Arnsberg. Das Jahr 2025 wird auch für uns als Lokalredaktion herausfordernd. Es geht um unsere Rolle, um Qualitätsjournalismus und die Demokratie.
Das Jahr endet beängstigend. Nach dem Attentat von Magdeburg wachsen Hass und Hetze. Zunehmend erreichen uns in der Redaktion E-Mails mit verstörendem Inhalt. Da wird uns vorgeworfen, dass wir als vermeintlich „gelenkte Staatsmedien“ die „Schuldigen“ an den schlimmen Ereignissen seien. „Die Morde, die hier in Deutschland von Migranten ausgehen, haben Sie alle mit zu verantworten!!!“, wird uns mitgeteilt.
Eine andere Mail sieht uns gar von amerikanischen Interessen gesteuert. Das alles wird nicht mehr nur im Verborgenen so geschrieben, sondern auch offen in den sozialen Netzwerken formuliert. Nicht mehr anonym, sondern von realen Personen unter uns in unserer Stadtgesellschaft.
Auch interessant
„Ja, die Rechten und ihre Phobie vor den Mainstream-Medien“, mag der eine oder andere der aus diesen Ecken gescholtenen politischen Mitte uns nun in Schutz nehmen wollen. Fakt aber ist: Auch hier ist das Verständnis von der demokratietragenden Rolle freier Medien zuweilen erschreckend unausgeprägt. Wenn wir als lokales Medium zu einer wichtigen Kandidatenkür einer etablierten Partei in der Stadt nicht eingeladen werden, weil das Medienteam der Meinung ist, dass man dann ja nicht wisse, was darüber am Ende darüber geschrieben wird, zeigt das nur zu deutlich, wie wichtig es ist, dass wir unsere Rolle und Aufgabe mal öffentlich klar definieren.
Gerade vor dem Wechsel in ein Jahr mit Bundestagswahl und Kommunalwahlen - und gerade vor dem Hintergrund einer bedenklichen Entwicklung: Neue Studien zeigen, dass sich mehr Deutsche als je zuvor einen „starken Mann“ als Staatenlenker wünschen - vor allem junge Deutsche. Raum für Differenzierung, für Diskussionen über den richtigen Weg bleibt immer weniger.
Wir müssen und wollen vielseitig recherchierten Qualitätsjournalismus liefern. Das muss der Anspruch an uns selber sein. Denn nur so sind wir das in diesen Zeiten dringend benötigte Gegenmodell zu den unzähligen Plattformen der eigenen Wahrheiten und der Selbstvermarktung von Parteien, Politikern und Behörden auf allen Kanälen. Und deshalb muss klar sein: Wir zeigen Haltung für unsere Demokratie und Verfassung, wir treten dafür ein.
Auch interessant
Wir machen uns aber nicht zu willigen Partnern und Kommunikationsabteilungen derer, über die wir berichten müssen nach dem Willen unserer Verfassung. Immer prüfen wir: Wo ist die Nachricht? Wo ist die Relevanz? Wo ist die Geschichte? Was müssen wir hinterfragen?
Unabhängigkeit in einer verstörenden Zeit
Natürlich wollen wir nah dran sein, natürlich wollen wir über Vereine, Behörden und Institutionen berichten. Unsere Motivation aber ist übergeordnet: Wir wollen natürlich zeigen, wie die Menschen hier in Arnsberg und Sundern ticken und leben. Wir wissen auch: Oft wünschen sich Vereine, Institutionen oder Kulturschaffende, dass wir mehr über sie berichteten. Das machen wir auch immer wieder gerne, aber unabhängig.
Und so lassen wir uns selbstverständlich auf Wunsch Zitate von unseren Gesprächspartnern „freigeben“, nicht aber ganze Berichterstattungen. Letzteres wird zunehmend - oft auch ohne böse Absicht - von uns gefordert, weil die Rolle von unabhängigem Journalismus insbesondere in der modernen Social-Media-Welt nicht mehr von allen verstanden wird.
Auch interessant
Die Liste konkreter Beispiele hier aus Arnsberg und Sundern ist lang. Gerade erst erhielt ein fusionierendes Geldinstitut unter kommunaler Trägerschaft von uns eine Presseanfrage mit vielen sehr konkreten Anfragen dazu, was die Fusion genau - jetzt oder später im Jahr - für die vielen Kunden in dieser Region bringen wird. Anstatt die Fragen dem Fragenden detailliert zu beantworten, wird eine knappe Pressemitteilung in den großen Verteiler gegeben. Die Idee dahinter offenbar: Lieber ein vorformulierter Text als alle Fragen der Journalisten konkret beantworten. Doch das ist gegen die Spielregeln.
Nein, das Unverständnis über die Rolle von Lokaljournalismus ist keineswegs nur allein ein Phänomen bei Rechtspopulisten, sondern greift schleichend um sich in einer Gesellschaft, die offenbar vergessen hat, wie wichtig freie und nachfragende Medien für unsere Demokratie sind. Und so wie ein Funktionieren von Demokratie im ganz Kleinen - in Vereinen, Dörfern und Kommunen - beginnt, so beginnt auch das Arbeiten freier Medien genau auf dieser Ebene beim Lokaljournalismus.
Dass wir unabhängig sind und sein wollen, müssen wir täglich beweisen. Im kommenden Jahr werden wir daher wieder - und vielleicht noch mehr als bisher - Menschen zu Wort kommen lassen. Über Dinge, die sie bewegen, stören, verängstigen oder ärgern. Oder aber auch über die Erwartungen und Probleme, die sie mit dem Journalismus haben. Wir haben uns das Motto „zuhören und ausreden lassen“ auf die Fahne geschrieben.
Nicht, um Hetze und Hass eine Chance zu geben, aber um Motivation für Unzufriedenheiten besser zu verstehen. Dazu werden wir Menschen verschiedener Gruppen direkt und offen einladen. Wir müssen zuhören, wir müssen ausreden lassen - wir alle einander. Und dann müssen wir als verantwortungsvolle Journalisten recherchieren, berichten, einordnen und gegebenenfalls kommentieren. Das ist unser Auftrag, das ist der Lokaljournalismus, für den wir stehen.
Mehr Nachrichten? Folgen Sie der WP Arnsberg/Sundern in den sozialen Medien:
- Folgen Sie uns auf Facebook: Westfalenpost Arnsberg/Sundern
- Bekommen Sie neue Einblicke auf Instagram: @wp_arnsberg_sundern
- Die WP Arnsberg/Sundern auf WhatsApp: WP Arnsberg/Sundern
- Das tägliche Update per E-Mail: Der WP Arnsberg Newsletter