Menden. Soll der Besitz, Erwerb und Genuss von Haschisch legalisiert werden? Wir haben zu den Plänen der Bundesregierung in Menden nachgefragt.
Immer wieder hat die Polizei in den vergangenen Monaten Marihuana-Plantagen ausgehoben - auch in Menden. Dabei wird seit Monaten auf Bundesebene um eine Legalisierung gestritten. Wir wollten wissen: Wie stehen die Mendener zu einer solchen Legalisierung? Deshalb starteten wir ein Umfrage bei Apotheken, Ärzten, der Drobs, und haben in einer Mendener Schule mit jungen Erwachsenen gesprochen.
Die Apothekerin
Ann-Christin Mierzwa, Leiterin der Heide Apotheke, hat dazu eine klare Meinung. Sie hält es für keine gute Idee, dass Cannabis legalisiert und über die Apotheken vertrieben werden soll. „Wir üben einen Heilberuf aus und medizinisch verordneter Cannabis auf Rezept geben wir aus. Freiverkäufliche Genussmittel jedoch sollten nicht von Apotheken verkauft werden“, so die Pharmazeutin. „Dann könnten wir auch Alkohol und Zigaretten anbieten“, fügt sie hinzu. Apotheken sollen ihrer Meinung nach Menschen dabei helfen, gesund zu bleiben oder zu werden.
Die Drogenberatung
Kristina Sonnen und Thomas Zimmermann von der Drogenberatungsstelle Menden (Drobs) kümmern sich um ihre Klienten, die sich zurzeit noch im illegalen Bereich bewegen. „Eine Legalisierung bedeutet für die konsumierenden und abhängigen Klienten, dass sie sich nicht mehr als Verbrecher fühlen und ihnen der Zugang zu uns erleichtert wird“, so Zimmermann. „Egal ob legal oder illegal: Unsere Arbeit verändert das nicht“, fügt Kristina Sonnen hinzu. Durch ihre Arbeit wissen sie, dass mehr als vier Millionen Deutsche kiffen oder bereits einmal Cannabis geraucht haben. „Nicht jeder wird abhängig, das hängt wie bei allen anderen Substanzen, wie zum Beispiel Alkohol, immer von Motivation, also dem Warum ab", erklären die beiden Sozialarbeiter. Werden Drogen jeglicher Art benutzt, um sich ein gutes Gefühl zu verschaffen oder um über Sorgen und Nöte hinweg zu helfen, bestehe immer die Gefahr der Abhängigkeit. Meistens seien es junge Erwachsene, doch: „Gerade Jugendliche sollten am besten gar nicht konsumieren, denn das Kiffen richtet großen Schaden in der Gehirnentwicklung an“, warnen die Sozialarbeiter.
+++ Hintergrund: Immer mehr Cannabis-Verordnungen – auch in Menden +++
Der Arzt
Das Eckpunktepapier zur Cannabis-Legalisierung steht
Cannabis soll in Deutschland künftig rechtlich nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft werden, der Besitz kleiner Mengen für Erwachsene nicht mehr pauschal illegal sein. So steht es im Eckpunktepapier zur Legalisierung des Betäubungsmittels. Für Erwachsene ab 18 Jahren soll der Erwerb und Besitz bis zu einer Höchstgrenze von 20 bis 30 Gramm Genusscannabis zum Eigenkonsum im privaten und öffentlichen Raum straffrei sein. Auch der private Eigenanbau soll im begrenzten Umfang erlaubt werden. Produktion, Lieferung und der Vertrieb sollen innerhalb eines lizenzierten und staatlich kontrollierten Rahmens zugelassen werden. Gleichzeitig werden Aufklärungs-, Präventions-, Beratungs-, und Behandlungsangebote flächendeckend ausgeweitet.Aber: Das alles existiert zurzeit nur in einem Eckpunktepapier, erstellt von Gesundheitsminister Karl Lauterbach, und soll von der EU-Kommission geprüft werden, daher ist mit einer Legalisierung in Deutschland frühestens 2024 zu rechnen.Was ist Cannabis eigentlich?Der Botanische Name ist Hanf und im Jargon wird es Gras genannt. Die getrockneten Blüten und Blätter der weiblichen Hanfpflanze können zu verschiedensten Produkten verarbeitet werden. Der darin enthaltene Wirkstoff THC wirkt psychoaktiv und kann sowohl positive, aber auch sehr negative Empfindungen auslösen. Die häufigste Konsumform ist der Joint, hier wird zerbröseltes Marihuana mit Tabak vermischt und dann geraucht.
