegenzuwirken, wie im Zuge der jüngsten Ratssitzung zu erfahren war. Schwelms Zweiter Beigeordneter Marcus Kauke erklärt, dass der Regionalverband Ruhr-Lippe der Johanniter-Unfallhilfe die Besetzung eines Notfalleinsatzfahrzeuges ab dem 1. Juli übernehmen werde. Es sei zudem beabsichtigt, besagtes Notfalleinsatzfahrzeug zum Jahreswechsel an den Ennepe-Ruhr-Kreis abzugeben. Mit der Fremdbesetzung und Abgabe des Fahrzeugs sei keine Aufgabe von Personal verbunden. Vielmehr würde so die Möglichkeit geschaffen, mit dem vorhandenen Personal die erforderlichen Funktionen im Brandschutz und Rettungsdienst zu besetzen und der Unterbesetzung im Wachbetrieb entgegenzuwirken.

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Dies werde in einem weiteren Schritt zum 1. Oktober 2024 gelingen, wenn vier Brandmeister-Anwärter erfolgreich ihre Prüfungen abschließen und im Brandschutz und auf dem Rettungswagen eingesetzt werden könnten, so Kauke weiter. Zeitgleich beginne zum 1. Oktober 2024 der neue Grundausbildungslehrgang mit sechs Schwelmer Teilnehmern. Für April 2025 seien weitere fünf Ausbildungsplätze reserviert.

Es hätten zudem Auswahlgespräche für zwei Ausbildungsplätze als Notfallsanitäterin/Notfallsanitäter stattgefunden, die zum Jahresende beginnen würden. Auch für nächstes Jahr seien zwei Ausbildungsplätze vorgesehen. Wenn es gelänge, auch Quereinsteigende zu gewinnen, werde sich die Personalsituation weiter entspannen, erklärte der Beigeordnete.

Geld für Modernisierung

Darüber hinaus ist bereits eine nagelneue Drehleiter für eine Million Euro angeschafft worden, die Feuerwehrgerätehäuser am Winterberg und in Linderhausen werden ebenso neu gebaut wie die Hauptwache. Dazu kommen neue Ausrüstungsgegenstände, Einsatzkleidung und viele weitere Dinge, die neu beschafft wurden und noch werden sollen.

Auch das soll dabei helfen, die Arbeit bei der Feuerwehr Schwelm attraktiv zu gestalten. Damit der neue stellvertretende Leiter der Feuerwehr Schwelm, Oliver Dag, und sein ehrenamtliches Pendant Markus Kosch weiterhin ein starkes Team haben, das mit ihnen die Herausforderungen meistert und die Stadt Schwelm sicher hält - so lange bis hoffentlich auch Feuerwehr-Chef Matthias Jansen wieder in den Dienst zurückkehren kann und sich die Situation in der Führungsebene ebenso entspannt.