Essen. Marie ist Mutter und verheiratet – und hat trotzdem Sex mit anderen Männern. Wie sie gelernt hat, die offene Ehe zu genießen und Experten-Tipps.
Während ihre beiden Kinder auf dem Spielplatz toben, kommt Marie mit einem Vater ins Gespräch. Er ist alleinerziehend, gut aussehend und ihr sofort sympathisch. Die beiden verabreden sich auf ein Date. Zuhause erzählt Marie ihrem Mann davon.
Marie lebt in einer offenen Ehe. Sie und ihr Mann haben sich dazu entschieden, Sex mit anderen zu haben. Emotionale Treue, aber sexuelle Freiheit: Das können sich laut einer Umfrage der Online-Partnervermittlung „ElitePartner“ immer mehr Menschen vorstellen. Aber kann das Beziehungsmodell wirklich funktionieren?
Verliebt im Büro: „Er ist der Eine“
Er ist „der Eine“ für sie. Das wusste Marie bereits, als sie ihren Mann zum ersten Mal sah. Kennengelernt haben sich die beiden „ganz klassisch“ auf der Arbeit, erzählt die heute 35-Jährige: „Ich hatte ein Vorstellungsgespräch. Danach wurde ich noch durch die Büroräume geführt. Da habe ich ihn gesehen, wie er an seinem Schreibtisch saß und dachte mir: Wenn ich hier anfangen kann, dann wird das was mit uns.“
Ein halbes Jahr später zog er zu ihr. Nach sechs Jahren Beziehung redeten die beiden zum ersten Mal ernsthaft übers Heiraten. Dass er sein Leben mit ihr teilen möchte, das konnte er ihr versprechen. Dass er ihr für immer treu sein wird, nicht.
Scheidungsrate in Deutschland bei rund 40 Prozent
Ihr Mann, sagt Marie heute, sei ein sehr pragmatischer Mensch. Die Scheidungsrate liegt in Deutschland bei rund 40 Prozent. Auf drei Eheschließungen kommt damit rechnerisch mehr als eine Scheidung. Diese Zahlen habe er im Kopf gehabt, als er ihr sagte, dass er keine Ehe eingehe, nur um sich nach 15 Jahren – die durchschnittliche Ehedauer hierzulande – wieder scheiden zu lassen.
Für ihn gab es nur zwei Optionen: 1. Monogam zusammenzubleiben, ohne zu heiraten. 2. Zu heiraten, mit der Voraussetzung, andere Menschen zum Sex treffen zu dürfen. „Das hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Eine offene Beziehung, das war total außerhalb meiner Vorstellung“, sagt Marie. Trotzdem entschied sie sich für Option zwei.
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Aber erstmal nur in der Theorie. Ein halbes Jahr brauchte sie noch, um sich auch in der Praxis auf die Idee einzulassen, ihren Mann „zu teilen“ und auch selbst andere Männer zu treffen.
Ihre ersten Dates seien „nicht unbedingt erwähnenswert“ gewesen. Seine allerdings schon. „Mit den ersten Männern, mit denen ich mich getroffen habe, hat es nicht wirklich gepasst. Und jedes Mal, wenn mein Mann auswärts war, ging es mir hundeelend. Eifersucht, Verlustängste, Kontrollverlust, schlechte Gedanken in jedem Moment, den er mit einer anderen Frau verbracht hat.“
Zu dieser Zeit klammerte sie sich an einen Katalog an Regeln, der ihr Sicherheit versprach: keine Übernachtungen, niemanden mehrfach treffen, wenn sie anruft, muss er sofort nach Hause kommen. Doch die Eifersucht blieb.
Düsseldorfer Paarberater über offene Ehe: Verlustängste und Eifersucht
„Viele Paare, die ihre Beziehung öffnen, haben anfangs Verlustängste, die sich in Eifersucht niederschlagen“, sagt Paarberater Ruben Bensch. In seine Düsseldorfer Praxis würden in den vergangenen Jahren immer mehr Paare kommen, die eine offene Beziehung in Betracht ziehen.
Das seien zum Beispiel Menschen, die sehr jung zusammengekommen sind und das Gefühl haben, sich sexuell nie wirklich ausgelebt zu haben. In der Regel gehe der Wunsch nach mehr sexueller Freiheit allerdings nicht von beiden Partnern, sondern nur von einem – meistens dem Mann – aus.
