Wetter. In der Pandemie ist Rüdiger Salzwedel aus Wetter skeptisch geworden. Noch immer hadert er mit der Corona-Politik – und mit den Medien.

In der Corona-Zeit hat sich Rüdiger Salzwedel wiederholt mit Leserbriefen im Lokalteil zu Wort gemeldet. Die Pandemie ist vorbei. Was ist geblieben von seinem Unwohlsein angesichts der Politik und der Medien? Die Redaktion hat Fragen gestellt und zugehört.

Herr Salzwedel, hadern Sie immer noch mit der Corona-Politik von damals?

Ja. Auf jeden Fall. Absolut. So viel wie vorher auch, und immer noch. Warum? Ganz am Anfang, als die ersten Schulschließungen waren (so um Ostern 2020 herum), war auch ich zunächst sehr vorsichtig, auch in meiner Zahnarztpraxis. Ein Freund von mir äußerte damals, und das nimmt ihm meine Frau heute noch übel: In wenigen Wochen haben wir Millionen Infizierte und hunderttausend Tote. Und jeder wird jemanden kennen, der an Corona gestorben ist. Irgend so ein Politiker habe das gesagt.

Wie haben Sie reagiert?

Ich habe meinen eigenen Bekanntenkreis abgeklopft: Wer ist krank? Warum? Und kenne ich persönlich jemanden, der an Corona verstorben ist? Als betreuender Zahnarzt hatte ich auch viel Einblick in die Altenheime. Die Feststellung nach wenigen Wochen: Für mich persönlich und meine Familie besteht keine Gefahr, schwer an Corona zu erkranken oder sogar daran zu sterben. Ich erkannte, wieviel unbegründete Angst den Menschen seitens der Politik gemacht wurde. So habe ich dann sehr aufmerksam die Medien verfolgt und Meinungen gesucht, die mein Empfinden bestärken. Ich wollte die Dinge immer wissenschaftlich einschätzen. Dabei bin ich im Internet auf Berichte von Professoren und Doktoren gestoßen, die in den öffentlich-rechtlichen Medien leider überhaupt nicht zu Wort gekommen sind. Mein Eindruck wuchs immer mehr, dass gewisse Meinungen nicht gebracht wurden. Besonders später auch in Bezug auf die Impfkampagne und mögliche Nebenwirkungen.

Drei Schlagworte: Was haben Sie damals und heute kritisch gesehen?

Maskenpflicht. Schulschließungen. Impfungen. Es gibt viele Dinge, die so dermaßen schief gelaufen sind. Ins Auge gefallen ist mir auch, dass sich so gut wie kein Medium getraut hat, Dinge kritisch zu hinterfragen.

Wenn man so deutlich sagt, dass der Umgang mit Corona unangemessen ist: Macht das einsam?

Meine Mutter hat immer gesagt: Nun pass‘ auf, was du sagst. Einer der Söhne meiner Frau aus erster Ehe hat einen Leserbrief von mir in der Zeitung gesehen und vor möglichen Konsequenzen gewarnt. In einer WhatsApp-Gruppe ehemaliger Studienkollegen, fast alles Ärzte, bin ich tatsächlich angeeckt. Ich hatte nur ein paar Fragen gestellt: Wer in eurem Bekanntenkreis ist erkrankt und an was genau? Zurück kam: „Das gehört hier nicht in diese Gruppe.“ Auch ein neuerlicher Hinweis auf eine kritische Studie wurde kommentiert mit einem „Ich bin raus“. Dieser Freund spricht bis heute nicht mehr mit mir. Es hat mich sehr erschrocken, wie aus dem nächsten Bekanntenkreis die Allermeisten so zurückhaltend oder abweisend waren. Aber es gab auch Zustimmung.

Auf Sie selbst bezogen: Würden Sie heute etwas anders machen?

Dass ich versucht habe, in einzelnen Köpfen etwas zu verändern oder mal den Blick auf anderes zu richten – dazu stehe ich immer noch in vollem Umfang. Was ich manchmal vielleicht ein bisschen zu spät gemerkt habe: dass es keinen Sinn hat. Man muss auch schon mal locker lassen. Aber es war schon eine Art selbst auferlegte Mission, dass wie vor Corona Diskussionen wieder möglich sind und man sich unterhalten kann, ohne dass alles ins Moralische abgleitet.

