Arnsberg/Sundern. Ist Veganismus gesund? Experten aus Arnsberg & Sundern sind sich uneins. Eine Veganerin, ein Chefkoch und Ernährungsmediziner liefern Antworten.
Muss ich mich künftig im Restaurant schämen, wenn ich ein Steak bestelle? Bei der Frage muss Olaf Baumeister, Chefkoch im Hotel Seegarten in Sundern, leicht schmunzeln. „Nein, muss man natürlich nicht“, sagt er, ehe er zum „aber“ ansetzt, „weniger Fleisch essen, dafür in exzellenter Qualität. Das ist der Weg“.
Mehr als eine Million Menschen in Deutschland bezeichnen sich selbst laut dem Institut für Demoskopie Allensbach als Veganer – Tendenz steigend. In Arnsberg hat sich Ivonne Kraus vor fast zwölf Jahren für diese Lebensweise entschieden. Für sie ist es eine ethische Frage: „Kein Tier soll für mich leiden“, sagt sie.
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Doch ist eine vegane Ernährung auch gesund? „Ich sehe das kritisch“, sagt Dr. Norbert Peters, Chefarzt am Klinikum Hochsauerland und Ernährungsmediziner. Wesentliche Nährstoffe wie Vitamin B12, Eisen oder Jod werden vom Menschen in der Regel über tierische Produkte aufgenommen. Veganer müssen darauf achten und durch einen bewussten Ernährungsplan ausgleichen. Mit diesen drei Positionen wollen wir uns dem Trend-Thema Veganismus nähern:
Veganerin Ivonne Kraus aus Arnsberg: „Kein Tier soll für mich leiden“
Der finale Schritt zur veganen Ernährungsweise fiel der damals 22-jährigen Arnsbergerin Ivonne Kraus nicht schwer. Seit ihrem zehnten Lebensjahr ernährt sie sich vegetarisch. Dennoch habe sich im vergangenen Jahrzehnt einiges bei der Produktvielfalt getan: Sojamilch war damals in den Supermarkt-Regalen eher eine Rarität.
Um ihre ethischen Prinzipien mit mehr Hintergrundwissen zu untermauern, hat sich Ivonne Kraus an der „Ecodemy“, einer Fernschule für Gesundheit und Ernährung in Bonn, zur zertifizierten veganen Ernährungsberaterin ausbilden lassen. Derzeit praktiziert sie aber noch nicht, sondern ist hauptberuflich als selbstständige Tierphysiotherapeutin tätig.
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Ihre Freunde und Angehörigen möchte sie bei dem Thema aber nicht in eine bestimmte Richtung drängen. Ivonne Kraus weiß: Veganismus polarisiert. Wird sie aus ihrem Umfeld auf ihre Ernährungsweise angesprochen, lädt sie auch gerne zu einem gemeinsamen Kochabend ein. Wer kommt, darf eines ihrer neuen Rezepte kosten.
Aber wie leicht kann man seine Lebensweise auf vegan umstellen? „Grundsätzlich geht das ganz einfach“, sagt Ivonne Kraus selbstbewusst, „aber man darf sich nicht selbst unter Druck setzen. Zu hundert Prozent schafft man es sowieso nicht“.
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Hilfreich sei in diesem Fall ein „Netzwerk mit Gleichgesinnten“, empfiehlt die 34-Jährige. Bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie organisierte Ivonne Kraus beispielsweise einen eigenen Stammtisch für Veganerinnen und Veganer aus Arnsberg und Umgebung. Zum Treffen brachten sie dann ihr selbstgekochtes Essen mit ins Restaurant. Denn noch fehlt ein rein veganes Lokal in Arnsberg und Sundern. Ist das Thema in der Gastronomie also noch nicht angekommen?
Gourmetkoch Olaf Baumeister aus Sundern: „Fleisch wieder wertschätzen“
Chefkoch Olaf Baumeister bietet im Hotel und Restaurant Seegarten in Sundern seinen Gästen mindestens immer ein vegetarisches oder ein veganes Hauptgericht an. Dann serviert er beispielsweise ein Tomaten-Chilli-Ragout mit marinierten Kräutern oder selbstgemachte Ravioli mit Pastinaken und Artischocken. „Es ist ein Riesenthema, vor allem bei jungen Menschen“, sagt er. Das Feedback der Gäste sei gut.