„Ein Kind hat noch nie eine Ehe gerettet. Eine offene Ehe auch nicht“
„Hand aufs Herz, das kennt wahrscheinlich jeder: Phasen in denen einer mehr, einer weniger Lust hat auf Sex. Wenn die Phasen sehr lang sind oder die Libido generell unterschiedlich ist, kommen Paare an den Punkt, zu entscheiden: Wie können wir damit so umgehen, dass es allen Beteiligten gut geht?“ Für eine gesunde Beziehung sei es daher generell wichtig, dass der Partner das Gefühl hat, seinen Wunsch nach einer offenen Beziehung ansprechen zu können.
„Trotzdem führt das oft zu Problemen, weil sich derjenige, der die Beziehung eigentlich nicht öffnen möchte, unter Druck gesetzt fühlt.“ Welche Vorstellung von Liebe, Partnerschaft und Treue haben wir? Kann ich Verliebtheit von Liebe unterscheiden? Über welche anderen Wege als Sex zeigt mein Partner oder meine Partnerin mir seine oder ihre Liebe? Fragen wie diese sollten sich die Paare daher stellen, um zu entscheiden, ob sie ihre Beziehung wirklich öffnen wollen.
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„Ein Kind hat noch nie eine Ehe gerettet. Eine offene Ehe auch nicht. Sowas will vorbereitet, sowas will durchdacht sein. Wenn das nicht passiert und die blanke Lust des einen gewinnt und die andere aus einem Erpressungsgefühl zustimmt, geht es häufig schief. Wenn aber beide sich vertrauen und klar zwischen Lust und Liebe unterscheiden können, kann es gut gehen und dann auch eine Bereicherung sein“, so der Experte.
„Wie habe ich so einen Mann nur verdient?“
Um die sexuelle Freiheit als Bereicherung zu empfinden, hat Marie Jahre gebraucht. „Ich glaube das Problem war, dass es ein gefühltes Wertigkeitsgefälle gab. Wie habe ich so einen Mann nur verdient? Das habe ich früher häufig gedacht. Heute weiß ich, was ich an meinem Mann habe, aber eben auch, was er an mir hat.“
Mittlerweile mache sie sich keine Sorgen mehr, ob er sie eines Tages für eines seiner Dates verlassen würde. Der Katalog an Regeln ist geschrumpft. Marie findet es sogar okay, dass ihr Mann Sex mit ihrer besten Freundin hat. Heute gibt nur noch einen festen Grundsatz: Ehrlichkeit – gegenüber potenziellen Affären, aber vor allem auch gegenüber sich selbst. Marie und ihr Ehemann reden offen über ihre Wünsche, Ängste und ihre Dates.
Dates und Abenteuer im Swinger-Club
Marie trifft sich nun regelmäßig mit anderen Männern und sucht in Swinger-Clubs nach Abenteuern. Während der Schwangerschaften hatten die beiden ihre Beziehung gegenüber fremden Menschen geschlossen, doch schnell sehnte sich Marie wieder nach dem Nervenkitzel, den sie vor jedem Date empfindet.
So auch beim Treffen mit dem Vater, den sie auf dem Spielplatz kennenlernte. Sie verbrachten den Abend zusammen in einer Bar, tranken und lachten. Danach ging Marie mit zu ihm. Aber noch mitten in der Nacht fuhr sie zurück zu ihrem Ehemann, nach Hause. Denn genau das bedeute er ihr: „Das Gefühl von daheim sein.“ Sie ist sich sicher, dass keiner der beiden die 13-jährige Beziehung für eine Affäre beenden würde. Sie hofft daher, dass sie sich eines Tages auch nicht mehr vor Fremden für ihr Beziehungsmodell rechtfertigen muss.
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„Früher dachte ich, man kann nur in einer monogamen Beziehung glücklich sein. Das war wie ein Schwarz-Weiß-Film“, sagt Marie. „Aber dann lernst du irgendwann die Farben kennen und siehst, wie bunt die Welt eigentlich ist. Und ich gehe garantiert nicht wieder zurück zu Schwarz-Weiß.“
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