Essen. Mobbing wird zu einem immer größeren Problem an NRW-Schulen. Wie Eltern ihrem Kind helfen können – und was sie auf keinen Fall tun sollten.

Beleidigen, ausgrenzen, verletzen: Seit der Corona-Pandemie wird Mobbing zu einem immer größeren Problem an Schulen. Mehr als die Hälfte der Lehrerinnen und Lehrer hat den Eindruck, dass psychische Gewalt seitdem zugenommen hat. So beobachtet jede dritte Lehrkraft mittlerweile häufig Mobbing, 44 Prozent sehen sogar eine Zunahme von körperlicher Gewalt. Das zeigt eine repräsentative Umfrage der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Doch wie merken Eltern, dass ihr Kind betroffen ist? Wie können sie ihm helfen? Und was sollten sie besser nicht tun? Darüber hat Sophie Sommer mit Hubertina Falkenhagen von der Schulberatungsstelle in Essen gesprochen.

Streit, Abgrenzung und Lästereien gehören ein Stück weit zum Erwachsenwerden und damit auch zum Schulalltag dazu. Ab wann spricht man von Mobbing?

Hubertina Falkenhagen: Wenn die Schikane regelmäßig und über einen längeren Zeitraum stattfindet und man sie nicht mehr aus eigener Kraft beenden kann. Der zentrale Punkt am Mobbing ist, dass es immer die ganze Klasse betrifft. Das heißt, zwei, drei Schüler sind vielleicht aktive Mobber, einige sind Mitläufer, die Mehrheit schweigt aus Angst, selbst zum Opfer zu werden. Das führt dazu, dass der betroffene Schüler oder die betroffene Schülerin nicht mehr allein aus der Situation herauskommen kann.

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Woran erkennen Eltern, ob ihr Kind gemobbt wird?

Mobbing ist ein gezieltes und subtiles Vorgehen, das mögliche Anzeichen können aber sein: Das Kind zieht sich zurück, ist gereizt, seine Leistung fällt ab oder es klagt häufig über Bauch- oder Kopfschmerzen. Aber auch, wenn Stifte, Bücher oder andere Dinge auf einmal häufig kaputt oder verloren gehen. Oder dass das Kind sein Handy immer bei sich hat, den Eltern aber nicht zeigen will, was ihm geschrieben wird.

Essen. Dr. Hubertina Falkenhagen, Schulpsychologin der regionalen Schulberatungsstelle
Hubertina Falkenhagen leitet die Schulberatungsstelle in Essen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Wie hat sich Mobbing durch Smartphones und die sozialen Medien verändert?

Der große Unterschied zu früher ist: Wenn die Schule vorbei ist, geht das Mobbing trotzdem weiter. Weil das Handy allgegenwärtig ist, wird das Kind permanent von den Mobbern verfolgt. Es schläft mit der Schikane ein und wacht damit auf.

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Was können Eltern tun, wenn ihr Kind gemobbt wird?

Weil sie sich dafür schämen, halten viele Schülerinnen und Schüler es lange geheim. Wenn sie sich dann doch anvertrauen, sollten Eltern ihnen vor allem zuhören und klarmachen: „Wir glauben dir und wir helfen dir.“ Diese Hilfe sollte aber auf keinen Fall im Alleingang erfolgen. Eltern sollten also nicht versuchen, den Konflikt direkt mit den Eltern des mobbenden Kindes zu lösen. Im schlimmsten Fall eskaliert die Situation dann und das gemobbte Kind schämt sich noch mehr. Vielmehr sollten Eltern ihr Kind bei allen Entscheidungen miteinbeziehen, um ihm ein Gefühl von Kontrolle zurückzugeben. Aber auch die Lehrkräfte sollten eingebunden werden.

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Wie genau können Lehrerinnen und Lehrer helfen?

Lehrkräfte müssen sich mittlerweile so vielen Herausforderungen stellen, dass viele an ihre Grenzen geraten. Trotzdem ist es bei Mobbingfällen wichtig, sofort zu reagieren. Zum Beispiel, indem sie den mobbenden Schüler konfrontieren und ihm klarmachen: „An dieser Schule dulden wir das nicht, wir werden dich beobachten und wenn es nicht besser wird, folgen Konsequenzen.“ Oberste Priorität muss sein: Dem gemobbten Kind wird geholfen, damit es am Ende gestärkt aus der Situation herausgehen kann und nicht sein Leben lang leidet. Das heißt auch, dass im Ernstfall nicht das gemobbte, sondern das mobbende Kind in eine andere Klasse versetzt wird.

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Wie können Eltern bemerken, dass ihr Kind andere schikaniert?

Das ist erstmal gar nicht so leicht, überhaupt festzustellen. Oft gehen Eltern in eine Abwehrhaltung und denken: „Mein Kind würde so etwas nie tun.“ Im Zweifel sollten sie darauf achten, wie ihr Kind über andere redet. Und ihm generell deutlich machen: Man muss nicht mit jedem Mitschüler beste Freundschaften schließen, aber sollte mit jedem zusammenarbeiten können. Wichtig ist auch, sich selbst zu hinterfragen: Rede ich vor meinem Kind abfällig über andere? Wie gehe ich mit Menschen um, mit denen ich nicht ganz auf einer Wellenlänge bin? Die eigene Vorbildfunktion ist nie zu unterschätzen.

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