Deswegen vermutet er, dass in Zukunft auch die Gastronomie ihre Küche verstärkt auf vegetarische und vegane Speisen ausrichten wird. Verschwindet das Steak also künftig von der Speisekarte?
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Bestimmt nicht, meint Olaf Baumeister. Qualitätvolles Fleisch müsse für ihn eher wieder mehr Wertschätzung erfahren. Massentierhaltung und den Verkauf von Billigfleisch kritisiert er scharf. Für ihn ist der richtige Weg in der Frage: weniger Fleisch, dafür in besserer Qualität. „Im Idealfall vom Bio-Bauern aus der Region“, betont er.
Vegan gegen Mischkost
Die vegane Ernährung ist eine strenge Form der vegetarischen Ernährung, bei der ausschließlich pflanzliche Lebensmittel verzehrt werden, schreibt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE).Eine gut geplante vegane Ernährung hat in Bezug auf Ballaststoffe, Gemüse und Obst häufig eine günstigere Zusammensetzung als die in Deutschland übliche Mischkost. Eine ausreichende Versorgung mit einer Reihe von Nährstoffen ist nicht sichergestellt, heißt es.Wer im Raum Arnsberg mit einer veganen Ernährung anfangen möchte, kann u. a. Ivonne Kraus eine Mail an tierphysiokraus@posteo.de schreiben. Die DGE listet eine Übersicht von Ernährungsberatern in der Nähe auf ihrer Internetseite.
In seiner Küche verfolgt er konsequent den Ansatz, frische und regionale Produkte zu verwenden. Dafür wurde er im Frühjahr von den Gourmetkritikern des Guide Michelin Deutschland mit einem Grünen Stern für Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Das Besondere in diesem Fall: Diesen Titel tragen nun lediglich zwei Restaurants in NRW.
Honig vom Imker aus Langscheid, Eier vom Bio-Hühnerhuf in Stemel und Forellen von der Zucht in Oberelspe: Ist das also der richtige Weg?
Der Ernährungsmediziner
Als „Flexitarier“ bezeichnet sich Dr. Norbert Peters selbst: „Ich esse alles, wenn es frisch und regional produziert ist“, sagt der Chefarzt des Klinikums Hochsauerland und Ernährungsmediziner. Für ihn ist klar: Es gibt kritische Nährstoffe für den Menschen, die eine vegane Ernährung nicht enthält.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt daher Schwangeren und Müttern in der Stillzeit sowie Kindern und Jugendlichen keine vegane Ernährung. In den Fällen ist eine professionelle Beratung durch einen ausgebildeten und anerkannten Arzt angebracht. Ob Steak, Forelle oder Grünkohl: Für Norbert Peters gilt ein Grundsatz für eine ausgewogene Ernährung: „So regional, so frisch und so wenig verarbeitet wie möglich.“
Worauf Veganer bei der Ernährung achten sollten
Denn Veganer müssen gezielt darauf achten, dauerhaft die wesentlichen Nährstoffe durch eine bewusste Ernährungsweise auszugleichen:
- Protein kann durch eine Kombination von Vollkorngetreide mit Hülsenfrüchten wie Linsen ausgeglichen werden. Protein aus pflanzlichen Lebensmitteln sei für Menschen aber nicht so gut verwertbar wie das aus tierischen Quellen.
- Veganer müssen dauerhaft ein Vitamin B12-Präparat einnehmen und die Versorgung regelmäßig ärztlich untersuchen lassen.
- Für die Omega-3-Fettsäuren können Veganer beispielsweise Raps- und Walnussöl verwenden.
- Für die Calciumversorgung können Gemüsesorten wie Grünkohl oder Brokkoli dienen.
- Veganer sollten eisenreiche Lebensmittel wie Vollkorngetreide, grünes Blattgemüse und Hülsenfrüchte essen.
- Zur Jodversorgung sollten Veganer mit fluoridiertem Jodsalz kochen.