Sven Naujoks, Arzt und Substitutionsmediziner aus Menden, positioniert sich klar für eine Legalisierung von Cannabis. „Ein Verbot hält niemanden davon ab zu konsumieren, die Gefahr auf dem Schwarzmarkt gestrecktes Material zu bekommen, ist groß“, so der Mediziner. Was passieren kann, wenn synthetische Cannabinoide, also etwa in Form eines Liquids für E-Zigaretten, konsumiert werden, hat er bereits bei seiner Arbeit erlebt, die gesundheitlichen Folgen seien immens, berichtet der Arzt. Starke Psychosen gehören dazu.
Der Amtsrichter
Martin Jung, Direktor des Amtsgerichts Menden, haben wir gefragt, ob er bei der Legalisierung für das Gericht eine Arbeitserleichterung sähe. „Ein großes Erleichterungspotenzial unserer Arbeit sehe ich darin nicht“, so der Amtsrichter. Er verweist darauf, dass der Besitz kleinster Mengen in den meisten Fällen nicht gerichtlich verfolgt wird. Die Delikte, die aufgrund von Straftaten nach dem Konsum der Substanz verfolgt werden, sind seiner Meinung nach eher relevant, wie etwa Autofahren im fahruntüchtigen Zustand. Das gelte aber genauso für den Konsum anderer Substanzen, wie Alkohol, die die Verkehrstauglichkeit verhindern.
Die Schüler
Zwei Unterrichtsstunden lang waren wir zu Gast beim Hönne Berufskolleg in Menden. Die Fachlehrerin für Biologie und Gesundheit, Johanna Fecke, lud die Redaktion ein, zwei Klassen zu dem Thema zu befragen. Die Mittelstufe, Jahrgang 12 des beruflichen Gymnasiums mit Schwerpunkt Gesundheit und Erziehungswissenschaften, und die Klasse Realschulabschluss, Schwerpunkt Gesundheit, nahmen daran teil. Das Ergebnis: Rund die Hälfte der Schülerinnen und Schüler sagen, sie hätten schon einmal einen Joint geraucht. Die meisten aus Neugier, um zu erfahren, wie man sich fühlt. Einige wenige berichteten von einem gewissen Gruppenzwang. Die jungen Erwachsenen berichteten zudem von ihren Erfahrungen mit der Droge. Diese reichten von „Witze sind einfach doppelt so lustig“, über „man kann sich besser fokussieren“ bis hin zu „mir wurde übel und ich bekam eine Panikattacke“. Grundsätzlich aber berichteten alle Oberstufenschüler, dass es kein Problem sei, an Marihuana zu kommen. „Irgendwer kennt immer irgendwen, der was besorgen kann“, erklärt eine Schülerin. Dennoch beteuerten die jungen Erwachsenen, sie seinen sich bewusst, welche Gefahren es gibt, wenn „das Gras" vom Schwarzmarkt kommt.
Allen sei klar, welche Gefahren der Konsum birgt und dass die Gefahr der Abhängigkeit besteht. Dennoch sagte eine Schülerin: „Mir macht eine Gruppe Betrunkener abends in der Stadt mehr Angst als eine Gruppe, die einen Joint raucht.“ Kein Verbot halte jemanden davon ab zu kiffen, zu rauchen oder zu trinken – im Gegenteil Verbote reizten Jugendliche eher. Allerdings, darin sind sich auch alle einig, hätte es ihrer Meinung nach gereicht, den Besitz und Konsum von Cannabis zu entkriminalisieren und Verkaufsstellen anzubieten, ähnlich wie in den Niederlanden, wo alle Konsumenten sicher sein können, ungestrecktes Marihuana zu bekommen. Unterrichtsstunden in den Klassen 7 und 8 hielten alle für angebracht und sinnvoll, damit die Jugendlichen möglichst viel über das Thema erfahren.
Die Lehrerin
Dem kann sich ihre Lehrerin Johanna Fecke nur anschließen: „Ich bin ganz positiv überrascht, wie reflektiert und offen der Umgang mit dem Thema ist und auch ich würde mir wünschen, dass es demnächst im Bildungsplan zu finden ist."