Arnsberg/Sundern. Was wünschen sich Nutzer der WP von der Redaktion - und welcher Diskurs kommt ihnen in der Öffentlichkeit zu kurz? Gibt es Sprechverbote?
Wie nehmen Nutzer der WP die Arbeit der Redaktion wahr - welche Rolle nimmt sie ein und welche sollte sie einnehmen? Das war eine der Fragen, die die Redakteure an acht kritische Leserinnen und Leser gestellt hat. Diese acht nutzen die WP auf ganz unterschiedlichen Kanälen und Plattformen, von der Printzeitung bis zum Following auf Facebook ausschließlich. Sie sind bekannt für ihre hinterfragende Art, für ihre Kritik an gesellschaftlichen Entwicklungen. Im Schützenkrug in Müschede kamen die Redaktion und die eingeladenen Leser zusammen, das Motto des Abends: Zuhören - und ausreden lassen.
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Denn ein wertschätzender Umgang ist wichtig, da waren alle einer Meinung. Auch dass mehr abgewägt wird, die Themen von verschiedenen Blickwinkeln aus beleuchtet werden - das war allen ein Anliegen. Alle sprachen über ihr Unwohlsein durch Polarisierung. Das Empfinden, dass Behörden und Ämter ihren Aufgaben nicht im Sinne der Bürger nachkommen, wurde thematisiert. „Es kann doch nicht sein, dass ich 14 Tage lang im Ordnungsamt niemanden erreiche“, sagte eine Leserin. Kein Wunder, dass das Vertrauen in den Staat schwinde.
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Von der WP wünschten sich alle zwei Dinge. Erstens: „Mehr positive Beispiele! Nicht immer nur aufs Negative schauen, auch nicht hier vor Ort“, beschrieb es ein Leser. „Ich wünsche mir Beispiele, an denen andere Menschen sich orientieren können.“ Und zweitens: Ein hartnäckigeres und kritischeres Hinterfragen gerade von lokalpolitischen Entscheidungen - gepaart mit einem differenzierten Diskurs. Auf Einladung von Redaktionsleiter Martin Haselhorst antworteten die Leserinnen und Leser auf Fragen, sie sind hier fett markiert.
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Martin Haselhorst mit einer einordnenden Analyse zum Jahreswechsel"
Wird von den Medien etwas verschwiegen?
Da ist sich das Teilnehmerfeld an diesem Abend nicht ganz einig. So sind einige der Meinung, dass von den Medien gewisse Sachverhalte besser und genauer aufgearbeitet werden müssten. Hier wurden als Beispiel der Rathausbau in Arnsberg, die Windenergieplanung im HSK oder politisch extreme Richtungen genannt. Man wünsche sich hier einen differenzierteren Blick, eine stärkere inhaltliche Auseinandersetzung mit der Thematik sowie eine klarere Benennung von Verursachern von Fehlentscheidungen.
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Eine Teilnehmerin erklärte im persönlichen Austausch auch, dass sie eine Abhängigkeit bestimmter großer Medienkonzerne durch die Wirtschaft sehe, was wiederum dazu führe, dass bestimmte Themen in dem jeweiligen Medienkonzern zugehörigen Presseorganen tabuisiert oder bewusst falsch dargestellt würden. „Manche Berichterstattung ist offenkundig interessengesteuert“, so ihr Kommentar. Sprechverbote spielten ebenfalls hier hinein; die sehe man aber weniger in den lokalen Medien als in den „Weltnachrichten“.
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Der Wunsch eines Befragten war groß, dass man beim Krieg in der Ukraine nicht nur ausschließlich die Sichtweise des Westens, sondern auch den Blickwinkel Russlands auf den Konflikt betrachte. Gleich mehrere Teilnehmer des Gesprächs mit der WP-Redaktion Arnsberg/Sundern nannten Themen wie Obdachlosigkeit, Jugendgewalt und das „Generationenproblem“ in Deutschland, die ausführlicher in den Medien auch auf lokaler Ebene aufgegriffen werden sollte. „Beschreiben Sie einfach, was ist“, so der Tenor eines Lesers. Nahezu alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind der Meinung, dass die soziale Situation der Menschen aus der mittleren und unteren Gesellschaftsschicht zu stiefmütterlich behandelt wird. „Schildern Sie mal, wie schwierig es für Familien und Einzelpersonen geworden ist, den Alltag zu bestreiten angesichts von Verteuerungen in allen Bereichen des Lebens.“
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Welchen Quellen vertrauen Sie und welche Rolle sollten unabhängige Medien einnehmen?
