Balve/Menden. Ein Mix aus Schnaps und Hunde-Tabletten macht einen Balver aggressiv. Er beißt den Polizisten. Der Angeklagte hat eine tragische Vorgeschichte.
Sie kamen, um zu helfen: Rettungskräfte und Polizeibeamte mussten sich stattdessen von einem Balver beleidigen und sogar verletzen lassen. Der Hintergrund für den inzwischen 23-Jährigen ist allerdings tragisch. War es womöglich ein Suizidversuch?
Der Betroffene selber konnte vor dem Amtsgericht Menden gar nicht mehr viel dazu sagen. Er könne sich an den Abend nur noch bruchstückhaft erinnern. Der Mix, den er am Tag der Tat im März dieses Jahres konsumiert hatte, ist möglicherweise hochgefährlich. Der Balver hatte mutmaßlich mindestens eine Flasche Schnaps getrunken, wie er sich versuchte zu erinnern, dazu in größerer Menge Beruhigungsmittel genommen, die eigentlich für Hunde gedacht sind, etwa vorm Silvester-Feuerwerk. Wegen dieser womöglich fatalen Kombination wurden damals Polizeibeamte und Sanitäter zu der Wohnung des Balvers gerufen.
Er empfing das Team hoch aggressiv, wollte sich nicht helfen und ins Krankenhaus bringen lassen. Stattdessen beleidigte er die Helfer, bespuckte sie und biss schließlich einem Polizisten in den Mittelfinger bei dessen Versuch, dem jungen Mann eine sogenannte Spuckhaube anzulegen. Der Fall ging glimpflich aus.
„Ich war nicht ganz bei Sinnen“
Dennoch: Wegen Körperverletzung, Beleidigung und des Angriffs auf Amtsträger bei einer Diensthandlung musste sich der 23-Jährige vor Gericht verantworten: „Ich war nicht ganz bei Sinnen. Das ist aber keine Entschuldigung oder Rechtfertigung für das, was ich getan habe.“ Da in seine Wohnung vorher eingebrochen wurde, habe er in Angst gelebt. An vieles von dem Tag habe er keine Erinnerung mehr. „Auf einmal standen ganz viele Leute in meiner Wohnung.“ Nachdem er überwältigt worden war, kam doch ins Krankenhaus.
Im Raum steht die Frage nach der Schuldfähigkeit des Angeklagten. Er steht unter gesetzlicher Betreuung. Die Betreuerin berichtete von einer schrecklichen Kindheit und Jugend ihres Schützlings, von psychischer und körperlicher Gewalt, die er habe erleiden müsse. Unterstützung durch die Eltern etwa habe es dagegen nicht gegeben. Der Angeklagte sei psychisch angeschlagen und krank, Alkoholproblem inklusive. Der Angeklagte erzählte freimütig, regelmäßig viel zu trinken. Eine Flasche Schnaps pro Tag sei in der Menge nichts besonderes.
Lange Vorgeschichte
Zuletzt gab es bereits andere Verurteilungen die auch im Zusammenhang mit übermäßigem Alkoholgenuss stehen, etwa Trunkenheit im Verkehr, Beleidigungen, Fahren ohne Fahrerlaubnis. „So kann es nicht weitergehen“, betonte der Richter.
Der Angeklagte hat weder Beruf noch abgeschlossene Ausbildung. Er sei aber nun bereit, Schritte in Richtung einer Therapie zu machen, betonte die Betreuerin. Die vorgeworfenen Taten an sich sind also eingeräumt. Das Gericht muss aber über die Schuldfähigkeit zum Zeitpunkt der Tat entscheiden, eine verminderte oder gar eine komplette. Und das, so der vorsitzende Richter, gehe aber nicht nur mit den Aussagen des Angeklagten über seinen damaligen Zustand und den Eindrücken der Zeugen aus der Situation. „Ohne ein psychiatrisches Gutachten kann ich das nicht beurteilen“, unterstrich der Richter.
Die Vorgeschichte des Angeklagten muss demnach weiter ergründet werden, zudem eine mögliche Wechselwirkung zwischen Alkohol und Hunde-Beruhigungsmitteln. Dieses Gutachten soll nun in Auftrag gegeben werden, so lange wird der Prozess ausgesetzt.
Die Frage der Schuldfähigkeit
Die Rettungskräfte und Polizeibeamten waren auch als Zeugen geladen. Sie mussten aber zunächst nicht aussagen wegen des Geständnisses des Angeklagten, aber auch wegen der Notwendigkeit eines Gutachtens. Der Angeklagte hatte sich noch im Gerichtssaal an die Betroffenen gewandt und sich bei ihnen entschuldigt; sie nahmen an.
Sollte bei dem Balver verminderte Schuldfähigkeit festgestellt werden, dürfte ein Urteil milder ausfallen als sonst vorgesehen. Bei Schuldunfähigkeit kann eigentlich nur ein Freispruch erfolgen, das Gericht aber gegebenenfalls eine Unterbringung in der Psychiatrie anordnen, wenn ein Mensch eine Gefahr für sich und andere darstellt.