Sie haben Öffentlichkeit gesucht, als wegen des Lockdowns eine vielversprechende Therapie für Ihren Sohn ausgesetzt werden musste. Sind Ihre Befürchtungen eingetreten?

Das Schwimmen war und ist heute auch wieder eine wichtige Bewegungstherapie für meinen Sohn. Als das nicht möglich war, mussten wir nach anderen Alternativen suchen und sind beispielsweise auf das Radfahren gekommen. Als Vater habe ich glücklicherweise über besondere zeitliche Möglichkeiten verfügt, Dinge aufzufangen. Bei vielen anderen Kindern und Jugendlichen waren die Folgen des Lockdowns sicherlich dramatischer.

Der Bundespräsident hat gerade eine Aufarbeitung der Coronazeit gefordert. Wie weit ist diese schon?

Das, was als Aufarbeitung, als Scheinaufarbeitung läuft, ist das zögerliche Einräumen von Schäden. Das klingt dann in etwa so: „Die Kinder haben ja tatsächlich gelitten. Das tut uns unendlich leid.“ Ganz kleinteilig wird immer ein bisschen mehr eingestanden. Was der Bevölkerung als Aufarbeitung angeboten wird, zeigt eigentlich, dass sie gar nicht ernst genommen wird in ihren Nöten. Auch nicht in Medien wie dem WDR.

Welchen Informationen trauen Sie überhaupt noch?

Ich schaue mir Nachrichten an, wenn auch in der Regel nicht mehr Tagesschau oder Heute Journal. Die Herrschaften haben sich einiges geleistet in Sachen Hetzkampagnen. Ich habe mir meine Medien gesucht, stark nach Statistiken geschaut – und das alles mit der Hoffnung, dass ich mich selbst dabei auch überprüfen kann. Im Internet findet man längst nicht nur „Fake News“, sondern auch viele gute wissenschaftliche Beiträge.

Das Ende der Pandemie ist knapp zwei Jahre her. Ist in dieser Zeit Ihr Vertrauen in „die Medien“ wieder gewachsen?

Man merkt, dass es jetzt en vogue ist, die Dinge anzusprechen. Es gibt Rechtfertigungen der immer noch gleichen Experten. Über kleine Eingeständnisse geht das kaum hinaus. Und der Wahrheitsgehalt der Aussagen von Politikern wird nur selten überprüft. Dabei sollte inzwischen jeder die freigeklagten Protokolle vom Robert-Koch-Institut kennen. Würden die Medien diese kritische Aufarbeitung übernehmen, könnte mein Vertrauen wieder wachsen – und ich würde die Tagesschau auch wieder einschalten.

In zwei Wochen wird gewählt. Welche Hoffnung verbinden Sie mit Ihrem Lieblingswahlergebnis?

Ich sage offen: Ich werde das BSW wählen. Die AfD haut da zu populistisch drauf. Deswegen würde ich die nicht wählen – anders als so mancher meiner Ärztekollegen und Freunde. Beim Bündnis Sahra Wagenknecht hoffe ich, dass eine Partei mit an die Regierung kommt, die das Zünglein an der Waage ist. Ihr Gesundheitsexperte ist Dr. med. Friedrich Pürner. Diesem Mann würde ich als Gesundheitsminister vertrauen. Die Altparteien alleine werden eine Aufarbeitung, so lange Verantwortliche in Amt und Würden sind, nicht wirklich betreiben. Ich glaube, die Gesellschaft könnte befriedet werden, wenn hier mal ein Zeichen gesetzt wird. Meine größte Sorge ist jedoch, dass im Falle einer erneuten Krise, mit einer Mischung aus Angsterzeugung und moralischen Argumenten, ein Großteil der Bürger erneut bereit wäre, eine Minderheit wie zuletzt die Impfkritiker unkritisch auszugrenzen. Eine solche Spaltung darf nie wieder vorkommen.