Essen. „Ich habe 4000 Euro verloren“, sagt Detlef Müller aus NRW. Wie er zum Opfer von „Love Scammern“ wurde – und nun versucht, sich zu wehren.
„Was war ich nur für ein Idiot“, sagt Detlef Müller (Name geändert) im Rückblick. Der 67-Jährige aus Nordrhein-Westfalen wurde online zum Opfer von modernen Heiratsschwindlern, den sogenannten „Love Scammern“, und hat insgesamt 4000 Euro verloren. Hier erzählt er, wie er belogen wurde:
„Warum möchte eine so bildschöne, junge Frau ausgerechnet mich kennenlernen? Diese Frage hat mich von Anfang an beschäftigt. Aber – wie auf alle anderen Fragen auch – hatte Stephanie die passende Antwort parat, die all meine Zweifel ausräumte. Es gehe ihr um die innere Schönheit, sie suche gezielt nach einem reifen Mann, der wüsste, was er wolle und keine Spielchen mit ihr spiele.
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Kennengelernt haben wir uns über Instagram. Eigentlich lehne ich Freundschaftsanfragen immer ab. Aber Stephanie wirkte auf ihrem Profilbild so sympathisch. Ich fand es toll, dass sie sich dort mit ihren Töchtern zeigte. Das zeugt von Offenheit und Ehrlichkeit, fand ich. Wir haben erstmal ganz normal geschrieben, wie man das eben macht, wenn man sich kennenlernt. Dabei habe ich schnell gemerkt, dass wir die gleichen Interessen, Wünsche und Ziele im Leben haben.
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Ich habe mich selten so verstanden gefühlt und hatte den Eindruck, dass es ihr auch so ging. Wir haben von Anfang an jeden Tag geschrieben. Treffen konnten wir uns nicht, Stephanie sagte, sie lebe in Frankreich. Aber die Distanz hat uns nichts ausgemacht. Sie hat mir viele schöne Nachrichten geschrieben. „Ich suchte meinen Stern, aber der Himmel blieb dunkel. Und dann leuchtete er auf und du bist in meinem Leben aufgetaucht“, zum Beispiel. Oder: „Jeder Tag, den ich trotz der Distanz an deiner Seite verbracht habe, erfüllt mich mit Freude.“
Liebesbetrug: „Sie hat mir erzählt, dass ihre Großmutter Brustkrebs hätte“
Nach ein paar Wochen hat sie mir erzählt, dass ihre Großmutter Brustkrebs hätte und operiert werden müsste. Sie selbst habe kein Geld. Sie hatte gerade ihren Job als Kellnerin verloren, weil sie jetzt, wo die Oma krank war, selbst auf die Kinder aufpassen müsste. Ob ich nicht die Kosten für die OP übernehmen könnte, fragte sie. 4000 Euro seien das. Da wurde ich hellhörig: Gibt es in Frankreich etwa keine Krankenversicherung?
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Ich habe mich informiert und herausgefunden, dass es tatsächlich sein kann, dass man sich in Frankreich an den OP-Kosten beteiligen muss. Ich habe einen Kostenvoranschlag angefordert, den mir der Arzt prompt per WhatsApp geschickt hat. Er war es auch, der mich über die Krankheit der Großmutter aufklärte.
Opfer von Love Scammern: „Sie haben mich unter Druck gesetzt“
Da habe ich das Geld in die Hand genommen und es ihr per Paypal geschickt. Ich hatte vor sechs Jahren selbst einen Schlaganfall, habe mich in der Zeit so allein gefühlt und hätte mir auch Hilfe gewünscht. Stephanie war so dankbar. Das hat mich glücklich gemacht. Der Arzt hielt mich die ganze Zeit auf dem Laufenden. Als die Großmutter entlassen wurde, bekam ich ein Foto, wie fast das ganze Dorf feierte. Mich feierte.
Aber die Freude hielt nicht lange an. Kurz danach gab es schon wieder Geldprobleme, wieder sollte ich helfen. Stephanie könne die Miete nicht zahlen. Sie schickte mir ein Schreiben ihres Vermieters, in dem er drohte, sie rauszuschmeißen. Kurz danach schrieb der Vermieter mir. Er meinte, ich sei der Mari, der Ehemann, er würde mich jetzt in den Mietvertrag schreiben. Er setze mich unter Druck, hat gesagt, ich müsse die Schulden bezahlen.
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Da wurde es mir zu viel. Ich habe mich einer Nachbarin anvertraut und sie um Rat gebeten. Sie hat mich gewarnt, dass das doch bestimmt eine Betrugsmasche sei. Also habe ich meinen Anwalt involviert. „Du wirst wohl mit einem 150 Kilogramm schweren, afrikanischen Mann gechattet haben“, sagte er und lachte.
Natürlich hatte ich manchmal Zweifel, dass das alles zu perfekt war, um wahr zu sein. Aber dass es diese Person gar nicht gibt, eine ganze Betrüger-Bande dahinter steckt, das wäre mir im Traum nicht eingefallen. Wir haben ja auch Video-Telefonate geführt und sie hat mir immer wieder Fotos von sich geschickt. Aber all das kann man mittlerweile faken, wie ich jetzt weiß.
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Ich habe mir viele Vorwürfe gemacht. Und war so wütend, dass ich direkt eine Anzeige bei der Polizei aufgegeben habe. Die konnten mir aber nicht wirklich helfen. Damit ich mich nicht mehr so machtlos fühle, versuche ich nun selbst, etwas gegen die Betrüger zu tun. Ich habe den Spieß umgedreht: Ich schreibe weiter mit Stephanie, um den Betrügern wenigstens etwas von ihrer Zeit zu stehlen. Sie fragen immer wieder nach Geld. Aber darauf gehe ich natürlich nicht ein. Die jüngste Forderung: Stephanie hätte gerne 28.000 Euro für einen Friseursalon.“
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