Den Bürger mehr in den Fokus zu nehmen und deren Perspektive zu zeigen - das sei eine Rolle der lokalen unabhängigen Medien, stellt eine Leserin fest. Als Beispiel nennt sie die Berichterstattung zum Motorradlärm am Sorpesee, in der lediglich die Anwohner als auch der Gastronom zu Wort gekommen seien - nicht aber die Biker und Bikerinnen. Ein Leser sieht die Medien und die Presse als „Anwälte der Demokratie“. Er sagt: „Ich vertraue Medien, bei denen ich den Eindruck habe, dass Inhalte fachlich gut recherchiert sind, dass die Absicht ist zu informieren statt zu polarisieren.“ Das Medium müsse erkennbar der gesellschaftlichen Mitte zugeordnet sein.
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Allgemein wurde der Wunsch deutlich, dass Journalistinnen und Journalisten - auch und insbesondere lokal - keine Angst vor Autoritäten im Ort haben und auch „keine Rücksicht auf lokale Größen“ nehmen sollten, sondern „sagen, was ist“. Gleichzeitig sei aber auch die Frage wichtig, inwieweit ein Medium unabhängig sein könnte - wenn beispielsweise Investoren im Konzern die Richtung der Berichtserstattung beeinflussen könnten. Insgesamt jedoch vertrauten die anwesenden Leserinnen und Leser den lokalen Medien mehr als manch einem überregionalen oder weltweit aktiven Medium - so der Tenor. Zur Rolle gehöre auch, losgelöst von einzelnen Interessen zu berichten und mehr Hintergründe aufzuzeigen.
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Was kommt zu kurz?
Grundsätzlich sind nach Lesermeinung das ganz normale Vereinsgeschehen und positive Nachrichten über das Ehrenamt bzw. aus der Lokalpolitik in den Hintergrund gerückt. Es fehlten zudem ausführliche Artikel über Kreistagsthemen. Nur noch große Ereignisse würden näher beleuchtet werden und das zuweilen sogar zu viel. Die Leserinnen und Leser nannten dazu Beispiele wie Schützenfest und Karneval. Eine Leserin hätte sich zudem über eine nähere Aufbereitung der Corona-Zeit gefreut. „Das Thema ist wohl komplett vom Tisch und dabei gibt es noch so viele unbeantwortete Fragen“, sagt sie.
Noch eines einte die Anwesenden: Mehr Regionales und Lokales wünschten sich alle, da gebe es „eigentlich keine Grenze nach oben“. Die überregionalen Nachrichten seien am nächsten Morgen entweder schon inaktuell. Oder bereits bekannt. Ein Leser meinte, dass im überregionalen Teil sowohl die neutrale als auch kritische Berichterstattung zu kurz komme. Hingegen seien im regionalen Teil die Themen meist von mehreren Seiten beleuchtet. „Zuweilen werden im Lokalteil sogar nicht ausgewogene Leserbriefe veröffentlicht. Das finde ich gut.“
Was machen Medien zu wichtig?
„Gendern, Verkehrsthemen, Klima und Rechts-Links-Kritik - darüber wird einfach zu viel berichtet“, meint eine Leserin, die manche Themen in den Medien nicht mehr hören, sehen und lesen will. „Und dazu habe ich oft den Eindruck, dass mit erhobenen Zeigefinger berichtet wird“, sagt sie. Die Meinung des sogenannten „Mainstreams“ werde hauptsächlich in den Medien weitergegeben und die Ansichten der maßgeblichen Politiker oftmals überbewertet, betont ein anderer Leser.
In der WP lese er seit Anfang des Jahres fast jeden Tag etwas über Friedrich Merz. „Er wird in meiner Tageszeitung viel zu positiv darstellt. Das machen andere Medien nicht so.“ Robert Habeck komme seiner Ansicht nach ebenfalls zu oft vor.
Und sogenannte „Prominews“ sollten nicht zu wichtig in der Tageszeitung genommen werden. „Dafür gibt es andere Blätter“, meint eine andere Leserin, die zudem findet, dass beim Sport der Fußball über- und andere Sportarten unterbewertet werden.
„Wir haben einander zugehört und andere Meinungen ausgehalten“
Nach zwei Stunden intensivem Austausch verabschiedete Redaktionsleiter Martin Haselhorst die Gäste und stellte fest. „An den Tischen wurde kontrovers diskutiert, aber wir haben uns zugehört und ausreden lassen und auch andere Meinungen ausgehalten“, sagte er, „so sollte unserer gesellschaftlicher Diskurs gerade in diesen Zeiten auch funktionieren“.
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