Menden/Garbeck. Ein Mann aus Garbeck soll ein anstößiges Video aus einer Chatgruppe unbedarft an einen Bekannten geschickt haben. Am Amtsgericht gibt‘s Zweifel.
Wie anonym ist die Kommunikation übers Internet? Diese Frage steht am Amtsgericht Menden nun im Mittelpunkt einer Verhandlung gegen einen Mann aus Garbeck. Der soll Anfang 2022 kinderpornografische Inhalte an einen Bekannten verschickt haben – vor Gericht stellt sich der Fall allerdings nicht so einfach dar, wie zunächst vermutet.
Schnappschüsse für einen Angelkumpel
Ein Kettenbrief, der über den Messengerdienst Whatsapp auf dem Handy landet. So weit, so normal. Ein witziges Bildchen, das ein guter Freund unbedarft mit wenigen Klicks verschickt. Am Amtsgericht Menden muss sich nun ein Garbecker verantworten, der so wohl ein kinderpornografisches Video verschickt hat. Die Begründung dafür sorgt zumindest bei Amtsrichter Martin Jung für Stirnrunzeln. Aber der Reihe nach.
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April 2022. Die Corona-Pandemie hat Deutschland und den Rest der Welt fest im Griff. Kontakt halten viele Menschen zu Freunden und Familie über digitale Medien. Facebook, Instagram, Whatsapp. Die Chatfunktionen werden vielfach genutzt. So auch von einem Mann aus Garbeck. Der 46-Jährige soll über den Facebook-Messenger ein Video mit fragwürdigem Inhalt verschickt haben. Dabei sei das alles eigentlich nur Zufall gewesen. Denn eigentlich habe er seinem Angelkumpel lediglich ein paar Schnappschüsse des letzten Ausflugs senden wollen. „Mit der Scroll-Geste muss ich das Video aus Versehen mitgeschickt haben“, sagt der Garbecker vor Gericht. „Ich hab‘ eigentlich nur die Bilder der Teichanlage ausgewählt.“
Whatsapp-Gruppe soll Ursprung des Videos sein
Doch wie genau die Datei überhaupt auf dem Smartphone des Angeklagten gelandet sei, das erstaunt dann auch den vorsitzenden Richter. „Ich bin von einem Bekannten immer wieder in eine Whatsapp-Gruppe hinzugefügt worden – dabei wollte ich das gar nicht.“ Und in eben jener Gruppe müsse dann auch das geschmacklose Video geteilt worden sein. Eine Durchsuchung bei dem 46-Jährigen hingegen zeigt: System hat das Ganze wohl nicht. Denn weder auf dem Handy noch auf einem Privatrechner seien weitere Fotos oder Videos gefunden worden. „Er hat das alles nicht bewusst gemacht“, betont der Verteidiger.
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Gleichwohl liegt ein Problem sprichwörtlich im Kleingedruckten. Denn vor Gericht geht es in solchen Fällen vor allem um digitale Spuren – sofern Opfer nicht ausfindig gemacht werden können. Der Auswertungsbericht der Polizei listet das Video zudem nicht nur als gesendet über den Facebook-Messenger des Angeklagten, sondern auch im Whatsapp-Verlauf. Eine Erklärung dafür hat der jedoch nicht. „Das ist schon etwas merkwürdig – und dann auch noch über zwei verschiedene Dienste“, merkt der vorsitzende Richter an. Ob – und vor allem an wen – der Garbecker das Video noch verschickt hat, bleibt am Ende jedoch ungeklärt. „Daran kann ich mich nicht mehr erinnern, das ist Jahre her“, betont der Forstarbeiter. Auf der anderen Seite deuteten Bilder mit Hitler-Vergleichen für das Gericht darauf hin, „dass Ihr Mandant ein Mann mit merkwürdigem Humor“ sei, so der Richter.
„Das ist schon etwas merkwürdig – und dann auch noch über drei verschiedene Dienste.“
Die Vorführung des Videos bleibt Gericht und Zuschauern schlussendlich erspart. Ohnehin hätten Prozessbeobachter dann wohl den Saal verlassen müssen. Andernfalls würde sich selbst der vorsitzende Richter schuldig bei der Verbreitung der Dateien machen. „Durch die Einlassung des Angeklagten sehe ich mich dazu nicht veranlasst“, so Martin Jung. Dabei macht er dem Garbecker dennoch mehr als deutlich, dass das Versenden solcher Bilder und Videos beileibe keine Kleinigkeit mehr ist. „Diese Videos bleiben ein Leben lang im Netz und verfolgen die Kinder.“
Für sprichwörtlich große Augen auf der Anklagebank sorgt dann vor allem das Plädoyer der Staatsanwaltschaft: ein Jahr und sechs Monate, ausgesetzt zur Bewährung, sowie eine Geldstrafe fordert die Anklagevertreterin. Aus Sicht des Verteidigers deutlich zu viel. Sieben Monate auf Bewährung seien auch angesichts strengerer Gesetze ausreichend, findet der Anwalt. Ziel härterer Strafen sollten demnach nicht Menschen wie sein Mandant sein, sondern diejenigen, die Verbreitung oder Produktion aktiv und im großen Stile fördern. Mit dem Urteil, zehn Monate auf Bewährung sowie 1000 Euro Geldstrafe, ordnet sich das Schöffengericht schlussendlich am unteren Ende des Strafmaßes ein. Das Urteil ist rechtskräftig.